Benutzer:W.Radke/Demand Side Management

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Unter Demand Side Management versteht man im Bereich Strom die Beeinflussung des Stromverbrauchs. In der Regel handelt es sich dabei um den Versuch, den Strombezug zu verringern. Dies ist sinnvoll, wenn etwa die Stromerzeugung an ihre Obergrenzen kommt oder eine Überlastung von Teilen des Stromnetzes droht, die zu unkontrollierten Ausfällen der Versorgung führen würde.

Historie[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Umfangreiche Experimente mit Demand Side Management wurden in den Jahren 1980-2000 im Bereich von Stadtwerken gemacht. Ausgehend von den Lieferverträgen mit Ihren Vorversorgern war es vorteilhaft, den Energiebezug im Bereich Strom unter einem mit dem Vorversorger vereinbarten Maximum zu halten, um erhebliche Bereitstellungskosten zu reduzieren bzw. diese niedrig zu halten.

Dazu wurden verschiedene Möglichkeiten genutzt:

  • Sektorkopplung, d.h. Ersatz Stromverbrauch durch z.B. Erdgas oder Öl (Wärmeerzeugung) bei geeigneten Kunden (individuelle Verträge)
  • Spannungsabsenkung (Ohmsche Verbraucher wie Glühbirnen, Backöfen usw.)
  • Einsatz von Spitzenlastkraftwerken wie Gaskraftwerken oder Speicherkraftwerken innerhalb des Stadtwerkenetzes
  • Lastverschiebungen bei Kundengruppen für Nachtstromkunden

Grundlagen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Bezugsprognosen werden auf verschiedenen Spannungsebenen mit unterschiedlichen Zielen gemacht.

Höchstspannung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

ENTSO-E erstellt europaweit viertelstündlich für die Hochspannungsebene eine Übersicht der erwarteten Lasten (Lastflussrechnung) der nächsten Viertelstunden und weist gegebenenfalls Kraftwerke zur Energieerzeugung an. Dabei wird auf statistisch ermittelte Verbrauchswerte zurückgegriffen und bekannte Schaltmaßnahmen berücksichtigt. Dabei wird in der Regel sichergestellt, dass in dieser Spannungsebene keine Überlastungen oder Leistungsdefizite vorliegen.

Hoch- und Mittelspannung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

In vielen Teilnetzen dieser Spannungsebenen werden, aufbauend auf den Schnittstellen zur Höchstspannungsebene, ebenfalls Lastflussrechnungen durchgeführt, um die Lastverteilung und potentielle Engpässe zu erkennen. Abhängig von den aktuellen Schaltzuständen (z.B. wegen Umbauarbeiten oder aufgetretenen Schäden). Mit der zunehmenden dezentralen Netzeinspeisung durch lokale Kraftwerke (größere PV, Biogas-Anlagen, ...) einerseits und zusätzliche Energieverbraucher wie Nachtspeicherheizungen und E-Mobilen steigt seit 2023 das Risiko, dass Teile des vorhandenen Leitungsnetzes überlastet werden.

Niederspannung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Das Niederspannungsnetz, manchmal auch als 400V-Netz, 1kV-Ebene oder Lichtnetz bezeichnet, ist das Netz, an das unser Hausnetz angeschlossen ist. Zwischen Hausnetz und Niederspannungsnetz liegen Sicherungen und natürlich auch die Zähler, über die der Stromverbrauch abgerechnet wird.

Unsere Computer, Fernsehgeräte, Lampen, Bohrmaschinen und andere Haushaltsgeräte sind im Hausnetz angeschlossen.

Dort werden aber (in Haushalten) auch die PV auf dem Dach, das Balkonkraftwerk oder Wärmepumpe, Nachtspeicherheizung bzw. Wallbox angeschlossen.

Während die drei letztgenannten größere Verbraucher sind, gehören die Balkonkraftwerke und Dach-PV zu den Erzeugern. Die Leistungen, die durch sie erzeugt oder verbraucht werden, sind deutlich höher, als bei der Planung der Niederspannungsnetze angenommen wurde und können daher zu zeitlich und räumlich begrenzten Lastspitzen führen

Last und Bezug[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Unter Last wird normalerweise die Belastung einer Komponente im Stromnetz (Erd- oder Freileitung, Transformator, Schalter oder Sicherung) durch den hindurchfließenden Strom verstanden; der Bezug hingegen ist, was die angeschlossenen Verbraucher (z.B. Lampen und Motoren) tatsächlich verbrauchen. In der Vergangenheit waren beide Begriffe austauschbar und nummerisch fast identisch, weil der vom Endgerät bezogenen Strom auch eine entsprechende Last im Stromnetz aller Spannungsebenen verursachte. Mit dem Aufkommen lokaler Erzeugungseinheiten (PV auf Hausdächern und Balkonkraftwerke) in der Niederspannungsebene ändert sich dies, es ergibt sich eine Differenz zwischen der Last im Netz und dem Bezug der Endgeräte. Dies führt unter anderem dazu, dass die bewährten Werkzeuge zur Bezugsprognose[1] nicht in gleicher Form für die Lastprognose mehr genutzt werden können.

Tagesübliche Spitzen im Bezug können durch hohe Sonneneinstrahlung (über-) kompensiert werden, nächtliches Stromangebot, das in der Vergangenheit zu günstigeren Preisen verkauft wurde, könnte sich durch Wegfall von nicht mehr rentablen, grundlasterzeugenden Kraftwerken verteuern.

