Codex Ur-Nammu
Der Codex Ur-Nammu (für alternative Bezeichnungen siehe: Ur-Nammu) ist die älteste schriftlich überlieferte Rechtssammlung. Sie ist in sumerischer Sprache abgefasst und ca. 2100 v. Chr. im Auftrage des Königs Ur-Nammu von Ur (Mesopotamien) oder seines Sohnes Schulgi entstanden.[1] Die Bezeichnung als Codex Ur-Nammu ist moderner Art, die Rechtssammlung stellt kein kodifiziertes Recht in diesem Sinne dar.
Quellenlage
Erhalten sind insgesamt 5 altbabylonische Abschriften, gefunden in den Städten Nippur, Ur und Sippar. Es ist keine vollständige Abschrift vorhanden, 3 der Quellen überlappen sich jedoch und machen eine teilweise Rekonstruktion des Codex möglich. Die Quellen gehören aber zu unterschiedlichen Versionen (Spaltenbreite, Textvariante) und gehen deshalb höchstwahrscheinlich auf unterschiedliche Originale zurück, vermutlich auf Inschriften in Tempeln und auf Stelen.
Strukturierung
Folgt man der Rekonstruktion von Altorientalist Claus Wilcke ist der Codex folgendermaßen strukturiert:
- Weihinschrift der Statue oder Stele
- Legitimation des Herrschers, sowohl durch göttliche, als auch durch außen- und innenpolitische Erfolge
- Inkraftsetzung der Gesetze: Fest zur Einweihung, Gleichheit der Bürger, Selbständigkeit des Herrschers bei der Festsetzung
- Gesetze, kasuistisch, in Form von wenn-dann-Sätzen; wenigstens 40 Paragraphen (moderne Zählung) sind erhalten
- Fluch zum Schutz der Inschrift vor Tilgung
Inhalt der Gesetze
Aufgrund der unvollständigen Überlieferung ist der Gesamtumfang des Codex unbekannt, erhalten sind wenigstens 40 Paragraphen. Die innere Struktur der Rechtssammlung folgt weitgehend dem Assoziationsprinzip beziehungsweise dem Talionsprinzip. Es werden grundsätzlich zwei Klassen von Menschen unterschieden: der Bürger/die Bürgerin (lú) und der Sklave/die Sklavin (arad/géme). Die einzelnen Gesetze werden in Form von wenn-dann-Sätzen dargestellt. Behandelte Themen sind, im Wesentlichen in dieser Reihenfolge:
|
|
|
Die Kapitalverbrechen Mord, Raub, Ehebruch und Vergewaltigung werden mit dem Tode bestraft, bei Anschuldigung der Hexerei wird ein Flussordal durchgeführt. Alle anderen Strafen sind Geldstrafen. Spezielle Gesetze zum Wasserdiebstahl, Vernachlässigung des Grundstücks usw. erklären sich aus den klimatischen Gegebenheiten Mesopotamiens, u. a. Wasserknappheit und der hauptsächlich auf Ackerbau basierenden Wirtschaft.
Beispiel
- tukum-bi lú ba-úš dumu-nita nu-un-tuku dumu-mí dam nu-un-tuku-a ibila-a-ni ḫé-a = Wenn jemand stirbt und keinen Sohn hat, dann soll eine unverheiratete Tochter zu seiner Erbin gemacht werden.
Literatur
- Martha Tobi Roth: Law Collections from Mesopotamia and Asia Minor. Writings from the Ancient World. vol 6. Society of Biblical Literature, 1995, ISBN 0-7885-0126-7
- Claus Wilcke: Der Kodex Urnamma (CU): Versuch einer Rekonstruktion. In: Zvi Abusch (Hrsg.): Riches hidden in secret places: ancient Near Eastern studies in memory of Thorkild Jacobson, Winona Lake 2002, S. 291-333, ISBN 1-57506-061-2