Arbeitszufriedenheit

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Unter Arbeitszufriedenheit versteht man in der Arbeitspsychologie die Einstellung einer Person gegenüber Arbeit. Sie äußert sich als emotionale Reaktion auf eine Situation und repräsentiert mehrere miteinander in Bezug stehende Einstellungen. Arbeitszufriedenheit beschäftigt vor allem die Managementlehre.

Geschichte

Seit Herzbergs Zwei-Faktoren-Theorie (mit „Hygienefaktoren“ und „Motivatoren“) ist die Arbeitszufriedenheit umfassender Forschungsgegenstand. Nach Schätzung von Locke waren bereits 1976 circa 3350 einschlägige Arbeiten publiziert.[1]

Zur Untersuchung der Arbeitszufriedenheit unterschied Kommunikationswissenschaftlerin Irene Neverla am Beispiel des Berufs des Journalisten zwischen Arbeitsplatzzufriedenheit und Berufszufriedenheit.[2] Ähnlich der Zwei-Faktoren-Theorie differenzierte sie dabei zwischen „objektiven Bedingungen der Erwerbstätigkeit“ (etwa angemessene Bezahlung, berufliche Sicherheit und erträgliche Arbeitsbelastung) und darüber hinaus gehenden Erwartungen.[3] Nach Neverla wurde Unzufriedenheit unter Journalisten vor allem im Zusammenhang mit Faktoren geäußert, die sich auf die konkrete Existenzsicherung beziehen.[2] Ähnlich wurde 1991 für Kita-Mitarbeiter zwischen einer (niedrigen) Arbeitsplatzzufriedenheit und (hohen) Berufszufriedenheit unterschieden.[4] Der Sinn einer solchen Unterscheidung wird allerdings dort bezweifelt, wo ein Wechsel zu einem anderen Arbeitgeber kaum in Betracht komme, zum Beispiel im Fall von Lehrern.[5]

In Deutschland ließen sich seit der Rezeption von Herzberg zwei Wellen beobachten: Die eine ist auf das Bewertungsschema menschlicher Arbeit von Rohmert zurückzuführen, in dem die Hierarchie Ausführbarkeit – Erträglichkeit – Zumutbarkeit – Zufriedenheit postuliert wurde.[6] Die andere wurde durch das EFQM angestoßen, welches 1994 Arbeitszufriedenheit als „Resultatfaktor“ in ihrem verbreiteten Qualitätsmodell aufführte. Zwar wurde das in der 2000er Fassung geändert, aber das Interesse an Arbeitszufriedenheit war wieder geweckt.[7]

Nach jahrzehntelangen eigenen Forschungen kam Neuberger bereits 1985 in einem Sammelreferat zu folgenden Kernaussagen:[8]

  • Je mehr man sich dem Begriff der Arbeitszufriedenheit nähert, desto unschärfer und bedeutungsloser wird er.
  • Es ist bei einer Zufriedenheitsäußerung nur schwer feststellbar, ob sie tatsächlich durch die Situation bedingt wird („Kraft durch Freude …“) oder einfach daher kommt, dass man gelernt hat, nicht mehr zu wünschen („… oder Euphorie im Unglück?“)
  • Ein Zusammenhang von Arbeitszufriedenheit und Arbeitsleistung, Motivation oder einer anderen relevanten betriebswirtschaftlichen Leistungskennzahl konnte nicht nachgewiesen werden.
  • Humanisierung der Arbeit kann nicht heißen, Menschen zufrieden zu machen“ (S. 137).
Anspruch und Wirklichkeit

Agnes Bruggemann stellt Arbeitszufriedenheit als das Ergebnis eines inneren Vergleichs der eigenen Bedürfnisse mit den situationsbezogenen Möglichkeiten ihrer Realisierung dar.[9] Demnach entwickeln sich einerseits aus den äußeren Einflüssen eine innere Erfahrung der Situation. Andererseits entsteht durch die Erziehung und Vergangenheit eines Individuums und den persönlichen Ansprüchen ein gewünschter Soll-Zustand. Die Übereinstimmung und Abweichungen dieser beiden Bilder bedingen nach Bruggemann Arbeitszufriedenheit oder -unzufriedenheit.

Verdienst des Modells ist es, den bis dato globalen Zufriedenheitsbegriff, welcher der Realität kaum gerecht wurde, qualitativ differenziert zu haben. Es unterscheidet sechs Formen:

  1. Progressive Arbeitszufriedenheit: Der Soll-Ist-Vergleich ist positiv aber das Anspruchsniveau steigt dadurch.
  2. Stabilisierte Arbeitszufriedenheit: Der Soll-Ist-Vergleich ist positiv und das Anspruchsniveau bleibt unverändert.
  3. Resignative Arbeitszufriedenheit: Der Soll-Ist-Vergleich ist negativ und zur Kompensation sinkt das Anspruchsniveau
  4. Pseudo-Arbeitszufriedenheit: Der Soll-Ist-Vergleich ist negativ und das Anspruchsniveau bleibt unverändert, dafür wird die Situation verfälscht (geschönt) wahrgenommen.
  5. Fixierte Arbeitsunzufriedenheit: Der Soll-Ist-Vergleich ist negativ und das Anspruchsniveau bleibt unverändert und auf Lösungsversuche wird verzichtet.
  6. Konstruktive Arbeitsunzufriedenheit: Der Soll-Ist-Vergleich ist negativ und das Anspruchsniveau bleibt unverändert, aber man arbeitet an Lösungsversuchen.

