„Randkanalmodell“ – Versionsunterschied

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Mit dem '''Randkanalmodell''' lässt sich das Zustandekommen des [[Quanten-Hall-Effekt]]s und des [[Shubnikov-de-Haas-Effekt]]s in [[zweidimensionales Elektronengas|zweidimensionalen Elektronengasen]] erklären. Durch das Berücksichtigen von Randeffekten bilden sich Randkanäle, die die Anomalitäten der obigen Effekte erklären können.
Das '''Randkanalmodell''' ist eine Beschreibung des physikalischen Effekts, bei dem durch die endliche Abmessung von Proben die [[Energieniveau]]s am Rand (im Gegensatz zum Inneren) abweichen (Randeffekte). Es können so die [[Oszillation]]en der elektrischen Leitfähigkeit z. B. beim [[Quanten-Hall-Effekt]] erklärt werden.


== Quantenmechanische Deutung ==
Um allgemein einen neuen Effekt zu erklären, wird von einer idealisierten Umgebung ausgegangen. In diesem Fall handelt es sich um ein unendlich ausgedehntes [[zweidimensionales Elektronengas]]. Beim Anlegen eines externen [[Magnetfeld]]es kondensieren die ohne Feld gleichverteilten Elektronenniveaus im <math>k</math>-Raum auf konzentrischen Kreisen, den sogenannten [[Landauniveau]]s. Aufgrund dieser Aufspaltung ergeben sich diskrete, bei kleinen Feldern [[Entartung_(Quantenmechanik)|spinentartete]] Niveaus.
[[Datei:Sketch_energy_edge_channels.svg|miniatur|Definition der Randkanäle als Schnittpunkt der Energieniveaus mit der Fermienergie]]
Bei Anlegen eines externen [[Magnetfeld]]es ändert sich die [[Zustandsdichte]] der Elektronen. Es bilden sich dadurch [[Landauniveau]]s aus. Dies sich diskrete, bei kleinen Feldern [[Entartung_(Quantenmechanik)|spinentartete]] Energieniveaus. Die Beschreibung durch das Randkanalmodell nimmt an, dass sich das Ferminiveau zwischen zwei Landauniveaus und dass sich das System im [[Grundzustand]] befindet. Alle Niveaus unterhalb des Ferminiveaus sind folglich vollbesetzt.


Sofern die endliche Ausdehnung einer Probe nicht in Betracht gezogen wird (alternativ auch ein Ausschnitt der Probe "weit weg" von den Rändern betrachtet wird) können Randeffekte außer Acht gelassen werden. In diesem Fall ist die Energie der Niveaus unabhängig vom Ort. Muss man jedoch die endliche Geometrie der Probe und somit das Randpotential mit in die Betrachtungen einbeziehen, verändern sich die Niveaus im Bereich der Ränder. Sie werden dort nach oben gebogen. Dies hat zur Folge, dass alle Bänder, die in der Probenmitte energetisch unterhalb der [[Fermienergie]] liegen, diese dort schneiden. Es entstehen also Zustände an der [[Fermikante]], die als ''Randzustände'' bezeichnet werden.
An den Rändern einer Probe muss das sonst vernachlässigbare Randpotential in die Schrödingergleichung mit einbezogen werden. Dies führt dazu, dass die Landaulevel nach oben gebogen werden (dieses Ansteigen kann man sich plausibel machen, wenn man die [[Austrittsarbeit]] als Analogon heranzieht um die Hürde "Rand" überwinden zu können, muss Energie zugeführt werden). Durch dieses Ansteigen der Niveaus ergeben sich Schnittpunkte der Energieniveaus mit der [[Fermienergie]]. Es entstehen Zustände an der [[Fermikante]], die als ''Randkanäle'' bezeichnet werden. Dadurch wird es den Ladungsträgern ermöglich, sich frei zu bewegen.


