Amtsnotar

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Amtsnotare sind Notare, die in einem Beamtenverhältnis stehen, also nicht – wie sonst in Deutschland und den meisten anderen Staaten, die das lateinische Notariat kennen, üblich – Freiberufler sind. Neben Baden-Württemberg und einigen Kantonen der Schweiz ist das Amtsnotariat in Europa insbesondere für Portugal kennzeichnend.

Deutschland

Amtsnotariat Wangen im Allgäu

Amtsnotare gibt es innerhalb Deutschlands nur noch bis zum Stichtag 1. Januar 2018 in Baden-Württemberg. Ihre Stellung ist als historische Besonderheit in § 114 Bundesnotarordnung (BNotO) berücksichtigt. Die Verfassung selbst verbietet in Art. 138 GG „Änderungen der Einrichtungen des jetzt bestehenden Notariats in den Ländern Baden, Bayern, Württemberg-Baden und Württemberg-Hohenzollern“ ohne die Zustimmung der Regierungen dieser Länder. Das baden-württembergische Notariat ist im „Landesgesetz über die freiwillige Gerichtsbarkeit“ (LFGG) geregelt.

Der Amtsnotar ist ein Überbleibsel eines in anderen Bundesländern bereits weiter fortgeschrittenen Privatisierungsprozesses. In den neuen Bundesländern wurden nach der Wiedervereinigung 1990/1991 die Amtsnotare durch freiberufliche Notare ersetzt. In Württemberg gibt es aber auch einige Anwaltsnotare (Rechtsanwälte, die zusätzlich die Geschäfte eines Notars ausüben) und sog. Nur-Notare (hauptberuflich bestellte Notare, die nur das Notaramt ausüben), und in Baden wurden im Jahr 2006 erstmals 25 Stellen für hauptberufliche Notare zur Besetzung ausgeschrieben.

Relevant kann der Unterschied zwischen beamteten und freiberuflichen Notaren in Haftungsfällen werden. § 19 Abs. 1 Satz 3 BNotO schließt die Haftung des Staates nach § 839 BGB in Verbindung mit Art. 34 GG (Amtshaftung) für Fehler des Notars aus. Diese Vorschrift findet aber auf beamtete Notare im baden-württembergischen Landesdienst gerade keine Anwendung, § 20 LFGG: für ihre Fehler haftet also gegebenenfalls das Land. Wegen der in § 19a BNotO festgelegten Verpflichtung des Notars zum Abschluss einer Berufshaftpflichtversicherung sind aber die praktischen Unterschiede für den Geschädigten gering.

In Baden-Württemberg werden die beamteten Notare als Amtsnotare bezeichnet. Ihre Amtsbezeichnung ist im Landesteil Württemberg Notarvertreter oder Bezirksnotar, im badischen Landesteil Justizrat, Oberjustizrat und Notariatsdirektor.

In ihrer Koalitionsvereinbarung vom 9. Mai 2006 hatten die Regierungsparteien von CDU und FDP für die 14. Legislaturperiode des Landtags von Baden-Württemberg bereits eine grundlegende Strukturreform des Notariats mit flächendeckendem Wechsel zum freiberuflichen Notariat in ganz Baden-Württemberg vereinbart. Nachdem am 17. Dezember 2007 schließlich die politische Entscheidung für die Umsetzung der Notariatsreform durch den baden-württembergischen Ministerrat gefallen ist, wurde zum 1. September 2008 kein neuer Ausbildungsgang für Notaranwärter zum Bezirksnotar mehr angeboten. Eine 10-jährige Übergangsregelung sieht u. a. einen Statuswechsel, eine Eingliederung in die Justizverwaltung oder die Gerichtsbarkeit für die bisherigen badischen Amtsnotare und württembergischen Bezirksnotare vor. Die letzten Notaranwärter des Ausbildungsjahres 2007 sollen bevorzugt in einem „Anwärterdienst zur Sicherung des Nachwuchses an Notaren zur hauptberuflichen Amtsausübung“ aufgenommen werden. Zum 1. Januar 2018 wird in ganz Baden-Württemberg das hauptamtliche freiberufliche Notariat eingeführt werden.[1]

Württemberg

Notare im Landesdienst führen im sogenannten württembergischen Rechtsgebiet (Bezirk des Oberlandesgericht Stuttgarts und des Bezirks des Amtsgerichts Maulbronn, der Stadtteile Schwenningen, Mühlhausen und Weigheim der Stadt Villingen-Schwenningen und des Gebiets der Gemeinde Tuningen (§ 1 Abs. 4 LFGG)) die Amtsbezeichnung Bezirksnotar. Sie erwerben die Befähigung für dieses Amt durch ein fünfjähriges Studium an der Notarakademie Baden-Württemberg und der abschließenden Notarprüfung. Den Bezirksnotaren sind nach dem Landesgesetz über die freiwillige Gerichtsbarkeit neben der Beurkundungskompetenz auch Aufgaben des Nachlass- und Grundbuchrichters und bestimmte Bereiche des Betreuungsrichters übertragen.

