„Selbstbindung“ – Versionsunterschied

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'''Selbstbindung''' (''„self commitment“''), im [[Spieltheorie|spieltheoretischen Sinne]], ist eine unterstützende oder begleitende Aktion eines [[strategischer Zug|strategischen Zuges]].<ref> Vgl. [[Avinash Dixit|Avinash K. Dixit]], Barry J. Nalebuff: Spieltheorie für Einsteiger, S. 141. </ref> Sie ist eine Verpflichtung an die ein Akteur über längere Zeit gebunden ist.<ref> Vgl. Clemens Löffler: Strategische Selbstbindung und die Auswirkung von Zeitführerschaft, S. 13. </ref> Selbstbindung zeigt dem Gegenspieler, dass die Absicht eine Handlung durchzuführen auch wirklich besteht und dadurch eine Rücknahme des Zuges zu teuer oder sogar unmöglich wird.<ref> Vgl. [[Avinash Dixit|Avinash K. Dixit]], Barry J. Nalebuff: Spieltheorie für Einsteiger, S. 121. </ref> Indem ein Akteur sich auf eine Handlung festlegt, werden Umstände geschaffen, die diesen von außen dazu zwingen, bei seiner Entscheidung zu bleiben. Das Ergebnis eines Spiels kann damit entscheidend beeinflusst werden.<ref> Vgl. [[Volker Bieta, Wilfried Siebe: Spieltheorie für Führungskräfte S. 224. </ref> Selbstbindung bedeutet die Aufgabe der eigenen Handlungsfreiheit. Dem Gegenspieler werden Verhaltensweisen signalisiert, die sonst unglaubwürdig wären.<ref> Vgl. Clemens Löffler: Strategische Selbstbindung und die Auswirkung von Zeitführerschaft, S. 7. </ref>
Mit einer '''Selbstbindung''' (''„self commitment“'') legt ein Akteur sich auf eine bestimmte Handlung fest.

== Definition ==
Selbstbindung ist eine unterstützende oder begleitende Aktion eines [[strategischer Zug|strategischen Zuges]]. Sie zeigt, dass die Absicht eine Handlung durchzuführen auch wirklich besteht und dadurch eine Rücknahme des Zuges zu teuer oder sogar unmöglich wird. Mit einer Selbstbindung kann das Ergebnis eines [[Spiel (Spieltheorie)|Spiels]] entscheidend beeinflusst werden.


== Zuordnung ==
== Zuordnung ==
Selbstbindung ist der Bestandteil [[strategischer Zug|strategischer Züge]], der den eigentlichen Aktionsplan erst [[Glaubwürdigkeit|glaubwürdig]] macht.
Selbstbindung ist der Bestandteil [[strategischer Zug|strategischer Züge]], der den eigentlichen Aktionsplan erst [[Glaubwürdigkeit|glaubwürdig]] macht.<ref> Vgl. [[Avinash Dixit|Avinash K. Dixit]], Barry J. Nalebuff: Spieltheorie für Einsteiger, S. 122. </ref>
Ziel einer Selbstbindung ist es, das Verhalten des Gegners zum eignen Vorteil zu beeinflussen.
Am Beispiel der Strategie der [[verbrannte Erde|verbrannten Erde]] die Josef Stalin am 3.Juli 1941 zur Verteidigung gegen die Deutschen verkündete, können beide Elemente deutlich gemacht werden. Der Aktionsplan bestand darin, der deutschen Armee unerträgliche Bedingungen zu verschaffen und die Möglichkeiten der Versorgung zu verhindern. Die Selbstbindung erfolgte durch radikale Aktionen, wie beispielsweise das Verbrennen der Felder, das Sprengen von Brücken und das Wegtreiben der Viehherden. Dadurch zeigte Stalin seine absolute Entschlossenheit den Plan auch durchzuführen.
Bei unternehmerischen strategischen Entscheidungen ist Selbstbindung eine wesentliche Voraussetzung für die Erlangung von [[Wettbewerbsvorteil|Wettbewerbsvorteilen]]. Unternehmen ermöglicht sie beispielsweise [[Marktschranke|Markteintrittsbarrieren]] zu erschaffen und eine bestimmte Zeit aufrecht zu erhalten.<ref> Vgl. Clemens Löffler: Strategische Selbstbindung und die Auswirkung von Zeitführerschaft, S. 7. </ref> Möglichkeiten zur Selbstbindung im unternehmerischen Bereich sind z.B. Investitionen in Forschung und Entwicklung, Investitionen in Produktionskapazitäten, Entscheidungen über die Kapitalstruktur und die Übertragung von Entscheidungsgewalt an verschiedene Instanzen.<ref> Vgl. Clemens Löffler: Strategische Selbstbindung und die Auswirkung von Zeitführerschaft, S. 21. </ref>
Selbstbindung kann nur in einem dynamischen Umfeld, also bei Spielen mit einer Zeitstruktur erfolgen. Das bedeutet, dass aus spieltheoretischer Sicht mindestens zwei Entscheidungszeitpunkte betrachtet werden müssen.<ref> Vgl. Clemens Löffler: Strategische Selbstbindung und die Auswirkung von Zeitführerschaft, S. 54. </ref> Das heißt auch, dass Selbstbindung beobachtbar und verständlich sein muss, da sie sonst vom Gegenspieler nicht erkannt wird und nicht in seinen späteren Entscheidungen beeinflussen kann. Die Glaubhaftigkeit wird dabei durch [[Irreversibilität]] in Form von starken Bindungskräften erreicht. Schon die Unumkehrbarkeit der Zeit erzeugt die [[Irreversibilität]] einer Entscheidung, sodass zum Beispiel einmal ausgegebene Investitionen in Forschung und Entwicklung nicht wieder rückgängig gemacht werden können.<ref> Vgl. Clemens Löffler: Strategische Selbstbindung und die Auswirkung von Zeitführerschaft, S. 55. </ref>


