Die Mars-Chroniken

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Die Mars-Chroniken (im englischen Original: The Martian Chronicles) ist ein Buch des US-amerikanischen Schriftstellers Ray Bradbury. Es erschien 1950 im Verlag Doubleday. Das Buch ist eine in Romanform gebrachte Zusammenstellung von Kurzgeschichten, von denen einige schon zwischen 1946 und 1950 in diversen SF-Magazinen erschienen waren. Die deutsche Erstausgabe erschien 1972 in der Übersetzung von Thomas Schlück im Marion von Schröder Verlag. Die Mars-Chroniken gelten als Klassiker der Science Fiction.

Inhalt

Die Mars-Chroniken beschreiben eine fiktive Kolonisierung des Planeten Mars in den Jahren 1999 bis 2026. Drei Phasen können unterschieden werden: Erst kommen die Raumfahrer zu Erkundungsmissionen. Dann versuchen die ersten Pioniere Fuß zu fassen, bis der Mars soweit hergerichtet ist, dass später Außenseiter auf den Mars auswandern und Senioren dort ihren Lebensabend verbringen wollen. Schließlich veranlassen Kriegswirren auf der Erde die Marsbewohner, den Planeten zu verlassen, bis später die letzten Überlebenden eines Atomkriegs auf dem Mars Zuflucht suchen. Die Kolonisierung des Mars wird mit starken Parallelen zur Eroberung von Amerika nach der Entdeckung durch Kolumbus erzählt.

Januar 1999 bis April 2000: Verschiedene Raumfahrtmissionen machen sich auf den Weg zum Mars. Ihre Besatzungen verschwinden spurlos. Sie treffen auf Marsianer, die sich der Erdlinge auf teils kuriose Weise entledigen.

Der Marsianer Yll erschießt aus Eifersucht zwei Raumfahrer der ersten Mission: Seine Frau Ylla hatte mit ihren telepathischen Fähigkeiten die Mission herankommen sehen und Yll erzählt, wie der Missionskommandant sie küsste.

Auf dem Mars gibt es eine Geisteskrankheit, die sich darin äußert, dass der Erkrankte Trugbilder erschafft. Der Kommandant der zweiten Mission wird als vermeintlich Erkrankter in eine Nervenheilanstalt eingewiesen, wo ihn der behandelnde Arzt zu seinem Wahnsinn beglückwünscht, da der Kommandant sowohl ein Raumschiff als auch eine Besatzung "erschaffen" kann. Der Arzt tötet den offenbar unheilbar Kranken, als die Besatzung nicht verschwindet, erschießt er diese auch und anschließend sich selbst, im Glauben, ebenfalls infiziert zu sein.

Die dritte Marsmission wird von den Marsianern aktiv bekämpft. Die 16 Männer landen in einem Gelände, das einer amerikanischen Kleinstadt aus dem Jahr 1926 entspricht. Zunächst müssen sie sich zurechtfinden und klären, ob sie irrtümlich wieder auf der Erde gelandet sind, ob sie eine Zeitreise gemacht haben oder ob es schon früher heimliche Marsmissionen gab, deren Besatzung sich hier eine zweite Erde geschaffen hat. Noch bevor sie weitere Schlüsse ziehen können, trifft jeder der Besatzungsmitglieder in der Kleinstadt einen längst verstorbenen Verwandten oder Bekannten wieder, der ihn einlädt und bei dem er übernachtet. Die Kleinstadt ist jedoch eine Halluzination, geschaffen von den Marsianern aus den Erinnerungen und Wünschen der Erdlinge. Kein Mensch überlebt die Übernachtung.

