Benutzer:Hg6996/Motorradfahren

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Seit knapp 20 Jahren fahre ich Motorrad. Angefangen habe ich mit einer kleinen BMW R65; aber seit 2002 bewege ich einen Sporttourer mit über 80kW Leistung. Zu den langsamsten Fahrern gehörte ich nie (die R65 hatte auf beiden Seiten angeschliffene Zylinderkopfdeckel) und bis auf einen Ausrutscher auf nasser Fahrbahn, bei dem ich keine Blessuren davon trug, ist mir in über 100.000km auf dem Bike auch nie etwas zugestossen. Eine beinahe zu schnell genommene Kurve im Odenwald vor etwa 3 Jahren lies mich jedoch über die Grundlagen sicheren Motorradfahrens nachdenken. Ich hab ein Buch dazu gelesen (von dem ich enttäuscht war) und daraufhin einfach den gesunden Menschenverstand eingeschaltet. Heute fahre ich anders als ich früher fuhr, im Wissen um ein paar Gesetzmäßigkeiten, um die ich mir davor nie Gedanken gemacht habe. Vielleicht interessiert das ja auch den einen oder anderen, der zufällig hier landet.


Durch korrekte Kurventechnik sicher Motorrad fahren[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Geht nicht, ist schon klar. Aber man kann zumindest das Möglichste dafür tun. Da ich mir darüber selbst viel zu lange keine Gedanken gemacht habe, war ich umso erstaunter, wie einfach und effektiv die Lösung aussieht.

Der erste Teil der Lösung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die Angst, sich beim Anfahren einer Kurve in der Geschwindigkeit zu verschätzen, hat jeder Motorradfahrer, ob er nun schnell fahren möchte oder nur cruisen will. Trotzdem wird die Grundregel, dies zu vermeiden, selbst von erfahrenen Fahrern meist nicht beachtet. Dabei ist sie so simpel und wird dazu auch noch in der Fahrschule gelehrt: Eine Kurve ist außen anzufahren; der Fahrer darf erst "reinziehen", wenn er den Kurvenverlauf vollständig einsehen und einschätzen kann. Mit "außen" meine ich das äußere Drittel der Fahrbahn, nicht den äußersten Rand.

Warum macht das kaum jemand?[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Unser Instinkt spielt uns einen Streich: wir wollen möglichst weit weg von der Gefahr. Die Gefahr besteht darin, die Kurve nicht zu schaffen und einen ungewollten Ausflug in die Botanik zu unternehmen. "Die Gefahr wird also vom kurvenäußeren Straßenrand repräsentiert. Aus diesem Grund neigt unbewußt fast jeder dazu, eine Kurve innen anzufahren. Denn damit ist er vermeindlich "weit weg von der Gefahr". Und dummerweise verstärkt sich dieses Bestreben sogar noch, je mehr Angst der Fahrer hat! Dabei ist das genau das Gegenteil einer sicheren Fahrweise, denn er beraubt sich notwendiger Sicherheitsreserve. Aber warum ist es sicherer, in der Kurve relativ weit außen zu fahren? Das hat sogar mehrere Gründe:

Ein wenig Fahrphysik[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Wie beim Fahrradfahren auch, muß ein Motorradfahrer, der eine Kurve nach rechts plant, dies mit einem Lenkimpuls nach links einleiten. Ja. Nach links! Die meisten Motorradfahrer wollen das nicht glauben, aber es ist so und weil es schwerwiegende Konsequenzen hat, möchte ich näher darauf eingehen.

Für das Fahren einer Rechtskurve muß der Schwerpunkt der Maschine rechts von der Spur[1] sein. Die in Richtung Kurvenäußeres gerichteten Fliehkräfte wirken bei der Kurvenfahrt entgegengesetzt zu der durch die Schräglage nach innen wirkenden Kraft, die im Stillstand dazu führen würde, dass das Motorrad umkippt. Da aber ein fahrendes Motorrad die Tendenz hat, sich aufzurichten, kippt es von alleine nirgendwohin, der Fahrer muß nachhelfen. Er tut das (meist unbewußt) dadurch, dass er den Lenker in die entgegengesetzte Richtung drückt, in die er eigentlich fahren will. Also nach links, wenn er eine Rechtskurve einleiten will. Durch das nach links Lenken fährt das Vorderrad nach links, das Hinterrad folgt. Das Trägheitsgesetzt besagt, dass ein Körper ohne äußere Krafteinwirkung seine Richtung beibehält. Die obere Hälfte des Motorrads will also weiterhin geradeaus, während die Räder nach links rollen. Die Räder fahren nun nach links unter dem Motorrad weg, Motorrad und Fahrer kippen somit nach rechts. Wie erwähnt, richtet sich jedes fahrende Fahrrad oder Motorrad von selbst auf, das geschieht, da der Lenker aus Gründen der Fahrphysik[2] jetzt nach rechts gezogen wird, das Motorrad fährt die vom Fahrer gewünschte Rechtskurve. Die aufgrund der Kurvenfahrt nach außen wirkende Zentrifugalkraft verindert, dass das Motorrad weiter nach innen kippt, es bleibt in Schräglage.