== Kombination von Selbstbindungsmöglichkeiten ==
== Kombination von Selbstbindungsmöglichkeiten ==
Am Beispiel von [[Heinrich V. von England|Heinrich V.]] kann eine Kombination verschiedener Möglichkeiten der Selbstbindung veranschaulicht werden. [[Heinrich V. von England|Heinrich V.]] verstand es besonders gut seine Truppen zu motivieren und dadurch die [[Glaubwürdigkeit]] seines [[strategischer Zug|strategischen Zuges]] zu erhöhen. Vor der [[Schlacht von Azincourt|Schlacht von Agincourt]] sprach er zu seinen Soldaten: ''„Derjenige, der keinen Mut hat zu diesem Kampf, [kann] zurückkehren; sein Paß soll ausgestellt und Kronen zum Geleit in seine Börse gesteckt werden: Wir wünschen nicht, in der Gesellschaft desjenigen Mannes zu sterben, der fürchtet, seine Kameradschaft könnte mit uns sterben.“''
Am Beispiel von [[Heinrich V. von England|Heinrich V.]] kann eine Kombination verschiedener Möglichkeiten der Selbstbindung veranschaulicht werden. [[Heinrich V. von England|Heinrich V.]] verstand es besonders gut seine Truppen zu motivieren und dadurch die [[Glaubwürdigkeit]] seines [[strategischer Zug|strategischen Zuges]] zu erhöhen. Vor der [[Schlacht von Azincourt|Schlacht von Agincourt]] sprach er zu seinen Soldaten: ''„Derjenige, der keinen Mut hat zu diesem Kampf, [kann] zurückkehren; sein Paß soll ausgestellt und Kronen zum Geleit in seine Börse gesteckt werden: Wir wünschen nicht, in der Gesellschaft desjenigen Mannes zu sterben, der fürchtet, seine Kameradschaft könnte mit uns sterben.“''
Diese Art der Selbstbindung kombinierte verschiedene Punkte: Gruppendruck und Stolz veranlasste die Soldaten dieses Angebot nicht anzunehmen. Mit der Ablehnung gab es aber kein zurück mehr. Im psychologischen Sinne brachen sie die Brücken hinter sich ab. Dadurch wurde implizit ein [[Vertragsbindung|Vertrag]] geschlossen zu kämpfen, was auch den Tod bedeuten konnte.
Diese Art der Selbstbindung kombinierte verschiedene Punkte: Gruppendruck und Stolz veranlasste die Soldaten dieses Angebot nicht anzunehmen. Mit der Ablehnung gab es aber kein zurück mehr. Im psychologischen Sinne brachen sie die Brücken hinter sich ab. Dadurch wurde implizit ein [[Vertragsbindung|Vertrag]] geschlossen zu kämpfen, was auch den Tod bedeuten konnte.<ref> Vgl. [[Avinash Dixit|Avinash K. Dixit]], Barry J. Nalebuff: Spieltheorie für Einsteiger, S. 159. </ref>