Arbeitszufriedenheit wird damit als Prozess und nicht mehr als statisches Konstrukt interpretiert. Dabei machen die resignativen Formen deutlich, dass Arbeitszufriedenheit und Arbeitsfreude nicht synonym sind.

Neuste Ergebnisse der Zufriedenheitsforschung nach Roedenbeck gehen den Weg der Vereinigung beider Ansätze.[10] Einerseits werden die quantitativen Ansätze von Neuberger berücksichtigt: Im Berufsleben bewerten Menschen verschiedene Faktoren oder Facetten in Bezug zu deren Anspruchsniveau und erzeugen damit einen zentralen Bestandteil bei der Entwicklung von Arbeitszufriedenheit. Andererseits wird jedoch auch der qualitative Ansatz von Bruggemann sowie André Büssing und Thomas Bissel berücksichtigt.[11] Demnach bilden die Menschen für jeden von ihnen berücksichtigten Faktor eine Qualität der Zufriedenheit durch den Vergleich von Anspruchsniveau und Ist-Zustand (und nicht mehr nur für die Arbeitszufriedenheit allgemein). Das von Roedenbeck entwickelte Komplexe Modell der Arbeitszufriedenheit. geht noch weiter über diese Differenzierung hinaus und erklärt zudem, wie durch die verschiedenen Qualitäten der Arbeitszufriedenheit für jeden einzelnen Faktor das Verhalten beeinflusst wird.

Derzeitiger Hauptkritikpunkt an dem neuen Komplexen Modell der Arbeitszufriedenheit ist die fehlende Empirie. Das Modell ist auf Basis einer theoretischen Meta-Analyse entwickelt worden.

Siehe auch

Weblinks

  • Simon Fietze: Arbeitszufriedenheit und Persönlichkeit: „Wer schaffen will, muss fröhlich sein!“ SOEP Paper 388/2011. (PDF)
  • Arbeitszufriedenheit in Deutschland (PDF; 283 kB) Institut Arbeit und Qualifikation der Universität Duisburg-Essen

Literatur

  • Agnes Bruggemann, Peter Groskurth, Eberhard Ulich: Arbeitszufriedenheit. Hans Huber, Bern 1975, ISBN 3-456-80188-2.
  • Marc R. H. Roedenbeck: Theoretische Grundlagen eines komplexen Modells der Arbeitszufriedenheit (KMA) – Eine theoretische Meta-Analyse. In Journal für Psychologie. 1, 2008. (Abstract)
  • Bernd Vonhoff, Gerald Reischl: Erfolgsfaktor Sinn. Die Entdeckung der Zufriedenheit. Carl Ueberreuter Verlag, Wien 2009, ISBN 978-3-8000-7444-0.

Quellen

  1. E.-A. Locke: The nature and causes of job satisfaction. In: M. D. Dunette (Hrsg.): Handbook of Industrial and Organizational Psychology. Rand McNally, Chicago 1976, S. 1297–1349.
  2. a b Irene Neverla: Arbeitszufriedenheit von Journalisten. Minerva-Publikation, 1979, ISBN 3-597-10094-5. Zitiert nach: Natalie Helka: Redaktionsschluss - Warum Journalisten Aussteigen: Eine Qualitative Studie mit ehemaligen Journalisten aus dem NRW-Lokalfunk. Springer, 2014, ISBN 978-3-658-03994-3, S. 27.
  3. Michael Bodin: Ausgebrannt…: Über den „Burnout“ im Journalismus Ursachen und Auswege. Springer, 2013, ISBN 978-3-322-85126-0, S. 35.
  4. Enders-Drahgässer: Befragung zur Arbeitssituation in den Frankfurter Kindertagesstätten. Gesellschaft für sozialwissenschaftliche Frauenforschung, 1991. Zitiert nach: Michael Dartsch: Erzieherinnen in Beruf und Freizeit: Eine Regionalstudie zur Situation von Fachkräften in Tageseinrichtungen für Kinder. Springer, 2013, ISBN 978-3-663-09989-5. S. 50.
  5. Thomas Ammann: Zur Berufszufriedenheit von Lehrerinnen: Erfahrungsbilanzen in der mittleren Berufsphase. Julius Klinkhardt, 2004, ISBN 3-7815-1345-9, S. 19.
  6. Rohmert, Walter: Aufgaben und Inhalt der Arbeitswissenschaft. In: Die berufsbildenden Schule. 24, 1972, S. 3–14.
  7. Eberhard Ulich: Arbeitspsychologie. Schäffer-Poeschel, Stuttgart 2006, S. 138 f.
  8. Oswald Neuberger: Arbeitszufriedenheit: Kraft durch Freude oder Euphorie im Unglück? Eine Sammelrezension. In: DBW – Die Betriebswirtschaft. 45, 1985, S. 184–206.
  9. Agnes Bruggemann: Zur Unterscheidung verschiedener Formen von Arbeitszufriedenheit. In: Arbeit und Leistung. 28, 1974, S. 281.
  10. Marc R. H. Roedenbeck: Theoretische Grundlagen eines komplexen Modells der Arbeitszufriedenheit (KMA) : Eine theoretische Meta-Analyse. In: Journal für Psychologie. 16, 2008. (Abstract)
  11. André Büssing, Thomas Bissels: Different forms of work satisfaction : Concept and qualitative research. In: European Psychologist. 3, 1998, S. 209–218.