Die Freude am Leben (Tankred Dorst)

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Die Freude am Leben ist ein Gegenwartsdrama von Tankred Dorst, das am 12. Januar 2002 unter der Regie von Harald Clemen im Schauspiel Bonn uraufgeführt wurde.[1]

Wer hat Elfie Steinheuer umgebracht? Etliche Männer am Ort der Handlung, einer Kleinstadt[2], hatten sich für die Ehefrau des Wasserwerk-Direktors Ernst Steinheuer stark interessiert. Das nebulös gezeichnete Zeitgemälde gibt als literarisches Kunstwerk eine kriminalistische Aufklärung der Gewalttat naturgemäß nicht her.

Inhalt

Ernst Steinheuer wartet mit seiner zehnjährigen Tochter Beatrix auf das Ende der Chorprobe zu Haydns Oratorium „Die Schöpfung“. Beatrix kann nicht singen. Steinheuer behauptet, diese Eigenschaft habe sie von ihm geerbt. Das erweist sich als eine von Steinheuers Notlügen. Als er später Elfies Großmutter aufsucht, kommt heraus, Steinheuer ist gar nicht Beatrixens Vater.

Als die Zeit des Wartens vor der Saaltür ein Ende hat, bekommen die beiden Steinheuers von dem heraustretenden Chorsänger Elmar Griebel gesagt, Elfie sei bereits zusammen mit dem Chirurgen und Chorsänger Dr. Harry Hallwachs auf und davon. Nur der Zuschauer erfährt in den nächsten beiden Szenen, Elfie hat mit dem Mediziner ein Techtelmechtel. Darauf verschwindet die mannstolle Frau Steinheuer mit dem schnauzbärtigen Karl Holzer im Wald. Auf der Suche nach seiner Gattin trifft Steinheuer im Restaurant „Blauer Bär“ auf ein paar Mitglieder des Chores. Diese heucheln Verwunderung und bringen das Gespräch auf zwei Schwerenöter – den Dichter Hermann Dechant und den Kellner Bruno. Dechant publiziere prinzipiell nichts. Es geht das Gerücht um, der Dichter habe eine seiner letzten Geliebten umgebracht. Und der Kellner Bruno habe sich an einsamen Damen bereichert und sitze dafür.

Als Steinheuer endlich seine läufige Frau nachts auf der Straße doch noch entdeckt, hagelt es Ohrfeigen. Elfie wehrt sich nicht und meidet künftig ihr Zuhause. Dabei müsste die zweifache Mutter, die früh ihre Eltern verloren hatte, sich neben Beatrix noch um den kleinen Sohn Benni kümmern.

Wie gesagt – Elfie kann es nicht lassen. Steinheuer stöbert seine Frau in Dechants Wohnung auf. In der nächsten Szene geht es mit den Männerwechsel munter weiter. Rechtsanwalt Dr. Neuner hatte Elfie – vermutlich auf der Chorprobe – seinen Wohnungsschlüssel zugesteckt. Natürlich rennt die Paarungsbereite hin zu dem Tête-à-tête. Der Jurist wird während des kleinen Rendezvous handgreiflich.

Als Nächsten sucht Elfie den kultivierten Herrn Griebel heim. Die Ehe der eleganten Hanna Griebel ist kaputt. Die Frau trinkt bis zum Umfallen. Elfie lacht sich halb tot, als Hannas Ehemann Elmar nackt vor ihr steht.

Dem nicht genug. Die Nacktrevue läuft weiter. Elfie – inzwischen angetrunken – sucht Dechant erneut auf und zieht sich in dessen Wohnung nackt aus. Dechant schickt die Frau weg. Beim hastigen Anziehen vergisst sie einen ihrer Schuhe. Sie will nach Nürnberg. Auf dem Bahnhof lässt Elfie den Zug nach Nürnberg abfahren und begegnet dem wieder ordentlich bekleideten Elmar Griebel. Freilich hatte sie auch mit diesem Herrn eine Beziehung und fordert eine größere Summe Geldes. Griebel rückt nichts heraus und folgt ihr. Am nächsten Morgen stellt sich das oben genannte Tötungsdelikt heraus. In der Stadt wird Mord vermutet.