Vorbereitungsdienst

Seit 2008 wurden im Hinblick auf die zum 1. Januar 2018 greifende Notariatsreform keine neuen Notaranwärter mehr eingestellt. Mit der letztmals 2012 durchgeführten Notarprüfung ist die bisherige notarspezifische Ausbildungs- und Studienform beendet worden.

Der bisherige Vorbereitungsdienst gliederte sich in folgende Abschnitte:

  • Studium I (10 Monate)
  • Studienpraxis I bis III (27 Monate)
    • Studienpraxis I bei einem Notariat (11 Monate)
    • Studienpraxis II bei einem Amtsgericht (3 Monate)
    •  III bei einem Notariat (13 Monate)
  • Studium II (20 Monate)
  • Studienpraxis IV nach Wahl bei einem Rechtsanwalt, Steuerberater, Wirtschaftsprüfer, vereidigten Buchprüfer, Wirtschaftsunternehmen oder einer sonstigen inländischen oder ausländischen Stelle, bei der eine sachgerechte Ausbildung gewährleistet ist (3 Monate)

Die Studien I und II finden an der Notarakademie statt. Sie vermitteln die theoretischen Grundlagen und sollen ferner das Verständnis des Anwärters für rechtliche, soziale und politische Zusammenhänge fördern und seine Allgemeinbildung vertiefen. Die Anwärter sind außerdem zum Selbststudium verpflichtet.

In der praktischen Ausbildung soll der Anwärter die theoretischen Kenntnisse anwenden und seine Kenntnisse vertiefen.

Die Zwischenprüfung findet nach dem Abschnitt Studienpraxis I statt. Sie besteht aus vier Klausuren aus dem bürgerlichen Recht und dem Grundbuchrecht mit einer Bearbeitungszeit von jeweils vier Stunden.

Die Notarprüfung wird von Prüfern des Landesjustizprüfungsamtes abgenommen, die entweder Volljuristen oder Bezirksnotare sein müssen. Die Prüfung besteht aus einem schriftlichen und einem mündlichen Teil. Der schriftliche Teil findet am Ende von Studium II statt und besteht aus acht Aufgaben mit folgenden Schwerpunkten

  • Beurkundung im Grundstücksrecht (mit einschlägigen steuerrechtlichen Fragen)
  • Beurkundung im Erb- und Familienrecht einschließlich des zugehörigen Internationalen Privatrechts (mit einschlägigen steuerrechtlichen Fragen)
  • Beurkundung im Handels- und Gesellschaftsrecht (mit einschlägigen steuerrechtlichen Fragen)
  • Grundbuchrecht und Zwangsvollstreckung in Grundstücke
  • drei Aufgaben aus dem Zivilrecht mit einschlägigem Verfahrensrecht und aus dem Zwangsvollstreckungsrecht (einschließlich Zwangsversteigerungs- und Insolvenzrecht)
  • eine Aufgabe in zwei Teilen, davon Teil I mit Schwerpunkt Staats- und Verwaltungsrecht einschließlich Europarecht und Teil II mit Schwerpunkt Straf- und Strafverfahrensrecht.

Die mündliche Prüfung dauert 45 Minuten und erstreckt sich auf folgende Gebiete, einschließlich des dazugehörigen Steuerrechts und des Kostenrechts sowie des Internationalen Privatrechts, wenn dies zutrifft:

  • Familien- und Erbrecht,
  • Handelsrecht, Recht der Personen- und Kapitalgesellschaften, Wertpapierrecht und Grundlagen der Betriebswirtschaftslehre
  • Grundstücksrecht, Grundbuchrecht und Recht der Zwangsvollstreckung in Grundstücke
  • Schuldrecht, Mobiliarsachenrecht; Zivilprozessrecht; Staats- und Verwaltungsrecht; Straf- und Strafverfahrensrecht; Europarecht

Während des Vorbereitungsdienstes führte der Anwärter die Dienstbezeichnung „Notaranwärter“, nach der bestanden Prüfung die Bezeichnung „Württembergischer Notariatsassessor“.

Besoldung

Die Bezirksnotare werden nach der Landesbesoldungsordnung A besoldet.

  • Notarvertreter (Eingangsamt), Besoldungsgruppe A 12
  • Bezirksnotar, Besoldungsgruppe A 13
  • Bezirksnotar (als Leiter eines Notariats mit fünf und mehr Planstellen für Bezirksnotare und Notarvertreter), Besoldungsgruppe A 14

Die Notaranwärter beziehen Anwärterbezüge für das Eingangsamt A 12 gemäß den Vorschriften der Bundesbesoldungsordnung.

Baden

Im Bezirk des Oberlandesgerichts Karlsruhe – ausgenommen die Gebiete, die dem württembergischen Rechtsgebiet zugewiesen sind (siehe oben) – sind die Amtsnotare Volljuristen mit den üblichen beiden juristischen Staatsexamina. Sie tragen die Amtsbezeichnung Justizrat, Oberjustizrat und Notariatsdirektor. Bevor sie Notar wurden, waren sie oftmals in anderen Berufsfeldern der baden-württembergischen Justiz tätig, insbesondere als Richter, Staatsanwalt oder bei der Justizverwaltung. Daher rührt auch die Bezeichnung Richternotar. Die badischen Amtsnotare sind auch als Nachlass- und Grundbuchrichter tätig.