== Klassische Deutung ==
== Klassische Deutung ==
[[Datei:sketch_edge_channels.svg|miniatur|Veranschaulichung der "skipping orbits", der klassischen Deutung der Randkanäle]]
[[Datei:sketch_edge_channels.svg|miniatur|Veranschaulichung der "skipping orbits" am Rand der Probe (klassische Deutung der Randkanäle)]]
Klassisch kann man die Randkanäle durch sogenannte "skipping orbits" ("hüpfende Umlaufbahnen") beschreiben. Elektronen werden durch ein [[Magnetfeld]] wegen der [[Lenzsche Regel|Lenzschen Regel]] auf eine senkrecht dazu orientierte Bahn gezwungen, die [[Zyklotronbahn]]. Befindet sich ein Elektron im Inneren der Probe, so kann die Kreisbahn ohne weitere Einschränkung ([[Streuung]] wird nicht betrachtet) durchlaufen werden. Dies entspricht der idealen Betrachtung von oben ohne Randeffekte.
Klassisch kann man die Randkanäle durch sogenannte "skipping orbits" ("hüpfende Umlaufbahnen") beschreiben. Elektronen werden durch ein [[Magnetfeld]] wegen der [[Lenzsche Regel|Lenzschen Regel]] auf eine gekrümmte Bahn gezwungen, die [[Zyklotronbahn]]. Befindet sich ein Elektron im Inneren der Probe, so kann die Kreisbahn ohne weitere Einschränkung ([[Streuung]] wird nicht betrachtet) durchlaufen werden. Dies entspricht der idealen Betrachtung ohne Randeffekte.


Betrachtet man Elektronen mit einem Abstand kleiner als der Zyklotronradius zum Rand der Probe, so wird aus geometrischen Überlegungen klar, dass diese keine ungestörten Kreisbahnen mehr durchlaufen können. Sie stoßen im Laufe eines Umlaufs an den Rand und werden dort reflektiert. Von dieser Bewegung leitet sich die Bezeichnung "skipping orbits" ab. Dadurch ergibt sich eine Nettobewegung der Ladungsträger entlang der Begrenzung, welche Stromfluss ermöglicht.
Betrachtet man Elektronen mit einem Abstand kleiner als der Zyklotronradius zum Rand der Probe, so wird aus geometrischen Überlegungen klar, dass diese keine ungestörten Kreisbahnen mehr durchlaufen können. Sie stoßen innerhalb eines Umlaufs an den Rand und werden dort reflektiert. Von dieser Bewegung leitet sich die Bezeichnung "skipping orbits" ab. Dadurch ergibt sich eine Nettobewegung der Ladungsträger entlang der Begrenzung, welche Stromfluss ermöglicht. Stromfluss ist deshalb auf die Rändern der Probe eingeschränkt.


Da Stromfluss nur an den Rändern der Probe möglich ist, ergibt sich eine sehr effektive räumliche Trennung von [[Ladungsträger]], die sich in verschiedene Richtungen bewegen. Sie können nicht auf die andere Seite der Probe streuen, da es durch die Lage der [[Fermienergie]] zwischen zwei [[Landauniveau]]s keine [[Quantenmechanischer_Zustand|Zustände]] gibt, in die gestreut werden könnte. Die Streuwahrscheinlichkeit zwischen Ladungsträgern ist somit effektiv unterdrückt. Dadurch geht auch die Wahrscheinlichkeit für Rückstreuung gegen 0 und die Leitung wird somit [[Widerstand|widerstandsfrei]]. Dieser Effekt wird nach ihren Entdeckern [[Shubnikov-de-Haas-Effekt]] genannt.


Es ergibt sich eine sehr effektive räumliche Trennung von [[Ladungsträger]], die sich in verschiedene Richtungen bewegen. Die elektronische Wellenfunktion fällt schnell ab, sodass der Überlapp zwischen den Zuständen verschiedener Ränder sehr klein wird. Weiterhin können sie nicht auf die andere Seite der Probe streuen, da es durch die Lage der [[Fermienergie]] zwischen zwei [[Landauniveau]]s keine freien [[Quantenmechanischer_Zustand|Zustände]] gibt, in die gestreut werden könnte. Die Streuwahrscheinlichkeit zwischen Ladungsträgern ist somit effektiv unterdrückt. Dadurch geht auch die Wahrscheinlichkeit für Rückstreuung gegen 0 und die Leitung wird somit [[Widerstand|widerstandsfrei]]. Dieser Effekt wird nach ihren Entdeckern [[Shubnikov-de-Haas-Effekt]] genannt.
Dies bedeutet, dass Elektronen, die an einer Stelle (z.&nbsp;B. einem Kontakt) in einen Randkanal eintreten, sich bis zum nächsten Kontakt fortbewegen müssen. Auch nach Streuung werden sie weiter in diese Richtung gezwungen. Die zu Recht aufgeworfene Frage, wie das Ferminiveau ''zwischen'' einem besetzten und unbesetzten Landauniveau sein kann, wird durch Störstellen und Fremdatome erklärt. Ohne sie könnte das Ferminiveau nicht dazwischen liegen. Dies wird auch experimentell so bestätigt. Bei äußerst reinen Proben schwächen sich die gemessenen Oszillationen bis zur Unkenntlichkeit ab; bei zu großer Störstellendichte wird der Effekt durch hohe Streuung unterdrückt.

