Doppelhaus Bauknecht & Graeßle

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Doppelhaus Bauknecht & Graeßle, ausgeführter Entwurf.
Doppelhaus Bauknecht & Graeßle auf einer Postkarte (vorne rechts)
Doppelhaus Bauknecht & Graeßle auf einer Postkarte (vorne rechts)

Das Doppelhaus Bauknecht & Graeßle an der Kaiserstraße 33–35 in Heilbronn wurde 1897 für Herrmann Bauknecht und Robert Graeßle nach Entwürfen des Architekten August Dederer erbaut. Der gründerzeitliche Prachtbau wurde an der Stelle des Hauses des verstorbenen Geistlichen Heinrich Ludwig Münster und der Offizin des Buchdruckers Johann Christian Leucht erbaut, von denen die alten Keller erhalten blieben.[1]

Das Prachtgebäude wurde im Zweiten Weltkrieg zerstört. Seit der Zeit des Wiederaufbaus befindet sich an der Stelle des Hauses 33 ein für das Schuhhaus Walch erbautes Gebäude, während auf der Stelle des Hauses 35 heute der zweigeschossige Vorbau der denkmalgeschützten Dresdner Bank zu finden ist.

Geschichte[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Vor der Umgestaltung der Kaiserstraße zur Durchgangsstraße 1897 hatte das Anwesen an der Kaiserstraße 33–35 die Adressen Präsenzgasse 5 und 3 getragen. Bei der Häuserzählung 1855 erhielten sie die Nummer 879 (Offizin des Buchdruckers Johann Christian Leucht) und 880 (Haus des Heinrich Ludwig Münster).

Haus des Heinrich Ludwig Münster (1723)[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Heilbronn, 1723 Haus von H.L. Münster.

Der einst dort befindliche Bau war das Haus des Geistlichen Heinrich Ludwig Münster (* 5. Dezember 1662 in Flein; † 5. März 1723 in Heilbronn),[2] danach das Gasthaus Der Ritter.[3][4] Heinrich Ludwig Münster war ein Ururenkel des Stammvaters der Heilbronner Münster-Familie, die mehr als 150 Jahre in Heilbronn und seinen reichsstädtischen Dörfern die Pfarrstellen besetzte. Heinrich Ludwig wurde als Sohn von Johann Ludwig Münster und seiner Frau Agnes Dorothea, gebürtige Kollenberger, geboren und hatte Theologie in Straßburg und Altdorf bei Nürnberg studiert. Von 1714 bis 1723 hatte er als Senior der Heilbronner Geistlichkeit die erste Predigerstelle an der Heilbronner Kilianskirche inne, und war auch Scholarch. 33 Jahre war er Pfarrer, 30 Jahre davon in Heilbronn. Münster verfügte über ein „beachtliches Vermögen, wie es nur wenige andere in der Stadt“ hatten.[5] Die Verlassenschaft des verstorbenen Münster ist wissenschaftlich wichtig:

„Keine andere Quelle ist bezüglich der Aufzählung von Hab und Gut den Inventuren gleichzusetzen. Sie stellen deshalb für jeden kulturgeschichtlich Interessierten eine Fundgrube ersten Ranges dar. Darüber hinaus gehören sie zu den wichtigsten familiengeschichtlichen Quellen überhaupt.[6]

Offizin des Buchdruckers Johann Christian Leucht (1743)[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Heilbronn, Offizin des Buchdruckers Johann Christian Leucht.

Der Buchdrucker Johann Christian Leucht (* 25. Juni 1683 in Arnstadt; † 6. Oktober 1752 in Heilbronn),[7] kam aus Arnstadt in Thüringen. Leucht war in Heilbronn ab 1732 Mitglied des Großen Rats. Seine Druckerei war 1743 abgebrannt, doch Leucht errichtete sie erneut. Er beantragte am 24. Dezember 1743 den Druck eines wöchentlichen „Kundschafftsblättleins“: „Herr Leucht seye gesonnen, allhier ein wöchentliches Kundschafftsblättlein zu trucken und frage an, ob es erlaubt seye“.[8] Dieses wurde ihm schon am 28. Dezember erlaubt mit der Klausel „nichts darin zu trucken, wodurch löblicher Magistrats eines Praejudiz zugezogen werden könnte“.[8] Nach vier Tagen erschien zum 1. Januar 1744 in seiner Offizin die „erste Zeitung in Heilbronn“[8] unter dem Titel Wochentlich Heilbronnisches Nachricht- und Kundschaftsblatt.[9][10][11][12] Das Blatt änderte mehrmals seinen Namen. Ab 1801 hieß es Intelligenzblatt. und ab 1844 hieß es Intelligenzblatt von Heilbronn. und war nun Amtsblatt für die Oberamtsbezirke Heilbronn, Brackenheim, Neckarsulm und Weinsberg sowie für Bad Wimpfen. Ab 1848 hieß die Zeitung Heilbronner Tagblatt, ab 1861 Neckar-Zeitung.

