„Geiger-Nuttall-Regel“ – Versionsunterschied

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Die '''Geiger-Nuttall-Regel''' ist eine empirisch ermittelte Regel der [[Kernphysik]] zur Abschätzung der Halbwertszeit von [[Radionuklid]]en, die dem [[Alpha-Zerfall]] unterliegen.
Die '''Geiger-Nuttall-Regel''' ist eine empirisch ermittelte Regel der [[Kernphysik]] zur Abschätzung der Halbwertszeit von [[Radionuklid]]en, die dem [[Alpha-Zerfall]] unterliegen.<ref>{{Literatur |Autor=H. Geiger, J.M. Nuttall |Titel=LVII. The ranges of the α particles from various radioactive substances and a relation between range and period of transformation |Sammelwerk=The London, Edinburgh, and Dublin Philosophical Magazine and Journal of Science |Band=22 |Nummer=130 |Datum=1911-10 |Sprache=en |ISSN=1941-5982 |DOI=10.1080/14786441008637156 |Seiten=613–621 |Online=https://www.tandfonline.com/doi/full/10.1080/14786441008637156 |Abruf=2023-10-21}}</ref>


Die Regel wurde [[1911]] von [[Hans Geiger (Physiker)|Hans Geiger]] und [[John Mitchell Nuttall]] aufgestellt und basiert auf der Beobachtung, dass kurzlebigere Nuklide Alphateilchen höherer Energie emittieren. Die Regel wurde mehrfach überarbeitet und existiert in vielen Varianten. In allen spielen die kinetische Energie <math>E</math> des Alphateilchens und die [[Kernladungszahl]] <math>Z</math> die Hauptrolle; weitere Korrekturterme sind üblich. Die [[Halbwertszeit]] lässt sich abschätzen durch
Die Regel wurde [[1911]] von [[Hans Geiger (Physiker)|Hans Geiger]] und [[John Mitchell Nuttall]] aufgestellt und basiert auf der Beobachtung, dass kurzlebigere Nuklide Alphateilchen höherer Energie emittieren. Die Regel wurde mehrfach überarbeitet und existiert in vielen Varianten.<ref>{{Literatur |Autor=J. G. Beckerley |Titel=What is the “Geiger-Nuttall Law”? |Sammelwerk=American Journal of Physics |Band=13 |Nummer=3 |Datum=1945-06-01 |Sprache=en |ISSN=0002-9505 |DOI=10.1119/1.1990692 |Seiten=158–159 |Online=https://pubs.aip.org/ajp/article/13/3/158/1033312/What-is-the-Geiger-Nuttall-Law |Abruf=2023-10-21}}</ref> In allen spielen die kinetische Energie <math>E</math> des Alphateilchens und die [[Kernladungszahl]] <math>Z</math> die Hauptrolle; weitere Korrekturterme sind üblich. Die [[Halbwertszeit]] lässt sich abschätzen durch


:<math>\lg T_{1/2} = a_1 \frac{Z}{\sqrt{E}} + a_2 + ...</math>
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wobei <math>a_1</math> und <math>a_2</math> an die Beobachtungen angepasste Konstanten sind.
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Dieser im Jahr 1911 zunächst empirisch bestimmte Zusammenhang erklärt sich durch den [[Tunneleffekt#Alphazerfall|Tunneleffekt]] und wurde 1928 durch [[George Gamow]] theoretisch belegt ([[Gamow-Faktor]]). Diese Herleitung mit Hilfe der [[WKB-Näherung|WKB-Methode]] trug maßgeblich zur Anerkennung der Quantenmechanik bei. Die Wahrscheinlichkeit, dass das Alphateilchen die [[Coulombwall|Coulomb-Barriere]] durchtunnelt und somit den Kern verlässt, nimmt exponentiell mit seiner kinetischen Energie zu. Mit Hilfe der klassischen Physik ist eine solche Erklärung nicht möglich.<ref>T. Fließbach: ''Quantenmechanik.'' Spektrum Akademischer Verlag.</ref>
Dieser im Jahr 1911 zunächst empirisch bestimmte Zusammenhang erklärt sich durch den [[Tunneleffekt#Alphazerfall|Tunneleffekt]] und wurde 1928 durch [[George Gamow]] theoretisch belegt ([[Gamow-Faktor]]). Diese Herleitung mit Hilfe der [[WKB-Näherung|WKB-Methode]] trug maßgeblich zur Anerkennung der Quantenmechanik bei. Die Wahrscheinlichkeit, dass das Alphateilchen die [[Coulombwall|Coulomb-Barriere]] durchtunnelt und somit den Kern verlässt, nimmt exponentiell mit seiner kinetischen Energie zu. Mit Hilfe der klassischen Physik ist eine solche Erklärung nicht möglich.<ref>{{Literatur |Autor=Torsten Fließbach |Titel=Eindimensionale Probleme |Sammelwerk=Quantenmechanik |Verlag=Springer Berlin Heidelberg |Ort=Berlin, Heidelberg |Datum=2018 |ISBN=978-3-662-58030-1 |DOI=10.1007/978-3-662-58031-8_4 |Seiten=127–154 |Online=http://link.springer.com/10.1007/978-3-662-58031-8_4 |Abruf=2023-10-21}}</ref>


Die Regel ist eine Schätzregel mit erheblichen Ungenauigkeiten, die sich um die Struktur des Kernes und um Aspekte des Kernspins nicht kümmert. Varianten mit einigen Korrekturtermen weisen immer noch typische Fehler von einer Größenordnung bei kurzlebigen Nukliden und mehr als drei Größenordnungen bei extrem langlebigen Nukliden auf.
Die Regel ist eine Schätzregel mit erheblichen Ungenauigkeiten, die sich um die Struktur des Kernes und um Aspekte des Kernspins nicht kümmert. Varianten mit einigen Korrekturtermen weisen immer noch typische Fehler von einer Größenordnung bei kurzlebigen Nukliden und mehr als drei Größenordnungen bei extrem langlebigen Nukliden auf.


