„Ne ultra petita“ – Versionsunterschied

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Der Grundsatz '''ne ultra petita''' ([[Latein|lat.]] ''nicht über das Geforderte hinaus'') (eigentlich '''ne eat iudex ultra petita partium''' ([[Latein|lat.]] ''nie gehe der Richter über den Antrag der Parteien hinaus'')) besagt, dass ein [[Gericht]] dem Kläger nicht mehr zusprechen darf, als vom Kläger [[Antrag|beantragt]] wurde. Das Gericht ist entsprechend diesem Grundsatz nach der [[Dispositionsmaxime]] an die Anträge der Parteien gebunden, die als „Herren des Verfahrens“ gelten. Im Gegenschluss ist das Zusprechen von weniger zulässig.<ref name="Zivilakte">Klaus Dresenkamp, Ole Sachtleber: ''Zivilakte'' Vahlen, 4. Aufl., München 2020, ISBN 978-3-8006-6038-4, S. 14.</ref> So kann das Gericht zum Beispiel anstatt der begehrten Verurteilung zur unbeschränkten Leistung nur eine Leistung [[Zug um Zug (Recht)|Zug um Zug]] zusprechen.<ref name="Zivilakte"></ref>


Der Grundsatz '''ne ultra petita''' ([[Latein|lat.]] ''nicht über das Geforderte hinaus'') (eigentlich '''ne eat iudex ultra petita partium''' oder '''iudex ne eat ultra petita''' ([[Latein|lat.]] ''nie gehe der Richter über den Antrag der Parteien hinaus'')) besagt, dass ein [[Gericht]] dem Kläger nicht mehr zusprechen darf, als vom Kläger [[Antrag|beantragt]] wurde.
Dieser Antrags-Grundsatz ist im deutschen [[Zivilprozessrecht (Deutschland)|Zivilprozessrecht]] in {{§|308|zpo|juris}} Abs. 1 [[Zivilprozessordnung (Deutschland)|ZPO]] und im Verwaltungsprozess in {{§|88|vwgo|juris}} [[Verwaltungsgerichtsordnung|VwGO]] gesetzlich geregelt.

== Rechtsordnungen mit diesem Gebot ==

=== Deutsche Rechtsordnung ===
Das Gericht ist entsprechend diesem Grundsatz nach der [[Dispositionsmaxime]] an die Anträge der Parteien gebunden, die als „Herren des Verfahrens“ gelten. Im Gegenschluss ist das Zusprechen von weniger zulässig. So kann das Gericht zum Beispiel anstatt der begehrten Verurteilung zur unbeschränkten Leistung nur eine Leistung [[Zug um Zug (Recht)|Zug um Zug]] zusprechen.<ref name="Zivilakte">Klaus Dresenkamp, Ole Sachtleber: ''Zivilakte'' Vahlen, 4. Aufl., München 2020, ISBN 978-3-8006-6038-4, S. 14.</ref> Dieser Antrags-Grundsatz ist im deutschen [[Zivilprozessrecht (Deutschland)|Zivilprozessrecht]] in {{§|308|zpo|juris}} Abs. 1 [[Zivilprozessordnung (Deutschland)|ZPO]] gesetzliche geregelt. Die Dispositionsmaxime gilt nicht nur im erstinstanzlichen Verfahren, sondern auch in den Rechtsmittelinstanzen, dem Beschwerdeverfahren und dem Kostenfestsetzungsverfahren. Eingeschränkt gilt er im Verfahren über [[Arrest (Zivilprozess)|Arrest]] und zum Erhalt einer einstweiligen Verfügung. §308 ZPO wird ebenso im Beschlussverfahren vor dem Arbeitsgerichten angewandt.<ref>{{Literatur |Autor=[[Hartmut Rensen]] |Titel=§308 ZPO |Hrsg=[[Bernhard Wieczorek]] |Sammelwerk=Zivilprozessordnung und Nebengesetze : Grosskommentar |Band=3 |Nummer=1 |Auflage=3 |Verlag=Walter de Gruyter |Datum=2007 |ISBN=978-3-89949-086-2 |Seiten=102}}</ref>

Dieser Antrags-Grundsatz ist neben dem deutschen Zivilprozessrecht auch im Verwaltungsprozessrecht in {{§|88|vwgo|juris}} [[Verwaltungsgerichtsordnung|VwGO]] gesetzlich geregelt.