Damit ist erklärt, warum man eine Kurve nur "relativ weit" außen (ich fahre meist im äußeren Drittel) anfahren sollte, aber niemals ganz aussen. Will der Fahrer nämlich eine engere Kurve fahren und sich hierfür stärker in eine Kurve legen, muß er zunächst in die entgegengesetzte Richtung lenken (und fahren!) und das kann nicht klappen, wenn man bereits ganz außen "auf der letzten Rille" unterwegs ist.

Ein Motorrad benötigt zur Richtungsänderung also Zeit und Raum. Während ein Autofahrer lediglich so schnell er möchte in die gewünschte Fahrtrichtung lenkt, muß der Motorradfahrer nicht nur warten, bis das Motorrad in die geplante Schräglage gekippt ist, er fährt anfangs sogar noch in die falsche Richtung!

Ein Beispiel[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Stellen wir uns nun zwei kurvenfahrende Motorradfahrer vor. Der eine fährt ganz innen, der andere im äußeren Drittel. Beide fahren die selbe Rechtskurve an, beide stellen fest, dass sich die Kurve im weiteren Verlauf zuzieht, sie also zu schnell sind, da sie ihre Geschwindigkeit am Anfangsradius der Kurve ausgerichtet haben.

Der aussen Fahrende hat nun bereits einen Vorteil, noch bevor er überhaupt reagiert hat: Er sieht weiter in in die Kurve ein, als der "Innen-Fahrer". Und damit kann er früher reagieren! Der innen Fahrende wird - genauso wie der aussen Fahrende - durch eine Lenkbewegung nach links seine Schräglage vergrößern, um einen engeren Radius zu fahren. Aber dadurch, dass er weniger Reaktionszeit hat, kann es passieren, dass diese Lenkbewegung zu spät einsetzt und das Fahrzeug zwischenzeitlich bereits stark nach links abgedriftet ist. Im Worst Case lenkt er gar erst im Scheitelpunkt ein und muß dann einen erheblich engeren Kurvenradius fahren, als der "Aussenfahrer".

Der zweite Grund für die Sicherheitsreserve des Aussenfahrers ist ein rein geometrischer: Durch das aussen Anfahren fährt er bei gleicher Geschwindigkeit einen größeren Kurvenradius als der Innenfahrer, was ihm zusätzliche Reserven bringt.

Dies erklärt zumindest teilweise, warum man bisweilen einem Motorradfahrer beim besten Willen nicht folgen kann, obwohl man subjektiv durchaus schnell unterwegs ist. Das Unterbewußtsein warnt "den Innenfahrer" zu Recht, dass er nicht schneller fahren sollte, weil sonst zu wenig Zeit zum Reagieren bleibt!

Die korrekte Haltung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die Relevanz ist klar. Weniger klar ist, dass es zwei Haltungen gibt. Nämlich eine geistige Haltung und die Körperhaltung. Beides ist aber wichtig und geht Hand in Hand. Mit der geistigen Haltung ist die Einstellung zur Kurve gemeint. Wer sich unsicher fühlt oder schneller fährt, als er sich zutraut, wird unbewußt auch eine körperliche Blockadehaltung einnehmen.

Das Motorrad "fühlen"[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Jeder, der etwas Fahrerfahrung hat, wird bereits erlebt haben, dass er mit dem Motorrad in einer Kurve ins Rutschen kam. Das kann am schlechten Teer, an regennasser Fahrbahn oder an einer Fahrbahnverschmutzung gelegen haben. In den allermeisten Fällen sind solche Rutscher harmlos. Das Motorrad rutscht kurz weg, fängt sich aber wieder. Der Fahrer spürt den Rutscher meistens, aber nicht immer, denn eine Bodenwelle kann durchaus eine ähnliche Fahrwerksunruhe erzeugen wie ein Haftungsproblem der Reifen.