Steinheuer gibt die Tat zu und trifft in der Haftanstalt auf Bruno. Dem Kleinstadt-Gerede nach erscheinen jedoch andere aus der Verdächtigenschar wesentlich verdächtiger als der Ehemann; zum Beispiel Dechant und Griebel. Es müsste nach dem Verbleib des zweiten Schuhs geforscht werden.

Form

Der Reigen gutsituierter Bürger, die mit Elfie geschlechtlich verkehren beziehungsweise Geschlechtsverkehr hinter sich haben, macht das Stück ziemlich unübersichtlich. Aus den Versatzstücken ergibt sich – wenn überhaupt – erst gegen Ende der Vorstellung ein vages Bild. Diese Behauptung lässt sich mit dem Beispiel Elmar Griebel illustrieren. Der Herr muss letzterer der beiden soeben genannten geschlechtsverkehrenden Männergruppen beigeordnet werden. Tankred Dorst teilt den Beruf des „schmalen, farblosen Menschen“[3] nicht mit. Das Ehepaar Griebel gehört zu den feinen Leuten jener Kleinstadt. Frau Griebel tritt in der sechsten der 27 Szenen korrekt gekleidet, sorgfältig geschminkt und mit Perlenkette in Erscheinung. Nicht nur Frau Griebel ist mit ihrem Ehemann unzufrieden. Elfie hat Griebels tadellos geschnittenes Jackett absichtlich mit Rotwein bespritzt. Die Absicht Elfies erfährt nur der ganz aufmerksame Zuschauer und zwar erst in der Szene 19 – nachdem eine Reihe anderer Verehrer Elfies den normalen Zuschauer gehörig verwirrt haben: Elfie verlangt für den Geschlechtsverkehr Geld (siehe oben unter Punkt „Inhalt“).

Die eingeblendeten kurzen Passagen aus Haydns „Schöpfung“ belegen, der Titel ist ironisch gemeint. Als Elfie von dem Gatten für ihr Streunen mit Ohrfeigen abgestraft wird, erschallt gleich der Chor:

„...Denn er hat Himmel und Erde
Bekleidet in herrlicher Pracht!.“[4][5]

Dorst und Ehler schreiben dazu: „...das in allen Teilen sinnvoll geordnete Bild der Welt[,] scheint dabei hervor wie ein ferner Traum.“[6]

Die Umgangsformen sind rau und der Ton gleitet gelegentlich ins Ordinäre ab. Elfie gibt die vom Gatten empfangenen Hiebe als Stöße an die eigene Großmutter weiter. Die Bühnenvorkommnisse gipfeln im Absurden. Man erschießt sich reihenweise und ersteht spätestens in der nächsten Szene – einfach so – wieder auf. Lediglich Elfie kommt richtig zu Tode. Überraschend ist auch manches Freizeitverhalten. Die Wohnwelt Dechants soll einen blauschimmernden Kosmos vorstellen und Steinheuer beschäftigt sich nebenher eingehender mit dem Urknall.

Darsteller kommentieren die Zukunft anderer Figuren in der nächsten Szene.

Rezeption

Siehe auch

Tankred Dorst persifliert ZolasDie Freude am Leben“.

Literatur

Textausgaben

Sekundärliteratur

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Verwendete Ausgabe, S. 393, letzter Eintrag
  2. Dorst und Ehler in „text + kritik“, S. 3, 7. Z.v.o.
  3. Verwendete Ausgabe, S. 305, 4. Z.v.o.
  4. Verwendete Ausgabe, S. 311, 3 Z.v.o.
  5. Die Schöpfung, 1. Teil, Nr. 10
  6. Dorst und Ehler in „text + kritik“, S. 3, 10. Z.v.o.