Doppelhaus Bauknecht & Graeßle (1897)[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Postkarte von 1899

Nach dem Umbau der Kaiserstraße im Jahre 1897 entstanden auf vielen der alten Grundstücke repräsentative Gebäude der Zeit, die auf den Kellern der Vorgängerbauten ruhten. An der Kaiserstraße 33–35 wurde 1897 nach Plänen des Architekten August Dederer ein Geschäftshaus für Gauturnwart Herrmann Bauknecht (* 11. Juli 1845; † 21. November 1927)[13] und Robert Graeßle erbaut. Dederer zeichnete in Heilbronn u. a. auch für die Gebäude in der Herbststraße 8, am Silcherplatz 6, in der Uhlandstraße 70 sowie der Wilhelmstraße 52, 54, 56 und 58 verantwortlich.

Das Gebäude an der Kaiserstraße 33–35 zählte zu einer sich über die Hausnummern 25 bis 37 erstreckenden Gruppe repräsentativer Gebäude, die die Kaiserstraße zur „Prachtstraße der Gründerzeit“ machten: „Nirgends gab sich Heilbronn großstädtischer“.[14] Die Keller der Vorgängerbauten blieben erhalten, so ein Gewölbekeller in 6,40 Metern Tiefe. Zudem ein Keller in 5,10 Meter Tiefe.[15]

1901 war die Firma Carl Wolf im Haus Nr. 33 beheimatet.[16] 1928 war das Schuhhaus Walch im Haus Nr. 33 zu finden.[17] Bis 1944 befand sich in Nr. 33 auch die Hauptverkaufsstelle der Firma Tengelmann.[18] Im Haus Nr. 35 befand sich bis zur Zerstörung des Gebäudes im Jahre 1944 die Weinwirtschaft des Wilhelm Holl.

Die Gebäude wurden flankiert von weiteren Prachtbauten. Im linken Nachbargebäude (Nr. 31) befand sich um 1900 erst noch ein Café, später bezog eine Privatbank das Gebäude, im rechten Nachbargebäude (Nr. 37) hatte die Handels- und Gewerbebank ihren Sitz.

Zerstörung 1944 und Neubauten[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Schuhhaus Walch (33) u. Dresdner Bank (35).

1944 wurde das Gebäude bei den Luftangriffen auf Heilbronn zerstört. An gleicher Stelle entstand nach dem Zweiten Weltkrieg ein Neubau für das Schuhhaus Walch (Nr. 33) und das Gebäude der Dresdner Bank (Nr. 35), das inzwischen unter Denkmalschutz steht.[19][20]

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Commons: Doppelhaus Kaiserstraße 33 und 35, Heilbronn – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Marianne Dumitrache, Simon M. Haag: Archäologischer Stadtkataster Baden-Württemberg. Band 8.: Heilbronn. Landesdenkmalamt Baden-Württemberg, Stuttgart 2001, ISBN 3-927714-51-8, S. 79.
  2. Hubert Weckbach: Die Verlassenschaft des Seniors der Heilbronner Geistlichkeit Heinrich Ludwig Münster † 1723. In: Historischer Verein Heilbronn Jahrbuch. 32/1992, S. 99–173, dort S. 104: „Behausung in der Präsenzgasse neben dem württembergischen Pfleghof und Buchdrucker Johann Christian Leucht […]“ .
  3. „Der Buchdrucker Leucht (HT 184) gab 1744 als Adresse neben dem "Ritter" an. In Frage kommen für den Standort des Gasthauses somit zwei Gebäude, die auf dem Primärkatasterplan von 1835 die Nummern 881 und 879 besitzen. Da die sehr viel kleinere Nr. 881 bereits 1836 als Magazingebäude verzeichnet ist, schließen wir, daß sich der "Ritter" im Haus des 1723 verstorbenen Heinrich Ludwig Münster (Nr. 879) eingerichtet hat, dessen Areal eher für ein Wirtshausbetrieb geeignet erscheint als die andere Alternative. (Quelle: Marianne Dumitrache, Simon M. Haag: Archäologischer Stadtkataster Baden-Württemberg. Band 8: Heilbronn. Landesdenkmalamt Baden-Württemberg, Stuttgart 2001, ISBN 3-927714-51-8, S. 140, Nr. 232: Ritter, abgegangen, Kaiserstraße 31-33 und im Straßenbereich.)“