== Antwortregeln ==
== Antwortregeln ==
Selbstbindung kann in Form einer Antwortregel erfolgen, indem im Vorhinein auf den Zug des anderen eine Antwort festgelegt wird. Das eigenen Handeln erfolgt auf das der anderen in Abhängigkeit vom Zug des Gegenspielers. Dabei handelt es sich um ein sequentielles Spiel, unabhängig welcher strategische Zug gerade gemacht wird. Auch ein simultanes Spiel, bei dem man sich durch eine Selbstbindung in Form einer Antwortregel verpflichtet, wird zu einem Spiel mit sequentiellen Zügen umgewandelt.
Selbstbindung kann in der [[Spieltheorie]] durch eine Antwortregel modelliert werden, indem im Vorhinein auf den Zug des anderen eine Antwort festgelegt wird. Das eigene Handeln erfolgt auf das der anderen in Abhängigkeit vom Zug des Gegenspielers.<ref> Vgl. [[Avinash Dixit|Avinash K. Dixit]], Barry J. Nalebuff: Spieltheorie für Einsteiger, S. 122. </ref> Dabei handelt es sich um ein sequentielles Spiel, unabhängig welcher strategische Zug gerade gemacht wird. Auch ein simultanes Spiel, bei dem man sich durch eine Selbstbindung in Form einer Antwortregel verpflichtet, wird zu einem Spiel mit sequentiellen Zügen umgewandelt.<ref> Vgl. [[Avinash Dixit|Avinash K. Dixit]], Barry J. Nalebuff: Spieltheorie für Einsteiger, S. 125. </ref>
Eine Antwortregel erfolgt zum Beispiel, wenn Eltern zu ihrem Kind sagen: „Es gibt kein Fernsehen, wenn du dein Zimmer nicht aufräumst.“ Die Antwort wird klar und eindeutig festgelegt, bevor das Kind sein Zimmer aufräumt. Die Handlung der Eltern, die in der Antwortregel definiert wird, erfolgt nach der Handlung des Kindes. Das Kind soll bestraft werden, wenn es das Zimmer nicht aufräumt. Es erhält somit einen Anreiz im Sinne des Wunsches der Eltern zu handeln, was als strategischer Vorteil für die Eltern gedeutet werden kann.
Eine Antwortregel erfolgt zum Beispiel, wenn Eltern zu ihrem Kind sagen: „Es gibt kein Fernsehen, wenn du dein Zimmer nicht aufräumst.“ Die Antwort wird klar und eindeutig festgelegt, bevor das Kind sein Zimmer aufräumt. Die Handlung der Eltern, die in der Antwortregel definiert wird, erfolgt nach der Handlung des Kindes. Das Kind soll bestraft werden, wenn es das Zimmer nicht aufräumt. Es erhält somit einen Anreiz im Sinne des Wunsches der Eltern zu handeln, was als strategischer Vorteil für die Eltern gedeutet werden kann.
In Form von [[Drohung (Spieltheorie)|Drohungen]] oder [[Versprechen (Spieltheorie)|Versprechen]] können Antwortregeln definiert werden. Zum Beispiel im Fall einer Flugzeugentführung handelt es sich um eine [[Drohung (Spieltheorie)|Drohung]], wenn die Terroristen die Antwortregel festlegen, alle Passagiere zu töten, falls deren Forderungen nicht erfüllt werden.
In Form von [[Drohung (Spieltheorie)|Drohungen]] oder [[Versprechen (Spieltheorie)|Versprechen]] können Antwortregeln definiert werden. Zum Beispiel im Fall einer Flugzeugentführung handelt es sich um eine [[Drohung (Spieltheorie)|Drohung]], wenn die Terroristen die Antwortregel festlegen, alle Passagiere zu töten, falls deren Forderungen nicht erfüllt werden.
Selbstbindung durch ein [[Versprechen (Spieltheorie)|Versprechen]] kann zum Beispiel erfolgen, wenn der Staatsanwalt dem Beschuldigten eine mildere Strafe verspricht, falls er gegen seinen Mitangeklagten aussagt.
Selbstbindung durch ein [[Versprechen (Spieltheorie)|Versprechen]] kann zum Beispiel erfolgen, wenn der Staatsanwalt dem Beschuldigten eine mildere Strafe verspricht, falls er gegen seinen Mitangeklagten aussagt.<ref> Vgl. [[Avinash Dixit|Avinash K. Dixit]], Barry J. Nalebuff: Spieltheorie für Einsteiger, S. 122 f. </ref>