Nun hat natürlich der Fahrer ein großes Interesse daran, die Rutscher von den Bodenwellen unterscheiden zu können, denn er will natürlich so früh wie möglich erfahren, dass es ein Haftungsproblem gibt. Und wie überall, wenns ums Fühlen geht, darf man hierfür nicht verspannt sein. Ein Motorradfahrer, der eine Kurve unter Anspannung anfährt, verkrampft. Aber weder ist er damit feinfühlig, noch kann er auf diese Weise sensibel und präzise agieren und reagieren. Das ist ein Problem. Und wieder gilt: Sobald man sich dessen bewußt ist, ist auch dieses Problem ein lösbares Problem.

Wie der Fahrer dem Bestreben des Motorrads, sich aufzurichten, entgegenwirkten soll[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Neben den Kreiselkräften gibt es noch andere Kräfte, die bewirken, dass sich ein Motorrad in Schräglage aufrichten will. Ein Grund ist beispielsweise die Reifengeometrie: Ein aufrecht stehendes Motorrad steht auf der Mitte des Reifens, dorthin wirkt auch die Gewichtskraft und dorthin drückt auch der Schwerpunkt der Motorrad-Fahrer-Kombination. Bei einem Motorrad in Schräglage wirkt sowohl die Gewichtskraft wie auch die Zentrifugalkraft. Diese Kräfte greifen jedoch nicht mehr in der Mitte des Reifens an, denn je größer die Schräglage ist, desteo weiter "außen" berührt der Reifen die Straße! Hierdurch entsteht ein mit zunehmender Schräglage größer werdender Hebel, der mit zunehmender Geschwindigkeit auch mit einer immer größeren Kraft beaufschlagt wird; die Kraft, mit der sich das Motorrad aufrichten will, wächst also mit zunehmender Geschwindigkeit und Schräglage!

Der Fahrer kann auf zwei verschiedene Arten gegen diese Kraft angehen:

1. Er kann den Lenker in die entgegengesetzte Richtung der gewünschten Fahrtrichtung drücken und sich weiterhin mehr oder weniger aufrecht auf dem Motorrad halten. (Logischerweise sind die wirkenden Kräfte immer noch stark genug, um in einer Rechtskurve den Lenker im Endeffekt etwas nach rechts eingeschlagen zu halten und somit eine Rechtskurve zu fahren). Trotzdem drückt der Fahrer bei aufrechter Körperhaltung den Lenker während der gesamten Rechtskurve effektiv nach links! Das mag man kaum glauben und dieser Effekt ist insbesondere bei Supersportlern neuerer Bauart durch die ausgefeilte Fahrwerksgeometrie kaum mehr vorhanden, bei den meisten Motorrädern jedoch ganz leicht zu fühlen. Wer es nicht glaubt und ein Motorrad besitzt, einfach mal ausprobieren und auf die wirkenden Kräfte in den Armen/Händen achten!

2. Durch Gewichtsverlagerung. Und dies ist die deutlich bessere Lösung. Warum? Wie oben beschrieben, hat man bisweilen Probleme, eine Bodenwelle von einem Rutscher zu unterscheiden. Feinfühlig ist jeder Mensch jedoch nur, wenn er wenig Kraft aufbringt, also möglichst entspannt ist. Ein Fahrer, der stocksteif aufrecht auf dem Motorrad sitzt und aus diesem Grund sein Motorrad mit großer Kraft in die Kurve "drücken" muß, hat ganz sicher kein Feingefühl. Wie soll das mit derart angespannter Muskulatur auch möglich sein? Wenn der Fahrer sich jedoch in die Kurve "hineinlegt" (dazu muß man nicht mit den Knien bis zum Boden...) gleicht er die Tendenz des Motorrads, sich aufzurichten, mit seinem Körpergewicht aus, ohne dass er dafür auch nur einen Muskel bemühen muß! Das Feingefühl bleibt erhalten!

Angenehmer Nebeneffekt: schnelle Richtungskorrekturen werden einfach[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Diese Sitzposition hat daneben noch einen weiteren Vorteil: Stellt der Fahrer fest, dass die Kurve doch enger ist, als er urprünglich meinte, so kann er mit einem leichten Kraftimpuls seine Schräglage schnell und gefühlvoll vergrößern. Ein angespannter Fahrer wird hierzu noch mehr Kraft aufwenden müssen, als er ohnehin schon benötigt; das kann schnell ausarten. Und gefühlvoll ist es keinesfalls. Wer Valentino Rossi noch nie beim Fahren aus der Perspektive der Bordkamera gesehen hat, möge dies bei Gelegenheit nachholen. Dieser Motorrad-Gott lenkt fast ausschließlich durch Gewichtsverlagerung! Er fährt damit nicht nur ungemein schnell, sondern vor allem extrem gefühlvoll und somit sehr sicher!