Im Verwaltungsrecht wird dieser Grundsatz als Argument gegen die Zulässigkeit der [[Reformatio in peius]] herangezogen.
Im Verwaltungsrecht wird dieser Grundsatz als Argument gegen die Zulässigkeit der [[Reformatio in peius]] herangezogen.


Im [[Strafprozessrecht]] gilt der Grundsatz nicht: Das Gericht darf eine höhere Strafe verhängen als vom [[Staatsanwalt]] beantragt, darf aber auch dann den Angeklagten [[Freispruch|freisprechen]], wenn dieser oder sein Verteidiger eine Bestrafung beantragt hat.
Im [[Strafprozessrecht]] gilt der Grundsatz nicht: Das Gericht darf eine höhere Strafe verhängen als vom [[Staatsanwalt]] beantragt, darf aber auch dann den Angeklagten [[Freispruch|freisprechen]], wenn dieser oder sein Verteidiger eine Bestrafung beantragt hat.

=== Europarecht ===
Der Grundsatz ''ne ultra petita'' gilt auch in der [[Nichtigkeitsklage (Europarecht)|Nichtigkeitsklage]] vor dem [[Gerichtshof der Europäischen Union]].<ref>{{Literatur |Autor=Dirk Ehlers, Friedrich Schoch |Titel=Rechtsschutz im Öffentlichen Recht |Verlag=Walter de Gruyter |Datum=2009 |ISBN=978-3-89949-497-6 |Seiten=189}}</ref>

== Rechtsordnungen in denen das Gebot nicht gilt ==
Das [[Verwaltungsprozessrecht (Polen)|polnische Verwaltungsprozessrecht]] kennt keinen Grundsatz der ''ne ultra petita''. So können [[Verwaltungsgerichtsbarkeit (Polen)|Verwaltungsgerichte]] über das Klagebegehren hinausgehen. Die Beschränkung ist nur dadurch gegeben, dass es sich um den gleichen Streitgegenstand handeln muss.<ref>{{Literatur |Autor=Thomas von Danwitz |Titel=Europäisches Verwaltungsrecht |Verlag=Springer Science & Business Media |Datum=2008-09-03 |ISBN=978-3-540-79877-4 |Seiten=97}}</ref>


== Siehe auch ==
== Siehe auch ==
* [[Latein im Recht]]
* [[Latein im Recht]]

== Literatur ==

* {{Literatur |Autor=[[Hartmut Rensen]] |Titel=§308 ZPO |Hrsg=[[Bernhard Wieczorek]] |Sammelwerk=Zivilprozessordnung und Nebengesetze : Grosskommentar |Band=3 |Nummer=1 |Auflage=3 |Verlag=Walter de Gruyter |Datum=2007 |ISBN=978-3-89949-086-2 |Seiten=101-112}}
* [[Wolfgang Wiegand]], ''Iura novit curia vs. ne ultra petita'' in ''Festschrift für Franz Kellerhals zum 65. Geburtstag'', Monique Jametti Greiner, Bernhard Berger, Andreas Güngerich (Hrsg.),2004.


== Einzelnachweise ==
== Einzelnachweise ==

Version vom 5. September 2023, 08:43 Uhr

Der Grundsatz ne ultra petita (lat. nicht über das Geforderte hinaus) (eigentlich ne eat iudex ultra petita partium oder iudex ne eat ultra petita (lat. nie gehe der Richter über den Antrag der Parteien hinaus)) besagt, dass ein Gericht dem Kläger nicht mehr zusprechen darf, als vom Kläger beantragt wurde.