== Automatische Selbstbindung ==
== Automatische Selbstbindung ==
Soldaten befolgen bedingungslos Befehle. Schon in der Grundausbildung üben Vorgesetzte psychischen Druck aus. In Erziehungsmaßnahmen, die zum Beispiel Ordnung und Disziplin betreffen, eignen sich die Rekruten automatischen und unkritischen Gehorsam an. Sinn dieser Ausbildung ist es Soldaten die Eigenschaft zu geben, auch beim Befehl zum Kampfeinsatz bedingungslos zu gehorchen. Selbst, wenn das Leben auf dem Spiel steht, hinterfragt ein Soldat den Befehl nicht. Aufgrund des Gehorsams besteht eine automatische Selbstbindung bei einem militärischen strategischen Zug.
Dixit und Nalebuff führen dazu ein Beispiel aus dem Militärwesen auf:<ref> Vgl. [[Avinash Dixit|Avinash K. Dixit]], Barry J. Nalebuff: Spieltheorie für Einsteiger, S. 158 f. </ref> Soldaten befolgen bedingungslos Befehle. Schon in der Grundausbildung üben Vorgesetzte psychischen Druck aus. In Erziehungsmaßnahmen, die zum Beispiel Ordnung und Disziplin betreffen, eignen sich die Rekruten automatischen und unkritischen Gehorsam an. Sinn dieser Ausbildung ist es Soldaten die Eigenschaft zu geben, auch beim Befehl zum Kampfeinsatz bedingungslos zu gehorchen. Selbst, wenn das Leben auf dem Spiel steht, hinterfragt ein Soldat den Befehl nicht. Aufgrund des Gehorsams besteht eine automatische Selbstbindung bei einem militärischen strategischen Zug.


== Literatur ==
== Literatur ==
* {{Literatur | Autor= [[Avinash Dixit|Avinash K. Dixit]], Barry J. Nalebuff | Titel= Spieltheorie für Einsteiger - Strategisches Know-how für Gewinner | Verlag= Schäffer-Poeschel | Ort= Stuttgart | ISBN= 978-3-7910-1239-1 | Jahr= 1997 | Kommentar= aus dem amerikanischen Englisch übertragen von Christian Schütte }}
* {{Literatur | Autor= [[Avinash Dixit|Avinash K. Dixit]], Barry J. Nalebuff | Titel= Spieltheorie für Einsteiger - Strategisches Know-how für Gewinner | Verlag= Schäffer-Poeschel | Ort= Stuttgart | ISBN= 978-3-7910-1239-1 | Jahr= 1997 | Kommentar= aus dem amerikanischen Englisch übertragen von Christian Schütte }}
* {{Literatur | Autor= Clemens Löffler | Titel= Strategische Selbstbindung und die Auswirkung von Zeitführerschaft | Verlag= Gabler | Ort= Wiesbaden | ISBN= 978-3-8349-1178-0 | Jahr= 2008 }}
* {{Literatur | Autor= Volker Bieta, Wilfried Siebe | Titel= Spieltheorie für Führungskräfte | Verlag= Wirtschaftsverlag Carl Ueberreuter | Ort= Wien | ISBN= 3-7064-0409-5 | Jahr= 1998 | Kommentar= was Manager vom Militär über Strategie lernen können }}
* {{Literatur | Autor= Volker Bieta, Wilfried Siebe | Titel= Spieltheorie für Führungskräfte | Verlag= Wirtschaftsverlag Carl Ueberreuter | Ort= Wien | ISBN= 3-7064-0409-5 | Jahr= 1998 | Kommentar= was Manager vom Militär über Strategie lernen können }}



Version vom 27. Dezember 2008, 20:22 Uhr

Vorlage:QS-wiwiwiki Selbstbindung („self commitment“), im spieltheoretischen Sinne, ist eine unterstützende oder begleitende Aktion eines strategischen Zuges.[1] Sie ist eine Verpflichtung an die ein Akteur über längere Zeit gebunden ist.[2] Selbstbindung zeigt dem Gegenspieler, dass die Absicht eine Handlung durchzuführen auch wirklich besteht und dadurch eine Rücknahme des Zuges zu teuer oder sogar unmöglich wird.[3] Indem ein Akteur sich auf eine Handlung festlegt, werden Umstände geschaffen, die diesen von außen dazu zwingen, bei seiner Entscheidung zu bleiben. Das Ergebnis eines Spiels kann damit entscheidend beeinflusst werden.[4] Selbstbindung bedeutet die Aufgabe der eigenen Handlungsfreiheit. Dem Gegenspieler werden Verhaltensweisen signalisiert, die sonst unglaubwürdig wären.[5]