Besoldung

  • Justizrat (Eingangsamt), Besoldungsgruppe R 1
  • Oberjustizrat (als Leiter eines Notariats mit bis zu drei Planstellen für Notare), Besoldungsgruppe R 1 mit Amtszulage
  • Notariatsdirektor (ständiger Vertreter des Leiters eines Notariats mit 8 und mehr Planstellen für Notare), Besoldungsgruppe R 2
  • Notariatsdirektor (als Leiter eines Notariats mit 4 bis 7 Planstellen für Notare), Besoldungsgruppe R 2
  • Notariatsdirektor (als Leiter eines Notariats mit 8 und mehr Planstellen für Notare), Besoldungsgruppe R 2 mit Amtszulage

Die Amtszulage beträgt (Stand: Dezember 2005) jeweils 175,45 €.

Schweiz

Amtsnotariat und Kreisgericht Werdenberg (Kanton St. Gallen)

In vielen Kantonen der Schweiz gibt es ebenfalls Amtsnotare. Die Rechtslage – auch hinsichtlich der Kosten und Gebühren[2] – unterscheidet sich allerdings von Kanton zu Kanton. So gibt es in einigen Kantonen nur Amtsnotare, während in anderen Kantonen sowohl Amtsnotare als auch Privatnotare oder Anwaltsnotare tätig sind.

So heißt es in einer Rechtvorlage im Kanton Zug:

„Ein Vergleich mit den Regelungen anderer Kantone zeigt, dass ganz unterschiedliche Lösungen existieren. Viele Kantone kennen das freiberufliche Notariat, wobei die Kantone mit teilweisem oder vorwiegendem Anwalts-Notariat (LU, AG, UR, OW, ZG, SO, GL, BS, SG, GR, TI, VS, JU) in der Mehrzahl, die Kantone mit ausschliesslichem oder vorwiegendem Nur-Notariat (BE, FR, VD, GE) in der Minderzahl sind. Über ein eigentliches Amtsnotariat verfügen die Kantone ZH, SH, AR, AI, und TG, während die Kantone LU, BL, OW, NW, SZ, ZG, SO, SG, GR, AG und NE sowohl Amtsnotare als auch freiberufliche Anwalts-Notare kennen. Verträge über dingliche Rechte an Grundstücken können von Anwalts-Notaren in den Kantonen UR, LU, AG, BS und NW öffentlich beurkundet werden. Im Kanton Wallis hat eine ausserparlamentarische Kommission kürzlich die gesetzliche Verankerung einer Unvereinbarkeit des Anwaltsberufes mit der Notariatstätigkeit vorgeschlagen (NZZ vom 20. November 2000).“[3]

Portugal

Neben Baden hatte als einziger Mitgliedstaat der Europäischen Union mit lateinischem Notariat bislang auch Portugal ein reines Staatsnotariat: Notare sind Staatsbeamte, Notariate (Cartório Notarial, bisweilen auch als „Beurkundungsamt“ oder „Notariatsamt“ übersetzt) sind Behörden. Sie finden sich in allen Kreisen und sind innerhalb ihres Bezirks durchnummeriert. Wie im lateinischen Notariat üblich, besteht der Kernbereich der notariellen Tätigkeit aus der Beurkundung von Rechtsgeschäften, um die Wahrung der Rechtsform sicherzustellen und die Echtheit außergerichtlich durchgeführter Rechtsakte zu bezeugen. Verhandlungen werden in der Regel nicht vom Amtsnotar (dem Leiter der Behörde) selbst beurkundet, sondern von einem Bediensteten (Bürovorsteher oder Sekretär), der in seinem Namen handelt. Eine Beratung durch den Notar ist erst seit 1995 gesetzlich geregelt. In der Praxis ist es jedoch auch heute zumindest unüblich, einen Notar um Beratung zu bitten, zumal die Notariate in dem Land chronisch überlastet sind. Freiberufliche Notariate existierten in Portugal bis vor Kurzem noch gar nicht, obwohl ihre Einführung seit Jahren diskutiert wurde. Mittlerweile gibt es – wie in Baden – erste private Notariate und konkrete Planungen des Justizministeriums, die auf eine vollständige Privatisierung der notariellen Tätigkeit hinauslaufen. Mit dem Beitritt Portugals zur Internationalen Union des Notariats (UINL) wurde dieser Schritt auch nach außen hin dokumentiert.

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Justiz in Baden-Württemberg: Notariatsreform, abgerufen am 14. November 2014.
  2. Kantonale Notariatstarife, Stand 14. August 2007.
  3. Motion von Heinz Tännler und Hans Dürrer betreffend Beurkundungskompetenz für Notare vom 3. Dezember 2002, PDF-Dokument (Memento vom 28. September 2007 im Internet Archive)