Ein weiterer angenehmer Nebeneffekt einer korrekten Haltung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Ein zweiter Grund, warum diese Kurventechnik vorteilhaft ist, liegt in den Reserven, die man bei einem Rutscher hat. Hierbei wird sich das Motorrad vom Fahrer wegbewegen und seine Schräglage vergrößern. Ein Fahrer, der stocksteif aufrecht auf dem Motorrad sitzt, wird sein Motorrad unter seinem Allerwertesten wegklappen und "verschwinden sehen"; ein Fahrer, der sich in die Kurve hineinlegt und sich damit mehr oder weniger im Kurveninneren "neben" seinem Motorrad befindet, wird das Motorrad damit unter seinen Allerwertesten bekommen und er kann, wenn es den Grip wiedergefunden hat, den Haftungsanstieg viel souveräner abfedern (mal vorausgesetzt, es kommt nicht zum Highsider, aber dann ist eh Hopfen und Malz verloren).

Geschwindigkeit ist keine Hexerei[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Beschleunigung, Geschwindigkeit und Schräglagen sind ein wesentlicher Spaßfaktor beim Motorradfahren. Aber wenn man es übertreibt, sind die Folgen fatal. Wie kann sich an die Grenzen sicher herantasten? Dazu gibts leider kein Patentrezept.

Beschleunigung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Was die Beschleunigung anbetrifft, so muß man einfach Geduld aufbringen und lernen. Was kann mein Motorrad, wie schnell kann es von welcher Geschwindigkeit aus in welchem Gang aus bei welcher Drehzahl wie stark beschleunigen und wie lange brauchts dann wieder zum Abbremsen vor der Kurve. Das liest sich trivial, ist es aber nicht. Mein Umstieg von 45PS auf über 110PS war jedenfalls mit einer Reihe von Schrecken begleitet. Obgleich ich auf der BMW über 80.000 km zurückgelegt hatte, benötigte ich erneut über 20.000 km, bis ich das Beschleunigungs- und Bremsvermögen meines neuen Bikes einigermaßen sicher einschätzen konnte. Eine erschreckend lange Zeit. Die sollte sich aber jeder nehmen, will er seine Lebensversicherung nicht vorzeitig abrufen müssen.

Geschwindigkeit[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Jeder Pilot weiss, wie elementar die Geschwindigkeit für das Flugverhalten seines Flugzeugs ist, aber kaum ein Motorradfahrer denkt aktiv darüber nach, welche Folgen die Fahrgeschwindigkeit konkret hat. Diese betreffen eine große Zahl von Faktoren und man sollte sich zumindest einmal in Ruhe darüber Gedanken gemacht haben. Denn es gibt eine Reihe von Aspekten, die man nicht in der Fahrschule erzählt bekommt.

Risiko: Langsamfahrt[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Langsamfahrt ist ungefährlich. Richtig? Falsch! Es gibt sogar eine Reihe von Risiken, die mit langsamer Fahrweise verknüpft sind. Beispiel: Wenden im ersten Gang bei niedriger Motordrehzahl. Gefahr: Der Lenkeinschlag jedes Bikes ist begrenzt, will der Fahrer eine engere Kurve fahren, stößt der Lenker an seinen Lenkanschlag. Gibt der Fahrer nun nicht reflexartig Gas, um die Maschine damit aufzurichten, stürzt er. Ähnlich unterhaltsam: Wenn bei solch einem Wendemanöver der Motor abstirbt. Dann ist ein Sturz fast unvermeidlich, denn statt des nötigen Vortriebs, bremst das Bike schlagartig ab.

Die wenigsten Motorradfahrer machen sich auch über die vollständige Funktion des Getriebes Gedanken. Es übersetzt nämlich nicht nur die Motordrehzahl, sondern vor allem dessen Drehmoment. Will sagen: Im ersten Gang reagiert ein Motorrad höchst empfindlich auf Änderungen des Gasgriffs. Ein kurzer Dreh am Gas, der im 5. Gang kaum wahrnehmbare Effekte zeigt, kann im ersten Gang zu beeindruckenden Bocksprüngen führen. Motorräder mit großvolumigen Motoren sind aus diesem Grund im ersten Gang oft nur mit schleifender Kupplung gefühlvoll bewegbar. Das gilt es zu beachten, gerade dann, wenn man von einem hubraumschwachen Bike wechselt!

