Boris Weisfeiler

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Boris Weisfeiler (* 19. April 1941 in Moskau; vermutlich verstorben in Chile) war ein russischstämmiger US-amerikanischer Mathematiker, der seit 1985 in Chile verschollen ist.

Leben

Weisfeiler promovierte (Kandidatentitel) 1970 am Steklow-Institut in Sankt Petersburg bei Ernest Borissowitsch Winberg. Er wanderte 1975 in die USA aus, nachdem seine Karriere wegen seiner Weigerung eine Petition gegen einen Kollegen zu unterschreiben, blockiert wurde. Er war zunächst 1975/76 am Institute for Advanced Study bei Armand Borel und später Professor an der Pennsylvania State University. Seit 1981 war er US-amerikanischer Staatsbürger. Als Mathematiker veröffentlichte er über 30 Arbeiten insbesondere zu algebraischen Gruppen. Mehrere mathematische Konzepte und eine Vermutung sind nach ihm benannt.

Weisfeiler war ein erfahrener Outdoor-Aktivist (er verließ die Sowjetunion über Sibirien zu Fuß) und brach Ende Dezember 1984 allein zu einer Bergwanderung in den chilenischen Anden auf. Dort verschwand er am 5. Januar 1985 in der Nähe des ausgedehnten Geländes der Colonia Dignidad. Chilenische Polizisten behaupteten, er sei ertrunken. Weisfeiler, der kaum Spanisch sprach, hatte einen Schafhirten nach dem Weg gefragt und ihm sein Ziel auf der Karte gezeigt, ein Ort nahe dem Südeingang der Colonia. Ein Bruder des Schafhirten sah ihn kurze Zeit später und benachrichtigte die Militärpolizei, die eine Patrouille ausschickte. Diese fand nach eigenen Angaben, die von US-Konsularbeamten später vor Ort überprüft wurden, einen Rucksack und Fußspuren in der Nähe eines Flusses und schlossen, dass er beim Versuch der Überquerung ertrunken war.

Bis heute wird aber Gerüchten nachgegangen, dass die Colonia Dignidad, in der nachweislich Regimekritiker in Zusammenarbeit mit der chilenischen Geheimpolizei gefoltert wurden, bei seinem Verschwinden eine Rolle spielte. Nach Unterlagen des US-Außenministeriums gibt es Aussagen ehemaliger Bewohner der Colonia Dignidad, die ihn noch mehrere Jahre nach seinem Verschwinden dort gesehen haben wollen. Es ist vermutet worden, dass er unter dem Verdacht, ein sowjetischer oder israelischer Spion zu sein, von einer Militärpatrouille verhaftet wurde, die ihn in die Colonia Dignidad brachte, wo er ermordet wurde. Menschenrechtsaktivisten in den USA um Weisfeilers Schwester Olga (sie ist in die USA eingewandert) versuchen bis heute sein Schicksal aufzuklären. 2006 forderten sie in einem offenen Brief, der von 27 US-Kongressabgeordneten und US-Senatoren unterzeichnet wurde, von Michelle Bachelet (der chilenischen Präsidentin vom 11. März 2006 bis zum 11. März 2010), Aufklärung. Olga Weisfeiler traf Bachelet 2006 in Washington, D.C. auch persönlich.

Am 25. August 2012 meldete die TAZ:

„Am Mittwoch ordnete der chilenische Richter Jorge Zepeda die Verhaftung von acht ehemaligen Polizisten und Militärs an. Zepeda, bekannt als hartnäckiger Ermittler für Menschenrechtsverbrechen während der Pinochet-Diktatur von 1973 bis 1990, hat gegen die acht ein Verfahren wegen Entführung und Bildung einer kriminellen Vereinigung eingeleitet. Für den Richter ist Weisfeilers Verschwinden ein "gewaltsames Verschwindenlassen" und somit ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit, das nicht verjährt.

Die Polizisten hatten damals angegeben, Weisfeiler wegen seiner Militärkleidung für einen illegal eingereisten Extremisten gehalten zu haben, der sich in Chile verstecken wolle. Deshalb hätten sie ihn gefangen, festgenommen und dies zunächst verheimlicht. Später gaben die Militärs an, Weisfeiler sei bei der Durchquerung eines Flusses ertrunken, an dessen Ufer sie Spuren von ihm gefunden hatten.[1]

Olga Weisfeiler (2012 68 Jahre alt) zeigte sich glücklich über die richterliche Entscheidung. Es sei der erste wirkliche Schritt zur Aufklärung des Schicksals ihres Bruders.[1]

Werke (Auswahl)

  • Strong approximation for Zariski-dense subgroups of semisimple algebraic groups. Ann. of Math. (2) 120 (1984), no. 2, 271–315.
  • mit Matthews, Vaserstein: Congruence properties of Zariski-dense subgroups. I. Proc. London Math. Soc. (3) 48 (1984), no. 3, 514–532.

Weblinks

Quellen

  1. a b taz.de: Lichtstrahl nach 27 Jahren Verdunklung in Chile, abgerufen am 24. November 2012