Bullenstander

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Dies ist eine alte Version dieser Seite, zuletzt bearbeitet am 11. Oktober 2016 um 11:39 Uhr durch Ambross07 (Diskussion | Beiträge) (Linkfix, Kleinkram mit AWB). Sie kann sich erheblich von der aktuellen Version unterscheiden.
Zur Navigation springen Zur Suche springen
Bullenstander (rot) einer Segelyacht
Gesetzte Bullentalje an einer Segelyacht

Als Bullenstander wird beim Segeln eine Sicherungsleine bezeichnet, die eine Patenthalse (plötzliches, unkontrolliertes Umschlagen des Baums auf die andere Schiffseite) verhindern soll.

Geschichte

Um die Herkunft des Begriffs, seltener wird auch kurz Bulle verwendet, rankt sich viel Seemannsgarn. Seine tatsächliche Herkunft ist unklar. Die Namensgebung „Bullenstander“ dürfte eine Verballhornung des niederdeutschen Wortes „Bulien“ sein, das genau für die beschriebene Funktion steht. Bulien kommt wohl seinerseits von dem engl. Begriff „Bowline“, die dazu benutzt wurde, um auf Rahseglern den Brassen entgegenzuwirken, also wiederum die beschriebene Funktion zu erfüllen.[1]

Verwendung

Auf Segelyachten wird ein Bullenstander meist nur bei Vorwind-Kursen eingesetzt, auf denen die Gefahr einer Patenthalse am größten ist. Am Großbaum – meist an dessen Nock – wird dazu eine Leine befestigt und auf dem Vorschiff belegt. Sie kann auch auf dem Vorschiff umgelenkt und zurück in die Plicht geführt werden, um von dort bedient zu werden.

Auf großen Segelschiffen wird hingegen meist nur auf Am-Wind-Kursen auf einen Bullenstander verzichtet. Aufgrund der erheblich höheren Kräfte wird eine Talje („Bullentalje“) benutzt. Eine Seite des Bullenstanders wird am Baum, die andere an einem stabilen Decksbeschlag oder Ausrüstungsteil vor dem Baum angeschlagen.

Vor jedem Manöver muss der Bullenstander gelöst werden.

Als Sicherheitsausrüstung

Das Gefahrenpotential bei einer Patenthalse ist für Mannschaft und Schiff nicht nur bei Starkwind beträchtlich. Auch bei schwachen Winden entfaltet der umschlagende Baum große Kräfte. Immer wieder kommt es dabei zu schweren und schwersten Verletzungen, wenn eine Person vom umschlagenden Baum getroffen wird, teils mit tödlichem Ausgang. Häufige Folgen sind schwere Prellungen, Rippenbrüche, Schädelbruch, Über-Bord-gehen. Durch die auftretenden hohen Kräfte kann eine Patenthalse auch zu Schäden am Rigg des Schiffes führen. Besonders gefährdet sind die Schotbefestigungen und das Lümmellager, und in der Folge des dann mit großer Wucht nach vorne schwingenden Baumes auch die Wanten, die nicht für solche Querbelastungen dimensioniert sind. Wenn infolgedessen Wanten brechen wird der Mast ungenügend gehalten, der dann seinerseits brechen kann.

Diese Gefahren kann ein Bullenstander verhindern.

In der Segelliteratur und von der Bundesstelle für Seeunfalluntersuchung (BSU) wird der Einsatz eines Bullenstanders als Sicherheitseinrichtung empfohlen.[2] Die dadurch gewonnene Sicherheit überwiegt die Risiken deutlich.

Der Bullenstander ist für eine kleine Crew oder Einhandsegler und für Segelanfänger ein unverzichtbarer Bestandteil der Sicherheitsausrüstung auf dem Segler. Der Bullenstander wird geführt von der Großbaumnock nach vorne zum Vorschiff zu einer Umlenkrolle in Höhe der vorderen Belegklampen, von dort aus zu einer weiteren Umlenkrolle auf der anderen Schiffseite und von dort zurück in den Cockpit-Bereich. So hat man eine umlaufende Leine, die den Großbaum auf achterlichen Kursen einerseits fixiert, andererseits auch vom Cockpit aus mit einem Handgriff gelöst werden kann, wenn der Kurs gewechselt wird. Wichtig ist das leichte und sichere Erreichen der Belegung zum Loswerfen im Manöverfall auch bei unruhiger Yacht. Die Gefahr einer „Manövrierunfähigkeit“ wegen belegtem Bullenstander ist damit nicht gegeben. Der Bullenstander gehört zum Standard auf allen halbwegs sicher ausgerüsteten kleinen bis mittleren Segelyachten.

Argumente gegen Bullenstander

Einige „Gegner“ des Bullenstanders auf kleineren Seglern weisen hingegen darauf hin, dass der Bullenstander vor einem Segelmanöver gelöst werden muss – unter Bullenstander ist ein Schiff daher nicht unmittelbar voll manövrierfähig. Wenn von der Schiffsbesatzung vergessen wird, den Bullenstander vor einem Manöver zu lösen, kann das Manöver misslingen, wodurch in kritischen Momenten (beispielsweise bei Mann über Bord) schwerwiegende Zeitverzögerungen entstehen. Der Bullenstander kann in der Regel allerdings in relativ kurzer Zeit losgeworfen werden, sofern er bis in die Plicht geführt worden ist.

Endloser Bullenstander

Beim endlosen Bullenstander wird das eine Ende einer kräftigen Leine von ca. doppelter Bootslänge von der Grossbaumnock über einen oder zwei auf dem Vorschiff befestigte Wirbelblöcke auf der anderen Bootsseite wieder zurück ins Cockpit geführt, jeweils außen um die Wanten herum, und das andere Ende wiederum an der Baumnock befestigt. Das Dichtholen des Bullenstanders und dessen Belegen erfolgt jeweils auf der luvseitigen, unbenutzten (Spi-/Genua-)Winsch.

Vorteile:

  • Bedienung aus dem sicheren Cockpit möglich; es muss kein Crewmitglied aufs Vorschiff
  • Im Falle einer Patenthalse kann der Bullenstander schneller und gefahrenloser gelöst werden
  • Der endlose Bullenstander kann bereits bei ruhigem Wetter angeschlagen werden und wird bei Nichtgebrauch hinter dem Baumniederholer mit einem Bändsel auf Slip am Großbaum gebrauchsfertig festgemacht.

Weblinks

Wiktionary: Bullenstander – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen

Einzelnachweise

  1. C.S. Forester: die Hornblower-Saga. Dort gibt es im englischen Original die Beschreibung der Bowline. Die deutsche Übersetzung des Krüger-Verlags nennt dieses Tau „Bulien“. Zu Bulien: Richard Wossidlo: „Reise, Quartier in Gottesnaam. Das Seemannsleben auf alten Segelschiffen im Munde alter Fahrensleute“, von Hinstorff-Verlag Rostock 1952.
  2. Unfallbericht der Bundesstelle für Seeunfalluntersuchung