Vorteil einer höheren Geschwindigkeit[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Was auch kaum jemand bedenkt, ist der Einfluß der Geschwindigkeit auf die fahrphysikalischen Effekte einer Fahrbahnverschmutzung. Angenommen, man fährt mit der "Fahrradgeschwindigkeit" von 18 km/h, also 5 Meter pro Sekunde, um eine Kurve. In der Kurve befindet sich eine 50cm große Verschmutzung. Das Motorrad verliert beim Überfahren dieser Stelle für eine zehntel Sekunde die Haftung, es vergrößert damit seine Schräglage. Nachdem die Verschmutzung durchfahren ist, greift der Reifen wieder und das Motorrad richtet sich auf - wenn der Fahrer nicht bereits gestürzt ist. Überfährt der Fahrer die selbe Verschmutzung mit der selben (!) Schräglage (jedoch viel größerem Kurvenradius) mit 90 km/h, so befindet er sich nur zwei hundertstel Sekunden auf der Verschmutzung. In dieser kurzen Zeit kann das Motorrad nicht weit wegrutschen; der Fahrer fühlt nur einen kurzen "Ruck". Auf den ersten Blick möchte man meinen: Aha, also Faktor 5, denn bei 90km/h befindet sich das Motorrad nur ein fünftel der Zeit auf der Verschmutzung wie bei 18 km/h. Aber auch das ist falsch. Denn durch den Haftungsverlust wird das Motorrad für die Zeit t mit der Beschleunigung a in Richtung größerer Schräglage/Kurvenausgang beschleunigt. Die Strecke s, die es dabei zurücklegt, errechnet sich gemäß simpler Schulphysik zu s = 1/2 a t². Das bedeutet, dass die 5-fache Geschwindigkeit nicht etwa dazu führt, dass das Motorrad nur ein Fünftel so weit weg rutscht, nein, es rutscht nur (0,2)² = 0,04 = 4% der Wegstrecke, die es bei 18 km/h rutscht!

Trotz dieses großen Unterschieds beurteilen die meisten Motorradfahrer Fahrbahnverschmutzungen aus ihrer Erfahrung und Sicht als Radfahrer und schätzen sie daher falsch und ohne Berücksichtigung des Geschwindigkeitsfaktors ein. Wohl auch, weil sie sich nie Gedanken darüber gemacht haben. Bei meiner letzten Motorradtour wurde ich gar gefragt, was ich denn machen würde, wenn bei meiner flockig zügigen Kurvenfahrt plötzlich ein Kaugummi auf der Strasse läge, den ich überfahren müsste. Nuja, man könnte es ja mal ausrechnen.  :-) Nix!

Gefahren der Schnellfahrt[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Schnellfahrt birgt bekanntlich auch Risiken, wenngleich ganz andere. Über die Vorteile beim Überfahren von Fahrbahnverschmutzungen schrieb ich bereits im Kapitel Langsamfahrt.

Bei der Einschätzung einer Kurvengeschwindigkeit muß der Fahrer erheblich gefühlvoller agieren, als man bei flüchtiger Betrachtung denken mag. Denn die durch die Kurvenfahrt entstehenden Zentrifugalkräfte kann der Fahrer nur mit einer entgegengesetzt wirkenden Zentripedalkraft ausgleichen, indem er das Motorrad in Schräglage bringt. Schräglagen unterliegen bekanntlich einer natürlichen Begrenzung. Daneben machen zwei Effekte Ärger:

Die in einer Kurve wirkende Zentrifugalkraft ist nicht etwa linear von der Geschwindigkeit abhängig, sondern quadratisch, denn es gilt: F=mV²/r

(mit: F=Force=Kraft;m=mass=Masse;V=velocity=Geschwindigkeit;r=radius=Radius).

10% mehr Geschwindigkeit ergeben somit 1,1²= 21% mehr Zentrifugalkraft und die gilt es mit angemessener Schräglage auszugleichen. Das zweite Problem ist, dass die Zentripedalkraft, die der Fahrer durch Erhöhung der Schräglage erzeugt, nicht linear von dieser abhängt. Eine Beispielrechnung soll das verdeutlichen:

Ein Motorrad mit dem Gesamtgewicht von 300kg habe seinen Schwerpunkt in ein Meter Höhe. Der Hebelarm errechnet sich also aus dem "Sinus" der Schräglage.