Juni 2001: Die 20 Mann der vierten Expedition finden eine zusammengebrochene Mars-Zivilisation vor. Die Städte sind verlassen, in einigen liegen Tausende tote Marsianer. Der mitreisende Arzt macht die Todesursache aus: Windpocken. Eine der vergangenen drei Expeditionen muss diese Kinderkrankheit eingeschleppt haben. Dem Archäologen Jeff Spender missfällt das Benehmen seiner Kollegen: Die Mars-Zivilisation muss sehr friedfertig gewesen sein, und seine Kollegen benehmen sich wie Barbaren. Er befürchtet, dass die Menschen zwar auf dem Planeten Mars ein neues Leben beginnen wollen, trotzdem aber alle Probleme mitbringen, bis hin zu Gewalt und Krieg. Spender vertieft sich in die Hinterlassenschaften der Marsianer: ihre Kunst, Musik, Literatur. Er will die Ankunft der Menschen verzögern. Es kommt zur Konfrontation mit der Besatzung. Spender erschießt einige Besatzungsmitglieder, darunter Cherokee, einen Mann indianischer Abstammung. Von ihm erhoffte er vergeblich Verständnis für seine Befürchtungen: dass die Menschen sich anschicken, den Mars zu erobern wie bei der Kolonialisierung Amerikas. Kommandant Wilder, der durchaus Verständnis für Spender hat, erschießt ihn letztendlich doch.

August 2001 bis Februar 2002: Die ersten Siedler rücken auf dem Mars vor. Sie verwandeln den Marsboden in grüne Wiesen und Wälder – Setzlinge und Samen hatten sie dazu von der Erde mitgebracht. Die ersten Bergarbeiterstädte entstehen. Die Menschen richten es sich häuslich ein: 90.000 Menschen bewohnen die Mars-Kolonien.

August 2002: Der Mensch Tomas Gomez und der Marsianer Muhe Ca treffen sich mit ihren Fahrzeugen auf einsamer Strecke. Sie können sich zwar auf Englisch verständigen, doch sie verstehen sich nicht: Bei der Begrüßung mit Handschlag greifen ihre Hände wie durch Nebel durch den Anderen hindurch. Jeder der beiden sieht die eigene Zivilisation noch am Leben und die des Anderen zerstört oder nicht vorhanden. Es ist ein Treffen zweier Zivilisationsangehöriger aus unterschiedlichen Zeiten. Sie möchten einander näher kennenlernen, doch sie wissen, dass dies jenseits ihrer Erfahrungsmöglichkeiten ist.

Oktober 2002 bis Juni 2003: Nach den Siedlern kommen alle möglichen anderen Menschen, überwiegend US-Amerikaner, zum Mars, während auf der Erde Kriege drohen oder ausbrechen. Die Amerikaner kopieren ihre Heimat: Manche Stadt auf dem Mars sieht aus, als läge sie in Iowa. Dann kommen die auf der Erde Ausgegrenzten und Erniedrigten zum Mars: Die Schwarzen wandern aus den USA aus. Zurück bleiben Weiße, die nun die Dienste und Handlangerarbeiten der vormals Erniedrigten selbst machen müssen.

2004–2005: Der Mars wird zum Reiseziel für Wohlhabende. Gesetze und Bürokratie halten Einzug.

William Stendahl ist ein Freund der fantastischen Literatur, die auf der Erde seit 1975 verboten ist. Er lässt sich auf dem Mars ein Spukschloss bauen, in dem fantastische Träume ausgelebt werden können. Doch er wartet nur auf die Behördenvertreter, die das Schloss wieder einreißen werden. Während eines Maskenballs werden alle Gegner der Meinungsfreiheit, Zensoren und Bücherverbrenner sowie der Behördenvertreter von ihm umgebracht. Das Schloss fällt daraufhin zusammen. Das Bücherverbrennen ist ein Verweis auf Ray Bradburys Roman Fahrenheit 451. Weitere Anspielungen gibt es auf Edgar Allan Poe.

Der Mars ist nun so lebensfreundlich, dass auch alte Menschen übersiedeln. Das alte Ehepaar LaFarge verbringt den Lebensabend auf dem Mars und meint, in einem Marsianer ihren auf der Erde gestorbenen Sohn Tom wiederzuerkennen. Der Marsianer nimmt diejenige Gestalt an, die die Menschen in ihm zu sehen wünschen. Als das Ehepaar mit Tom in die Stadt geht, nimmt das Drama seinen Lauf: Jeder sieht in dem Marsianer einen anderen, jeder möchte ihn für sich behalten. Am Ende stirbt der Marsianer abgekämpft.

