Belohnungstheorie

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Die Belohnungstheorie ist eine positive Theorie zur Rechtfertigung der staatlichen Gewährung eines – zeitlich begrenzten – Ausschließlichkeitsrechts in Gestalt eines Patents an den Erfinder (oder dessen Rechtsnachfolger), § 6Patentgesetz (PatG). Die Belohnungstheorie wird heute, neben der Anspornungstheorie, als die wichtigste Rechtfertigungstheorie angesehen.

Bedürfnis nach Rechtfertigung der Patentgewährung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Eine Rechtfertigung der Patentgewährung wird generell für notwendig erachtet, weil Monopole grundsätzlich im Widerspruch zu einem ungehinderten Wettbewerb der Marktteilnehmer stehen, einer der wichtigsten Komponenten der seit Alfred Müller-Armack in der Bundesrepublik Deutschland geltenden und allgemein anerkannten freien und sozialen Marktwirtschaft. Monopole stehen einem freien Wettbewerb als hinderlich entgegen, weil sie einen einzelnen Marktteilnehmer, nämlich den Monopolinhaber, gegenüber anderen Marktteilnehmern bevorteilen.

Die Belohnung des Erfinders für seine soziale Leistung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Nach der Belohnungstheorie wird dem Erfinder (oder seinem Rechtsnachfolger) dafür, dass er durch seine Erfindung, die Anmeldung derselben zum Patent und die damit einhergehende Offenbarung der Erfindung gemäß § 31PatG der Allgemeinheit einen nützlichen Dienst (eine soziale Leistung) erwiesen hat, ein Vorteil („Lohn“) zuerkannt, indem ihm der Staat ein Patent und damit ein zeitlich begrenztes Ausschließlichkeitsrecht an der Erfindung gewährt.[1] Kurz gesagt, dem Erfinder gebühre das Patent als Anerkennung und Lohn für seine geistige Arbeit.[2]

Historischer Ursprung der Belohnungstheorie[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die Belohnungstheorie lässt sich auf den englischen Philosophen und Nationalökonom John Stuart Mill zurückführen. Dieser wandte sich zwar stets gegen Monopole, befürwortete aber gleichwohl Patente als gerechtfertigte Belohnung des Erfinders.[3] Die von Mill erstmals ausdrücklich formulierte Idee einer Belohnungstheorie basiert auf dem Grundprinzip der Gerechtigkeit und orientiert sich ganz konkret an den in der Wettbewerbspraxis herrschenden Gegebenheiten: Der Erfinder soll, um seinen gerechten „Lohn“ in Form von erzieltem Gewinn tatsächlich realisieren zu können, durch das ihm erteilte Ausschließlichkeitsrecht einen ausreichenden Vorsprung vor Konkurrenten (Nachahmern) gesichert erhalten.[4] Machlup sieht hinter der Belohnungstheorie die Grundidee stehen, dass das Patentsystem einen funktionierenden Wettbewerb zu schaffen vermag.[5]

Kritik[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Kritiker jeglichen Patentschutzes könnten gegen die Belohnungstheorie einwenden, es müsse nicht jemand dafür belohnt werden, dass er – mehr oder weniger zufällig – einen technischen Gedanken als erster offenbare, der in Wirklichkeit aus dem Gesamtwissen der Gesellschaft entsprungen sei. Auch könnte man der Belohnungstheorie entgegnen, dass aus ihr keineswegs zwingend ein sich auf Ausschließlichkeitsrechte stützendes Patentsystem folgen müsse. Es genüge vielmehr, dem Erfinder Anerkennung und einen Vergütungsanspruch gegenüber dem Staat zuteilwerden zu lassen.[6] Als problematisch würde es sich allerdings erweisen festzulegen, nach welchen Kriterien sich der Vergütungsanspruch im jeweiligen Einzelfall bestimmen soll.[7]

Den Kritikern der Belohnungstheorie muss im Übrigen entgegengehalten werden, dass der Erfinder, nachdem er seine Idee durch Formulierung und Einreichung einer Patentanmeldung sowie (nach 18 Monaten erfolgender) Offenlegung derselben der Allgemeinheit zugänglich gemacht hat, noch keineswegs sicher sein kann, dass er seine „Belohnung“ in Form eines (erteilten) Patents letztlich auch erhält. Denn, selbst wenn der Erfindungsgedanke das Erfordernis der Neuheit erfüllt, so muss er – neben einer gewerblichen Anwendbarkeit – zusätzlich noch „Erfindungshöhe“ aufweisen, d. h. „auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhen“, § 1Abs.1 PatG.[8] Vornehmlich das letztgenannte gesetzliche Erfordernis führt nämlich in der Praxis dazu, dass nur etwa auf ein Drittel aller eingereichten Patentanmeldungen nach Abschluss des (strengen) patentamtlichen Prüfungsverfahrens schließlich auch ein Patent erteilt wird.[9]

Siehe auch[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Rudolf Kraßer: Lehrbuch des Patentrechts. 4. Auflage, München 1986
  • Alfred Müller-Armack: Wirtschaftslenkung und Marktwirtschaft. Hamburg 1947
  • Alfred Müller-Armack u. a. (Hrsg.): Beiträge zur Ordnung von Wirtschaft und Gesellschaft. Köln 1966

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Dietrich Scheffler: Das deutsche Patentsystem und die mittelständische Industrie - Eine theoretische und empirische Untersuchung, (Diss.) Stuttgart 1986, S. 159 ff.
  2. Friedrich-Karl Beier: Die herkömmlichen Patenttheorien und die sozialistische Konzeption des Erfinderrechts, in: GRUR Int. 1970, S. 2.
  3. John Stuart Mill: Principles of Political Economy, London 1848, S. 2.
  4. Wolfgang Bernhardt: Die Bedeutung des Patentschutzes in der Industriegesellschaft, Köln, Berlin, Bonn, München 1974, S. 9.
  5. Fritz Machlup: Die wirtschaftlichen Grundlagen des Patentrechts, Weinheim 1961, S. 174 ff.
  6. H. Hirsch: Patentrecht und Wettbewerbsordnung, in: WuW 1970, S. 99 ff.
  7. J. Bußmann: Patentrecht und Marktwirtschaft. In: GRUR 1977, S. 121 ff.
  8. Scheffler, (Einzelnachw. 1), S. 162.
  9. So Kurt Bartenbach: Die Erfindervergütung bei benutzten, nicht patentgeschützten Diensterfindungen. In: Kurt Bartenbach u. a.: Entwicklungstendenzen im gewerblichen Rechtsschutz. Festschrift zum 20-jährigen Bestehen des VVPP, Köln 1975, S. 132.