Benutzer:H.Parai/Entstehungsgeschichte des Reichsbürgergesetzes

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Die Entstehung der Nürnberger Gesetze wird in der älteren Literatur geprägt von der 1961 veröffentlichten Darstellung[1] Bernhard Löseners. Danach sind das Blutschutzgesetz und das Reichsbürgergesetz nach einer spontanen Entscheidung Hitlers völlig überraschend entstanden, wobei das Justizministerium übergangen und das Innenministerium überrumpelt wurde.[2] Dieser auf Löseners Erinnerungsbericht fußenden Darstellung hat besonders eingehend Cornelia Essner widersprochen.[3]

Vielmehr ist nachzuweisen, dass es schon vor 1935 zahlreiche Bestrebungen gab, Juden von den Staatsbürgerrechten auszuschließen.[4] Bereits im Parteiprogramm der NSDAP wird gefordert, dass Juden kein öffentliches Amt ausüben dürften, ihnen die Staatsbürgerschaft zu versagen sei und sie unter Fremden-Recht zu stellen seien. 1924 brachte die NSDAP einen entsprechenden Antrag in den Reichstag ein.[5] Noch vor Übernahme der Regierungsgewalt begann die Reichsleitung der NSDAP ihre Vorstellungen zur Ausscheidung von Juden gesetzesförmig zu fassen, wobei den Juden einen Staatsbürgerschaft minderen Rechts zugedacht war.[6] Eine – vermutlich von Hermann Göring eingesetzte – Arbeitsgemeinschaft legte am 6. April 1933 einen Gesetzentwurf vor, der „nahezu alle später gegen die Juden getroffenen Maßnahmen“ vorwegnahm.[7] Ein Gesetz über den Widerruf von Einbürgerungen und die Aberkennung der deutschen Staatsangehörigkeit[8] bezog sich nur auf Staatsangehörige im Ausland und die in der Systemzeit Eingebürgerten.

Die Erstfassung des Reichsbürgergesetzes war inhaltsleer und in seinen Rechtsfolgen unklar; die entscheidene Definition des Begriffs "Jude" fehlte.[9] Außer „Staatsangehörigen“ gab es den Status des „Reichsbürgers“, der den „arischen“ Deutschen vorbehalten war und die vollen politischen Rechte beinhaltete. Das Reichsbürgerrecht galt bis zur Ausstellung eines „Reichsbürgerbriefes“ als nur vorlüfig verliehen. Die weitere Ausarbeitung blieb zunächst den Verhandlungen zwischen dem Stab des Stellvertreters des Führers und dem Reichsinnenministerium überlassen.[10]

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Bernhard Lösener: Als Rassereferent im Reichsministerium des Inneren. In: Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte 9(1961), H. 3, S. 264–313.
  2. Reinhard Rürup: Das Ende der Emanzipation. In: Arnold Paucker (Hrsg.): Die Juden im nationalsozialistischen Deutschland. Tübingen 1986, ISBN 3-16-745103-3, S. 111.
  3. Cornelia Essner: Die „Nürnberger Gesetze“ oder die Verwaltung des Rassenwahns 1933–1945, Paderborn 2002, ISBN 3-506-72260-3 - zu Lösener besonders S. 113–134.
  4. Uwe Dietrich Adam: Zur Entstehung und Auswirkung des Reichsbürgergesetzes. In: Aus Politik und Zeitgeschichte, Bd. 48 (1985), S. 14–27.
  5. Uwe Dietrich Adam: Zur Entstehung und Auswirkung des Reichsbürgergesetzes. In: Aus Politik und Zeitgeschichte, Bd. 48 (1985), S. 14.
  6. Uwe Dietrich Adam: Judenpolitik im Dritten Reich. Unv. Nachdruck Düsseldorf 2003, ISBN 3-7700-4063-5, S. 25–26 / Entsprechend gab es Vorarbeiten zum Blutschutzgesetz, siehe Lothar Gruchmann: „Blutschutzgesetz“ und Justiz. Zur Entstehung und Auswirkung des Nürnberger Gesetzes vom 15. September 1935. In: Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte 31(1983), H. 3, S. 418–442
  7. Uwe Dietrich Adam: Judenpolitik im Dritten Reich. Unv. Nachdruck Düsseldorf 2003, ISBN 3-7700-4063-5, S. 26-31.
  8. Gesetz vom 14. Juli 1933 (RGBl I, S. 430) / die VO über die deutsche Staatsangehörigkeit vom 5. Februar 1934 ersetzte eine landesspezifische zugunsten einer Reichbürgerschaft.
  9. Uwe Dietrich Adam: Zur Entstehung und Auswirkung des Reichsbürgergesetzes. In: Aus Politik und Zeitgeschichte, Bd. 48 (1985), S. 14.
  10. Uwe Dietrich Adam: Zur Entstehung und Auswirkung des Reichsbürgergesetzes. In: Aus Politik und Zeitgeschichte, Bd. 48 (1985), S. 22.