Zuordnung

Selbstbindung ist der Bestandteil strategischer Züge, der den eigentlichen Aktionsplan erst glaubwürdig macht.[6] Ziel einer Selbstbindung ist es, das Verhalten des Gegners zum eignen Vorteil zu beeinflussen. Bei unternehmerischen strategischen Entscheidungen ist Selbstbindung eine wesentliche Voraussetzung für die Erlangung von Wettbewerbsvorteilen. Unternehmen ermöglicht sie beispielsweise Markteintrittsbarrieren zu erschaffen und eine bestimmte Zeit aufrecht zu erhalten.[7] Möglichkeiten zur Selbstbindung im unternehmerischen Bereich sind z.B. Investitionen in Forschung und Entwicklung, Investitionen in Produktionskapazitäten, Entscheidungen über die Kapitalstruktur und die Übertragung von Entscheidungsgewalt an verschiedene Instanzen.[8] Selbstbindung kann nur in einem dynamischen Umfeld, also bei Spielen mit einer Zeitstruktur erfolgen. Das bedeutet, dass aus spieltheoretischer Sicht mindestens zwei Entscheidungszeitpunkte betrachtet werden müssen.[9] Das heißt auch, dass Selbstbindung beobachtbar und verständlich sein muss, da sie sonst vom Gegenspieler nicht erkannt wird und nicht in seinen späteren Entscheidungen beeinflussen kann. Die Glaubhaftigkeit wird dabei durch Irreversibilität in Form von starken Bindungskräften erreicht. Schon die Unumkehrbarkeit der Zeit erzeugt die Irreversibilität einer Entscheidung, sodass zum Beispiel einmal ausgegebene Investitionen in Forschung und Entwicklung nicht wieder rückgängig gemacht werden können.[10]

Kombination von Selbstbindungsmöglichkeiten

Am Beispiel von Heinrich V. kann eine Kombination verschiedener Möglichkeiten der Selbstbindung veranschaulicht werden. Heinrich V. verstand es besonders gut seine Truppen zu motivieren und dadurch die Glaubwürdigkeit seines strategischen Zuges zu erhöhen. Vor der Schlacht von Agincourt sprach er zu seinen Soldaten: „Derjenige, der keinen Mut hat zu diesem Kampf, [kann] zurückkehren; sein Paß soll ausgestellt und Kronen zum Geleit in seine Börse gesteckt werden: Wir wünschen nicht, in der Gesellschaft desjenigen Mannes zu sterben, der fürchtet, seine Kameradschaft könnte mit uns sterben.“ Diese Art der Selbstbindung kombinierte verschiedene Punkte: Gruppendruck und Stolz veranlasste die Soldaten dieses Angebot nicht anzunehmen. Mit der Ablehnung gab es aber kein zurück mehr. Im psychologischen Sinne brachen sie die Brücken hinter sich ab. Dadurch wurde implizit ein Vertrag geschlossen zu kämpfen, was auch den Tod bedeuten konnte.[11]

Antwortregeln

Selbstbindung kann in der Spieltheorie durch eine Antwortregel modelliert werden, indem im Vorhinein auf den Zug des anderen eine Antwort festgelegt wird. Das eigene Handeln erfolgt auf das der anderen in Abhängigkeit vom Zug des Gegenspielers.[12] Dabei handelt es sich um ein sequentielles Spiel, unabhängig welcher strategische Zug gerade gemacht wird. Auch ein simultanes Spiel, bei dem man sich durch eine Selbstbindung in Form einer Antwortregel verpflichtet, wird zu einem Spiel mit sequentiellen Zügen umgewandelt.[13] Eine Antwortregel erfolgt zum Beispiel, wenn Eltern zu ihrem Kind sagen: „Es gibt kein Fernsehen, wenn du dein Zimmer nicht aufräumst.“ Die Antwort wird klar und eindeutig festgelegt, bevor das Kind sein Zimmer aufräumt. Die Handlung der Eltern, die in der Antwortregel definiert wird, erfolgt nach der Handlung des Kindes. Das Kind soll bestraft werden, wenn es das Zimmer nicht aufräumt. Es erhält somit einen Anreiz im Sinne des Wunsches der Eltern zu handeln, was als strategischer Vorteil für die Eltern gedeutet werden kann. In Form von Drohungen oder Versprechen können Antwortregeln definiert werden. Zum Beispiel im Fall einer Flugzeugentführung handelt es sich um eine Drohung, wenn die Terroristen die Antwortregel festlegen, alle Passagiere zu töten, falls deren Forderungen nicht erfüllt werden. Selbstbindung durch ein Versprechen kann zum Beispiel erfolgen, wenn der Staatsanwalt dem Beschuldigten eine mildere Strafe verspricht, falls er gegen seinen Mitangeklagten aussagt.[14]