Rechtsordnungen mit diesem Gebot

Deutsche Rechtsordnung

Das Gericht ist entsprechend diesem Grundsatz nach der Dispositionsmaxime an die Anträge der Parteien gebunden, die als „Herren des Verfahrens“ gelten. Im Gegenschluss ist das Zusprechen von weniger zulässig. So kann das Gericht zum Beispiel anstatt der begehrten Verurteilung zur unbeschränkten Leistung nur eine Leistung Zug um Zug zusprechen.[1] Dieser Antrags-Grundsatz ist im deutschen Zivilprozessrecht in § 308 Abs. 1 ZPO gesetzliche geregelt. Die Dispositionsmaxime gilt nicht nur im erstinstanzlichen Verfahren, sondern auch in den Rechtsmittelinstanzen, dem Beschwerdeverfahren und dem Kostenfestsetzungsverfahren. Eingeschränkt gilt er im Verfahren über Arrest und zum Erhalt einer einstweiligen Verfügung. §308 ZPO wird ebenso im Beschlussverfahren vor dem Arbeitsgerichten angewandt.[2]

Dieser Antrags-Grundsatz ist neben dem deutschen Zivilprozessrecht auch im Verwaltungsprozessrecht in § 88 VwGO gesetzlich geregelt.

Im Verwaltungsrecht wird dieser Grundsatz als Argument gegen die Zulässigkeit der Reformatio in peius herangezogen.

Im Strafprozessrecht gilt der Grundsatz nicht: Das Gericht darf eine höhere Strafe verhängen als vom Staatsanwalt beantragt, darf aber auch dann den Angeklagten freisprechen, wenn dieser oder sein Verteidiger eine Bestrafung beantragt hat.

Europarecht

Der Grundsatz ne ultra petita gilt auch in der Nichtigkeitsklage vor dem Gerichtshof der Europäischen Union.[3]

Rechtsordnungen in denen das Gebot nicht gilt

Das polnische Verwaltungsprozessrecht kennt keinen Grundsatz der ne ultra petita. So können Verwaltungsgerichte über das Klagebegehren hinausgehen. Die Beschränkung ist nur dadurch gegeben, dass es sich um den gleichen Streitgegenstand handeln muss.[4]

Siehe auch

Literatur

  • Hartmut Rensen: §308 ZPO. In: Bernhard Wieczorek (Hrsg.): Zivilprozessordnung und Nebengesetze : Grosskommentar. 3. Auflage. Band 3, Nr. 1. Walter de Gruyter, 2007, ISBN 978-3-89949-086-2, S. 101–112.
  • Wolfgang Wiegand, Iura novit curia vs. ne ultra petita in Festschrift für Franz Kellerhals zum 65. Geburtstag, Monique Jametti Greiner, Bernhard Berger, Andreas Güngerich (Hrsg.),2004.

Einzelnachweise

  1. Klaus Dresenkamp, Ole Sachtleber: Zivilakte Vahlen, 4. Aufl., München 2020, ISBN 978-3-8006-6038-4, S. 14.
  2. Hartmut Rensen: §308 ZPO. In: Bernhard Wieczorek (Hrsg.): Zivilprozessordnung und Nebengesetze : Grosskommentar. 3. Auflage. Band 3, Nr. 1. Walter de Gruyter, 2007, ISBN 978-3-89949-086-2, S. 102.
  3. Dirk Ehlers, Friedrich Schoch: Rechtsschutz im Öffentlichen Recht. Walter de Gruyter, 2009, ISBN 978-3-89949-497-6, S. 189.
  4. Thomas von Danwitz: Europäisches Verwaltungsrecht. Springer Science & Business Media, 2008, ISBN 978-3-540-79877-4, S. 97.