Die Menschen auf dem Mars hören Gerüchte eines sich ankündigenden Atomkriegs auf der Erde. Manche machen sich bereit, in ihre Heimat zurückzukehren, um den Zurückgebliebenen zu helfen. Sam Parkhill von der Mannschaft der vierten Marsmission betreibt die erste Würstchenbude auf dem Mars. Er macht Bekanntschaft mit Marsianern, die ihm die Landrechte des halben Mars vermachen. Er fühlt sich wie Krösus, erkennt aber, dass ihm das Land nichts bringt: Mit anderen beobachtet er eine brennende Erde am Firmament. Der Atomkrieg ist ausgebrochen. Die Länder der Erde rufen um Hilfe, die Marskolonisten folgen. Der Mars entvölkert sich. Nur eine Handvoll Menschen, die von der Rückreisewelle nichts mitbekommen haben, bleiben zurück.

2026: Mr. Hathaway, der Arzt der vierten Marsmission, vollführt täglich das Ritual, mit Frau und drei Kindern in den Himmel zu starren, ob nicht ein Raumschiff von der Erde kommt. Die Rückreisewelle hat er verpasst. Doch zunächst kommt Captain Wilder von einer 20-jährigen Jupitermission zurück – auch er ohne Nachricht von der Erde. Wilder ist irritiert, da im Gegensatz zu Hathaway Frau und Kinder nicht gealtert sind. Hathaway stirbt an Herzversagen und Wilder bekommt bestätigt, dass die anderen vier Familienmitglieder Androiden sind. Hathaway hatte sich diese gebaut, nachdem seine Angehörigen 2007 an einem Virus gestorben sind. Wilder lässt die Androiden auf dem Mars zurück, die seitdem das tägliche Ritual unablässig fortführen.

Die Zivilisation der Erde wurde durch einen Atomkrieg ausgelöscht. Doch wenige Familien konnten sich mit ihren Raumfähren auf den Mars retten. William Thomas hat die Flucht auf den Mars als Familienausflug getarnt. Auf dem roten Planeten erklärt er sich der Familie: Sie werden nie zur Erde zurückkehren. Die Raumfähre zerstört er. Nun hoffen sie, dass auch die anderen Familien eintreffen. Als die Kinder vom Vater die versprochenen Marsianer gezeigt haben wollen, deutet dieser auf die Spiegelbilder ihrer Köpfe im Wasser. Die Erde ist nicht mehr bewohnbar. Die Menschen auf dem Mars sind nun Marsianer.

Intention

Die Mars-Chroniken machen auf Gefahren aufmerksam, die beim Zusammentreffen verschiedener Kulturen auftreten können und aufgetreten sind. Bradbury zeigt dies in seinem Buch anhand eines Extremfalles, der Konfrontation einer außerirdischen Spezies mit der menschlichen. Das Werk kann als Dystopie angesehen werden.

Jenseits der gegenständlichen Ebene weist das Werk zahlreiche allegorische und symbolische Bezüge auf und stellt letztlich die Abgründe des menschlichen Verhaltens, die Aussichtslosigkeit des Sehnens und Wollens der "Erdenbürger" in teilweise skurrilen, teilweise beklemmenden Bildern dar. Die Marsbewohner scheinen dabei eher Spiegelbilder der Menschen als eine substanziell gänzlich andere Spezies zu sein. Sie treten als selbstständig denkende Wesen wenig hervor, werden von den menschlichen Problemfiguren als Protagonisten eher an den Rand gedrängt. Der Roman ist also ein Roman über die Menschen. So verkörpert der auf dem Mars lebende Erdenmensch Hathaway, der sich nach dem Tod seiner Familie diese in Form von Robotern nachbaut, die Einsamkeit des modernen Menschen, der sich mit immer mehr Technik umgibt, dabei aber immer weniger Nähe erfährt.