Anforderungen des Demand Side Managements[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Beim Demand Side Management versucht man die Last im Stromnetz so zu beeinflussen, dass keine Netzkomponenten überlastet werden und die Bezugswünsche der Endkunden möglichst vollständig erfüllt werden (d.h. der Umsatz maximiert wird). Ist die Bedarfsdeckung nicht möglich, verlangt der Gesetzgeber in Deutschland eine diskriminationsfreie Lösung (siehe auch Redispatch).

Das erfordert eine Prognose der Lasten im Stromnetz (day-ahead und intraday), was historisch typischerweise einer nummerisch äquivalenten, leicht feststellbaren und relativ zeitlich stabilen Bezugsprognose gleichkam.

Durch die sich stark ändernde Anzahl von PV-Anlagen und Wärmepumpen im Niederspannungsnetz und deren zeitlich stärker schwankende Einspeisung bzw. Bezug wird heute die Prognose erheblich schwieriger und zugleich für erheblich mehr Punkte im Netz relevant. Zudem treten potentielle neue Engpässe (meist im Mittelspannungsnetz) auf, wenn vor Jahrzehnten verlegte Kabel und Freileitungen nicht mehr dem aktuellen Ausbauzustand der versorgten Gebiete entsprechen.

Daten[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Für eine Prognose der Zukunft werden Daten über relevante Einflussgrößen und deren zeitlichen Verlauf in der Vergangenheit benötigt. In der Vergangenheit wurden diese Daten aus den fernübertragenen elektronischen Aufzeichnungen von Messgeräten in der Mittelspannungs- und Hochspannungsebene gewonnen. Die zeitlichen Profile waren bekannt und ließen sich relativ leicht für die Zukunft extrapolieren.

Neue, größere Einspeisungen auf der Mittelspannungsebene (PV, Windkraft, Biogasanlagen, BHKW, usw.) lassen sich relativ leicht zusätzlich erfassen und nahezu in Echtzeit verarbeiten.

Auf der Niederspannungsebene erwartet die BNetzA laut Netzentwicklungsplan NEP, Stand 2023, Tabelle 3 in den nächsten Jahren ca 67 GWh an Speicherkapazitäten im Zusammenhang mit hauseigenen PV-Anlagen ('Kleinbatteriespeicher'). Deren Einfluss ist mangels entsprechender Datenübertragungen (und unabhängig von Datenschutzgründen) nicht einfach bestimmbar, so dass die beobachteten Lastwerte und Verbrauchswerte auseinander klaffen.

Mit der Änderung der gesetzlichen Regelungen für 'Mieterstrom'[2] von Ende 2023 ändern sich die Randbedingungen erneut, so dass unklar ist, inwiefern bisherige Prognosekonzepte beibehalten werden können.

Verlässlichkeit der Prognoseverfahren[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Bei den Prognoseverfahren spielt der zeitliche Horizont (für wie lange will ich Werte vorhersagen) eine wesentliche Rolle, je kürzer das Prognoseintervall ist, umso besser ist die Genauigkeit der Prognose (Wetterbericht für heute Nachmittag ist wesentlich verlässlicher als der für nächsten Weihnachtsabend).

ARMA-Modelle haben sich als Basis für Lastprognosen bewährt, erreichen aber auf rein statistischer Grundlage keine ausreichende Genauigkeit, da es eine Vielzahl von Einflussfaktoren gibt, deren genaue Auswirkungen statistisch kaum zu ermitteln sind (zu wenig Daten bzw. Daten nicht sicher messbar).

Mit der zunehmenden Verbreitung von SCADA-Systemen in der Netzleittechnik ergab sich die Möglichkeit die hsitorischen Daten mit aktuellen Messungen zu Verknüpfen und damit die Prognosegenauigkeit deutlich zu erhöhen.

Möglichkeiten des Demand Side Managements (DSM)[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die Möglichkeiten des DSM sind dadurch eingeschränkt, dass man nicht einfach Verbraucher abschalten und damit den Bezug reduzieren kann, weil dies vielerlei, auch rechtliche Konsequenzen haben kann. Also versucht man, dem Verbraucher möglichst geringe Einschränkungen aufzuerlegen, idealerweise so, dass er dies gar nicht bemerkt (und keinen Schaden davon hat).

Das erfordert allerdings irgendeine Form der Kommunikation zwischen der Entscheidungsinstanz und den Geräten beim Verbraucher, die beeinflusst werden sollen. Im einfachsten Fall ist das ein Sender beim Entscheider, ein Übertragungsmedium und ein Empfänger beim Verbraucher (wie z.B. Radio, Fernsehen oder Rundsteuertechnik oder an das Internet angeschlossene Geräte).

Die meisten Nachtspeicherheizungen verfügen seit Jahrzehnten über integrierte Rundsteuerempfänger, die anderen genannten Geräte (wie Wallboxen und Wärmepumpen) jedoch (noch) nicht.

Rundsteuerung und Internet sind zwei Medien, die schnell genug sind, um kurzfristig (binnen weniger Minuten) Maßnahmen auslösen zu können (was wegen des geringen Prognosehorizontes notwendig ist).

Quellen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Anforderungsprofil/Lastenheft "Netzleitsystem" der Stadtwerke Schwäbisch Hall, ausgefertigt durch Ing. Büro E.Klein (1989)
  1. https://link.springer.com/chapter/10.1007/978-3-031-27852-5_14, Werkzeuge zur Bezugsprognose
  2. https://www.heise.de/news/EEG-Novelle-Bundestag-stimmt-fuer-mehr-Mieter-und-Solarstrom-4992449.html, EEG-Novelle Bundestag stimmt für mehr Mieter- und Solarstrom