Dies bedeutet, dass Elektronen, die an einer Stelle (z.&nbsp;B. einem Kontakt) in einen Randkanal eintreten, sich bis zum nächsten Kontakt fortbewegen müssen. Auch nach Streuung werden sie weiter in diese Richtung gezwungen. Die zu Recht aufgeworfene Frage, wie das Ferminiveau ''zwischen'' einem besetzten und unbesetzten Landauniveau sein kann, wird durch Störstellen und Fremdatome erklärt. Ohne sie könnte das Ferminiveau nicht dazwischen liegen. Dies wird auch experimentell so bestätigt. Bei äußerst reinen Proben werden die gemessenen Oszillationen wieder schwächer; bei zu großer Störstellendichte wird der Effekt durch hohe Streuwahrscheinlichkeit unterdrückt. In diesem Fall können die Ladungsträger keine komplette Zyklotronbahn mehr durchlaufen und mit sich selbst interferieren.


== Literatur ==
== Literatur ==
*{{Literatur | Autor=S. Datta | Titel=Electronic transport in mesoscopic systems | Verlag=Cambridge University Press | Ort=Cambridge | Jahr=1995 | ISBN=978-0521599436| Originalsprache=Englisch}}
*{{Literatur | Autor=S. Datta | Titel=Electronic transport in mesoscopic systems | Verlag=Cambridge University Press | Ort=Cambridge | Jahr=1995 | ISBN=978-0521599436| Originalsprache=Englisch}}
*{{Literatur | Autor=J. H. Davies | Titel=The physics of low-dimensional semiconductors: An introduction | Verlag=Cambridge University Press | Ort=Cambridge | Jahr=1998 | ISBN=978-0521484916 | Originalsprache=Englisch}}
*{{Literatur | Autor=J. H. Davies | Titel=The physics of low-dimensional semiconductors: An introduction | Verlag=Cambridge University Press | Ort=Cambridge | Jahr=1998 | ISBN=978-0521484916 | Originalsprache=Englisch}}
*{{Literatur | Autor=D. Yoshioka | Titel=The Quantum Hall Effect | Verlag=Springer Verlag | Ort=Berlin| Jahr=2002 | ISBN=978-3540431152 | Originalsprache=Englisch}}
*{{Literatur | Autor=D. Yoshioka | Titel=The Quantum Hall Effect | Verlag=Springer Verlag | Ort=Berlin | Jahr=2002 | ISBN=978-3540431152 | Originalsprache=Englisch}}
*{{Literatur | Autor=G. Czycholl | Titel=Theoretische Festkörperphysik | Verlag=Springer Verlag | Ort=Berlin | Jahr=2004 | ISBN=3-540-20824-0 | Originalsprache=Deutsch}}


== Weblinks ==
== Weblinks ==

Version vom 17. August 2009, 11:59 Uhr

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Mit dem Randkanalmodell lässt sich das Zustandekommen des Quanten-Hall-Effekts und des Shubnikov-de-Haas-Effekts in zweidimensionalen Elektronengasen erklären. Durch das Berücksichtigen von Randeffekten bilden sich Randkanäle, die die Anomalitäten der obigen Effekte erklären können.

Quantenmechanische Deutung

Definition der Randkanäle als Schnittpunkt der Energieniveaus mit der Fermienergie

Bei Anlegen eines externen Magnetfeldes ändert sich die Zustandsdichte der Elektronen. Es bilden sich dadurch Landauniveaus aus. Dies sich diskrete, bei kleinen Feldern spinentartete Energieniveaus. Die Beschreibung durch das Randkanalmodell nimmt an, dass sich das Ferminiveau zwischen zwei Landauniveaus und dass sich das System im Grundzustand befindet. Alle Niveaus unterhalb des Ferminiveaus sind folglich vollbesetzt.