  • Ein Grad Schäglage ergeben somit über einen Hebelarm von 1,75cm eine Zentripedalkraft von 300*10*1,75 = 52,4 Nm.
  • Ein Grad mehr, also zwei Grad Schäglage, ergeben über einen Hebelarm von 3,49cm eine Zentripedalkraft von 300*10*3,49 = 104,7 Nm; das ist über den 1,74cm längeren Hebelarm 5234 Nm Zentripedalkraftgewinn. (Korrekt: zentripedal wirkendes Drehmoment).

Ganz anders sieht die Rechnung bei einer Schräglage von 30° aus.

  • Dreissig Grad Schäglage ergeben über einen Hebelarm von 50cm eine Zentripedalkraft von 300*10*50 = 150 000 Nm
  • Ein Grad mehr, also 31 Grad Schäglage, ergeben über einen Hebelarm von nun 51,5 cm eine Zentripedalkraft von 300*10*51,5 = 154 511 Nm; das ist über den nun nur noch 1,5cm längeren Hebelarm aber nur noch ein Zentripedalkraftgewinn von 4511 Nm !!

Nicht nur bedeutet ein Mehr an Geschwindigkeit also ein deutliches Mehr an Zentrifugalkraft, je schneller der Fahrer fährt, desto weniger Reserve hat er, durch eine Schräglagenvergrösserung eine zu schnelle Kurvengeschwindigkeit auszugleichen!

Daneben wirken aber auch auf das Motorrad andere Kräfte. Da sich die Räder sehr schnell drehen, wachsen die Kreiselkräfte entsprechend an. Heutige Supersportler zeigen diese Effekte kaum mehr, aber die meisten Motorräder wollen bei hohen Geschwindigkeiten mit viel Körpereinsatz in Schräglage gebracht werden. Aber wie man das am günstigsten anstellt, schrieb ich bereits im Kapitel Kurventechnik.

Der Grenzbereich[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Davor hat jeder Angst und möchte gar nicht dran denken, diesen zu "erfahren". Dabei ist es sehr wichtig, zu wissen, wie ein Motorrad im Grenzbereich reagiert. Leider gibt es dazu keine Pauschalantwort. Denn "den Grenzbereich" gibt es gar nicht. Wie sich "der Grenzbereich" zeigt, hängt von sehr vielen Faktoren ab. Dies sind:

  • Fahrgeschwindigkeit
  • Fahrbahnbeschaffenheit: Fahrbahnmaterial, Temperatur und Wetterbedingungen
  • Reifendruck
  • Reifentyp
  • Reifentemperatur
  • Reifenalter
  • Grad und Art des gegenwärtigen Reifenverschleißes
  • Motorradtyp und Fahrwerksabstimmung
  • Fahrtechnik
  • Gewicht des Fahrers

Verwirrlich? In der Tat. Trotzdem will ich es wagen, ein paar Tipps abzugeben. Dazu muß ich gestehen, dass ich weder Rennfahrer, noch Stunt-Fahrer bin und Vieles nur aus eigener Erfahrung schildern kann. D.h. es gibt Fahrsituationen, die habe ich schlicht noch nie erlebt. Aber über 100.000km Fahrerfahrung, sowohl mit 45PS wie auch mit über 110PS sind ja "nicht nichts" (wie mein Chef zu sagen pflegt). Da ich mich mal frech zu den schnelleren 50% aller auf Deutschlands Strassen rumsausenden Motorradfahrern zähle, aber bis dato keinen Unfall erlebt habe, der auf zu schnelles Fahren zurückzuführen ist, stelle ich mich beim Fahren offenbar nicht allzu dämlich an. Ganz falsch kann meine Fahrtechnik daher wohl nicht sein.

 to be continued.... 



Fußnoten
  1. Verbindungslinie der Reifen-Strassen-Kontaktstellen von Vorder- und Hinterrad
  2. Ein einfaches Experiment zeigt, dass dem tatsächlich so ist: Man hält das Vorderrad eines Fahrades mit den Händen links und rechts an seiner Achse, so dass es sich frei drehen kann und bittet einen Helfer, das Rad in möglichst starke Drehung zu versetzen. Welche Kraft wirkt, wenn man versucht, das Rad in Schräglage zu kippen? Erstaunlich, was? Denn genau das geschieht auch beim Motorrad!