Der Mars als Projektionsfläche menschlicher Ausbruchsphantasien gerät gerade zu Beginn der "Mars-Chroniken" zu einer Falle, später immer mehr zur Metapher der Ausweglosigkeit menschlicher Utopie.

Kritik

Auch wenn alles andere, was er geschrieben hat, verschwände, wäre Bradbury allein schon wegen der "Mars-Chroniken" eine wichtige Figur in der Geschichte der Science-Fiction.

Isaac Asimov

Ich glaube, ich habe alles gelesen, was Ray Bradbury je geschrieben hat. Die "Mars-Chroniken" wollte ich verfilmen, seit ich das Buch gelesen habe. Ich bin ein Science-Fiction-Fan. Eigentlich interessieren mich nur übernatürliche und phantastische Geschichten. Das ist meine Religion.

Federico Fellini

Beide zitiert nach Ray Bradbury: Das Weihnachtsgeschenk und andere Weihnachtsgeschichten. Ausgewählt von Daniel Keel und Daniel Kampa, Zürich (Diogenes) 2008, S. 73.

Verfilmung

Das Buch wurde 1979 als dreiteilige Mini-Serie verfilmt. In einer der Hauptrollen war Rock Hudson zu sehen. Gesendet wurde die Serie am 3. April 1983 (Teil 1: The Expeditions - Die Expeditionen), 4. April 1983 (Teil 2: The Settlers - Die Siedler) und 6. April 1983 (Teil 3: The Martians - Die Marsianer) im ZDF. Die deutsche Erstausstrahlung war stark gekürzt[1]. 1992 erschien ein stark gekürzter Zusammenschnitt der Mini-Serie auf Video unter dem Titel Die Reise zum Mars.

In den 80er Jahren sendete das ZDF während der Sendepausen am frühen Nachmittag jeweils einen kurzen englisch- und deutschsprachigen Ausschnitt dieser Serie als Trailer für den neu eingeführten Zweikanalton: Zu sehen war eine Szene mit Maria Schell und die wiederkehrenden Worte ("You are not David - Du bist nicht David"). Am 25. Februar 2011 ist die Serie ungekürzt in Deutschland auf DVD bei Koch Media erschienen.[1]

Da sie erheblich von der Literaturvorlage abwich und diese künstlerisch unbefriedigend umgesetzt wurde, fand sich im Lexikon des Science Fiction Films deutliche Kritik: „Der angeblich mit großem Aufwand produzierte Film krankt zudem an extremer Schlampigkeit: Die Tricks sind kindisch und auf den ersten Blick durchsichtig, die Dekoration einfallslos und lächerlich. Das Verhalten der Charaktere ... ist naiv und unglaubwürdig: Wenn sie nicht gerade platte Dialoge aufsagen, latschen sie wie Schlafwandler herum, werfen aufgesetzt wirkende, verwunderte Blicke um sich und tun so, als könne Grimassenschneiderei Mimik ersetzen. Die mit großen Vorschußlorbeeren bedachte Produktion entpuppte sich als Rohrkrepierer: Ray Bradbury bezeichnete sie als Beleidigung des denkenden Menschen.[2]

Weiteres

In einer englischen Ausgabe aus dem Jahr 1997 ist der Zeitraum der Kolonisation um 31 Jahre auf 2030 bis 2057 verschoben.

Im Juni 2008 erschien im Diogenes Verlag eine revidierte Übersetzung der von Ray Bradbury durchgesehenen und aktualisierten Mars-Chroniken aus dem Jahr 1997. Diese Ausgabe enthält mehrere neue Kurzgeschichten.

Literatur

Weblinks

Einzelnachweise

  1. a b OFDb-Eintrag
  2. Ronald M. Hahn/Volker Jansen: Lexikon des Science Fiction Films. 720 Filme von 1902 bis 1983, München (Heyne) 1983, S. 344.