Automatische Selbstbindung

Dixit und Nalebuff führen dazu ein Beispiel aus dem Militärwesen auf:[15] Soldaten befolgen bedingungslos Befehle. Schon in der Grundausbildung üben Vorgesetzte psychischen Druck aus. In Erziehungsmaßnahmen, die zum Beispiel Ordnung und Disziplin betreffen, eignen sich die Rekruten automatischen und unkritischen Gehorsam an. Sinn dieser Ausbildung ist es Soldaten die Eigenschaft zu geben, auch beim Befehl zum Kampfeinsatz bedingungslos zu gehorchen. Selbst, wenn das Leben auf dem Spiel steht, hinterfragt ein Soldat den Befehl nicht. Aufgrund des Gehorsams besteht eine automatische Selbstbindung bei einem militärischen strategischen Zug.

Literatur

  • Avinash K. Dixit, Barry J. Nalebuff: Spieltheorie für Einsteiger - Strategisches Know-how für Gewinner. Schäffer-Poeschel, Stuttgart 1997, ISBN 978-3-7910-1239-1 (aus dem amerikanischen Englisch übertragen von Christian Schütte).
  • Clemens Löffler: Strategische Selbstbindung und die Auswirkung von Zeitführerschaft. Gabler, Wiesbaden 2008, ISBN 978-3-8349-1178-0.
  • Volker Bieta, Wilfried Siebe: Spieltheorie für Führungskräfte. Wirtschaftsverlag Carl Ueberreuter, Wien 1998, ISBN 3-7064-0409-5 (was Manager vom Militär über Strategie lernen können).
  1. Vgl. Avinash K. Dixit, Barry J. Nalebuff: Spieltheorie für Einsteiger, S. 141.
  2. Vgl. Clemens Löffler: Strategische Selbstbindung und die Auswirkung von Zeitführerschaft, S. 13.
  3. Vgl. Avinash K. Dixit, Barry J. Nalebuff: Spieltheorie für Einsteiger, S. 121.
  4. Vgl. [[Volker Bieta, Wilfried Siebe: Spieltheorie für Führungskräfte S. 224.
  5. Vgl. Clemens Löffler: Strategische Selbstbindung und die Auswirkung von Zeitführerschaft, S. 7.
  6. Vgl. Avinash K. Dixit, Barry J. Nalebuff: Spieltheorie für Einsteiger, S. 122.
  7. Vgl. Clemens Löffler: Strategische Selbstbindung und die Auswirkung von Zeitführerschaft, S. 7.
  8. Vgl. Clemens Löffler: Strategische Selbstbindung und die Auswirkung von Zeitführerschaft, S. 21.
  9. Vgl. Clemens Löffler: Strategische Selbstbindung und die Auswirkung von Zeitführerschaft, S. 54.
  10. Vgl. Clemens Löffler: Strategische Selbstbindung und die Auswirkung von Zeitführerschaft, S. 55.
  11. Vgl. Avinash K. Dixit, Barry J. Nalebuff: Spieltheorie für Einsteiger, S. 159.
  12. Vgl. Avinash K. Dixit, Barry J. Nalebuff: Spieltheorie für Einsteiger, S. 122.
  13. Vgl. Avinash K. Dixit, Barry J. Nalebuff: Spieltheorie für Einsteiger, S. 125.
  14. Vgl. Avinash K. Dixit, Barry J. Nalebuff: Spieltheorie für Einsteiger, S. 122 f.
  15. Vgl. Avinash K. Dixit, Barry J. Nalebuff: Spieltheorie für Einsteiger, S. 158 f.