An den Rändern einer Probe muss das sonst vernachlässigbare Randpotential in die Schrödingergleichung mit einbezogen werden. Dies führt dazu, dass die Landaulevel nach oben gebogen werden (dieses Ansteigen kann man sich plausibel machen, wenn man die Austrittsarbeit als Analogon heranzieht − um die Hürde "Rand" überwinden zu können, muss Energie zugeführt werden). Durch dieses Ansteigen der Niveaus ergeben sich Schnittpunkte der Energieniveaus mit der Fermienergie. Es entstehen Zustände an der Fermikante, die als Randkanäle bezeichnet werden. Dadurch wird es den Ladungsträgern ermöglich, sich frei zu bewegen.

Klassische Deutung

Veranschaulichung der "skipping orbits" am Rand der Probe (klassische Deutung der Randkanäle)

Klassisch kann man die Randkanäle durch sogenannte "skipping orbits" ("hüpfende Umlaufbahnen") beschreiben. Elektronen werden durch ein Magnetfeld wegen der Lenzschen Regel auf eine gekrümmte Bahn gezwungen, die Zyklotronbahn. Befindet sich ein Elektron im Inneren der Probe, so kann die Kreisbahn ohne weitere Einschränkung (Streuung wird nicht betrachtet) durchlaufen werden. Dies entspricht der idealen Betrachtung ohne Randeffekte.

Betrachtet man Elektronen mit einem Abstand kleiner als der Zyklotronradius zum Rand der Probe, so wird aus geometrischen Überlegungen klar, dass diese keine ungestörten Kreisbahnen mehr durchlaufen können. Sie stoßen innerhalb eines Umlaufs an den Rand und werden dort reflektiert. Von dieser Bewegung leitet sich die Bezeichnung "skipping orbits" ab. Dadurch ergibt sich eine Nettobewegung der Ladungsträger entlang der Begrenzung, welche Stromfluss ermöglicht. Stromfluss ist deshalb auf die Rändern der Probe eingeschränkt.


Es ergibt sich eine sehr effektive räumliche Trennung von Ladungsträger, die sich in verschiedene Richtungen bewegen. Die elektronische Wellenfunktion fällt schnell ab, sodass der Überlapp zwischen den Zuständen verschiedener Ränder sehr klein wird. Weiterhin können sie nicht auf die andere Seite der Probe streuen, da es durch die Lage der Fermienergie zwischen zwei Landauniveaus keine freien Zustände gibt, in die gestreut werden könnte. Die Streuwahrscheinlichkeit zwischen Ladungsträgern ist somit effektiv unterdrückt. Dadurch geht auch die Wahrscheinlichkeit für Rückstreuung gegen 0 und die Leitung wird somit widerstandsfrei. Dieser Effekt wird nach ihren Entdeckern Shubnikov-de-Haas-Effekt genannt.

Dies bedeutet, dass Elektronen, die an einer Stelle (z. B. einem Kontakt) in einen Randkanal eintreten, sich bis zum nächsten Kontakt fortbewegen müssen. Auch nach Streuung werden sie weiter in diese Richtung gezwungen. Die zu Recht aufgeworfene Frage, wie das Ferminiveau zwischen einem besetzten und unbesetzten Landauniveau sein kann, wird durch Störstellen und Fremdatome erklärt. Ohne sie könnte das Ferminiveau nicht dazwischen liegen. Dies wird auch experimentell so bestätigt. Bei äußerst reinen Proben werden die gemessenen Oszillationen wieder schwächer; bei zu großer Störstellendichte wird der Effekt durch hohe Streuwahrscheinlichkeit unterdrückt. In diesem Fall können die Ladungsträger keine komplette Zyklotronbahn mehr durchlaufen und mit sich selbst interferieren.

Literatur

  • S. Datta: Electronic transport in mesoscopic systems. Cambridge University Press, Cambridge 1995, ISBN 978-0-521-59943-6.
  • J. H. Davies: The physics of low-dimensional semiconductors: An introduction. Cambridge University Press, Cambridge 1998, ISBN 978-0-521-48491-6.
  • D. Yoshioka: The Quantum Hall Effect. Springer Verlag, Berlin 2002, ISBN 978-3-540-43115-2.
  • G. Czycholl: Theoretische Festkörperphysik. Springer Verlag, Berlin 2004, ISBN 3-540-20824-0.