Für den Zerfall von <sup>208</sup>Pb, der energetisch möglich ist, erhält man je nach Formel Halbwertszeiten zwischen 10<sup>115</sup> und 10<sup>145</sup> Sekunden, während z.&nbsp;B. das [[Universum#Alter und Zusammensetzung|Alter des Universums]] nur etwa {{ZahlExp|4|17}} Sekunden beträgt.
Für den Zerfall von <sup>208</sup>Pb, der energetisch möglich ist, erhält man je nach Formel Halbwertszeiten zwischen 10<sup>115</sup> und 10<sup>145</sup> Sekunden, während z.&nbsp;B. das [[Universum#Alter und Zusammensetzung|Alter des Universums]] nur etwa {{ZahlExp|4|17}} Sekunden beträgt.

== Literatur ==
{{Siehe auch|Kernphysik}}

* {{Literatur |Autor=S. Nagy |Titel=Kinetics of Radioactive Decay |Hrsg=Attila Vértes, Sándor Nagy, Zoltán Klencsár, Rezső G. Lovas, Frank Rösch |Sammelwerk=Handbook of Nuclear Chemistry |Verlag=Springer US |Ort=Boston, MA |Datum=2011 |Sprache=en |ISBN=978-1-4419-0719-6 |DOI=10.1007/978-1-4419-0720-2_7 |Seiten=333–362}}


== Einzelnachweise ==
== Einzelnachweise ==

Version vom 21. Oktober 2023, 10:58 Uhr

Die Geiger-Nuttall-Regel ist eine empirisch ermittelte Regel der Kernphysik zur Abschätzung der Halbwertszeit von Radionukliden, die dem Alpha-Zerfall unterliegen.[1]

Die Regel wurde 1911 von Hans Geiger und John Mitchell Nuttall aufgestellt und basiert auf der Beobachtung, dass kurzlebigere Nuklide Alphateilchen höherer Energie emittieren. Die Regel wurde mehrfach überarbeitet und existiert in vielen Varianten.[2] In allen spielen die kinetische Energie des Alphateilchens und die Kernladungszahl die Hauptrolle; weitere Korrekturterme sind üblich. Die Halbwertszeit lässt sich abschätzen durch

wobei und an die Beobachtungen angepasste Konstanten sind.

Dieser im Jahr 1911 zunächst empirisch bestimmte Zusammenhang erklärt sich durch den Tunneleffekt und wurde 1928 durch George Gamow theoretisch belegt (Gamow-Faktor). Diese Herleitung mit Hilfe der WKB-Methode trug maßgeblich zur Anerkennung der Quantenmechanik bei. Die Wahrscheinlichkeit, dass das Alphateilchen die Coulomb-Barriere durchtunnelt und somit den Kern verlässt, nimmt exponentiell mit seiner kinetischen Energie zu. Mit Hilfe der klassischen Physik ist eine solche Erklärung nicht möglich.[3]

Die Regel ist eine Schätzregel mit erheblichen Ungenauigkeiten, die sich um die Struktur des Kernes und um Aspekte des Kernspins nicht kümmert. Varianten mit einigen Korrekturtermen weisen immer noch typische Fehler von einer Größenordnung bei kurzlebigen Nukliden und mehr als drei Größenordnungen bei extrem langlebigen Nukliden auf.

Für den Zerfall von 208Pb, der energetisch möglich ist, erhält man je nach Formel Halbwertszeiten zwischen 10115 und 10145 Sekunden, während z. B. das Alter des Universums nur etwa 4e17 Sekunden beträgt.

Literatur

  • S. Nagy: Kinetics of Radioactive Decay. In: Attila Vértes, Sándor Nagy, Zoltán Klencsár, Rezső G. Lovas, Frank Rösch (Hrsg.): Handbook of Nuclear Chemistry. Springer US, Boston, MA 2011, ISBN 978-1-4419-0719-6, S. 333–362, doi:10.1007/978-1-4419-0720-2_7 (englisch).

Einzelnachweise

  1. H. Geiger, J.M. Nuttall: LVII. The ranges of the α particles from various radioactive substances and a relation between range and period of transformation. In: The London, Edinburgh, and Dublin Philosophical Magazine and Journal of Science. Band 22, Nr. 130, Oktober 1911, ISSN 1941-5982, S. 613–621, doi:10.1080/14786441008637156 (englisch, tandfonline.com [abgerufen am 21. Oktober 2023]).
  2. J. G. Beckerley: What is the “Geiger-Nuttall Law”? In: American Journal of Physics. Band 13, Nr. 3, 1. Juni 1945, ISSN 0002-9505, S. 158–159, doi:10.1119/1.1990692 (englisch, aip.org [abgerufen am 21. Oktober 2023]).
  3. Torsten Fließbach: Eindimensionale Probleme. In: Quantenmechanik. Springer Berlin Heidelberg, Berlin, Heidelberg 2018, ISBN 978-3-662-58030-1, S. 127–154, doi:10.1007/978-3-662-58031-8_4 (springer.com [abgerufen am 21. Oktober 2023]).