  4. Helmut Schmolz, Hubert Weckbach: Heilbronn. Geschichte und Leben einer Stadt in Bildern. Weißenhorn 1971, S. 67f. Nrn. 159, 161–164: Vom Nachricht- und Kundschaffts-Blatt" zur "Neckar-Zeitung", 1744–1934.
  5. Hubert Weckbach: Die Verlassenschaft des Seniors der Heilbronner Geistlichkeit Heinrich Ludwig Münster † 1723. In: Historischer Verein Heilbronn Jahrbuch. 32/1992, S. 99–173, dort S. 150.
  6. Hubert Weckbach: Die Verlassenschaft des Seniors der Heilbronner Geistlichkeit Heinrich Ludwig Münster † 1723. In: Historischer Verein Heilbronn Jahrbuch 32/1992, S. 99–173, dort S. 150.
  7. heuss.stadtarchiv-heilbronn.de
  8. a b c Hans Franke: 200 Jahre Zeitungsgeschichte in Heilbronn. In: Historischer Verein Heilbronn 23, 1960, S. 243–376, dort S. 244.
  9. „Eine Situationsbeschreibung aus dem Jahr 1723 spricht von dem Haus des Ehepaars Heinrich Ludwig Münster in der Präsenzgasse neben dem württembergischen Pfleghof und Buchdrucker Johann Christian Leucht. Anhand dieser Notiz lokalisieren wir entgegen der bisher erschienenen Literatur, welche die Schulgasse präferierte, das Leuchtsche Gebäude in der Präsenzgasse. Das Haus brannte 1743 nieder und wurde von Leucht wieder aufgebaut. 1897 wurde es mit dem westlich angebauten Nachbarhaus als städtisches Magazin genutzt. Wegen des Durchbruchs der Kaiserstraße zur Allee wurde es in diesem Jahr abgebrochen. Leucht, seit 1710 in der Stadt als Buchdrucker tätig, gab ab 1744 die Zeitung Wochentlich Heilbronnisches Nachricht- und Kundschaftsblatt heraus. (Marianne Dumitrache, Simon M. Haag: Archäologischer Stadtkataster Baden-Württemberg. Band 8: Heilbronn. Landesdenkmalamt Baden-Württemberg, Stuttgart 2001, ISBN 3-927714-51-8, S. 133, Nr. 184: Offizin Johann Christoph Leucht, abgegangen, im Straßenbereich vor Kaiserstraße 33 (UKP Nr. 880))“

  10. Helmut Schmolz, Hubert Weckbach: Heilbronn mit Böckingen, Neckargartach, Sontheim. Die alte Stadt in Wort und Bild. Weißenhorn 1966 (Veröffentlichungen des Archivs der Stadt Heilbronn. Band 14). Nr. 14, S. 21: „…Dahinter stand […] das Doppelhaus Präsenzgasse 7/5 (881/880)“.
  11. Moriz von Rauch: Eine gereimte Beschreibung Heilbronns vom Jahr 1718. In: Historischer Verein Heilbronn 16, 1925–1928, S. 49–74, S. 70.
  12. Moriz von Rauch: Heilbronn in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts. In: Aus der Heilbronner Geschichtsschreibung. Festschrift für Helmut Schmolz. herausgegeben von Christhard Schrenk und Hubert Weckbach (Weinsberg 1988), S. 73–104, S. 92.
  13. heuss.stadtarchiv-heilbronn.de
  14. Kaiserstraße 25-37: Prachtstraße der Gründerzeit
  15. Marianne Dumitrache, Simon M. Haag: Archäologischer Stadtkataster Baden-Württemberg. Band 8: Heilbronn. Landesdenkmalamt Baden-Württemberg, Stuttgart 2001, ISBN 3-927714-51-8, S. 79.
  16. heuss.stadtarchiv-heilbronn.de
  17. Lt. Anzeigen in Heilbronn a. N. 2. Auflage. Deutscher Architektur- und Industrie-Verlag, Berlin-Halensee 1928 (Deutschlands Städtebau): Schuhhaus Walch, Kaiserstraße 33 (S. [128]).
  18. Chronik der Stadt Heilbronn 1952–1957. S. 62.
  19. Chronik der Stadt Heilbronn 1952–1957. S. 62.
  20. Chronik der Stadt Heilbronn 1952–1957. S. 285.

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Marianne Dumitrache, Simon M. Haag: Archäologischer Stadtkataster Baden-Württemberg. Band 8.: Heilbronn. Landesdenkmalamt Baden-Württemberg, Stuttgart 2001, ISBN 3-927714-51-8, S. 79, 133 (Nr. 184), S. 140 (Nr. 232).
  • Helmut Schmolz, Hubert Weckbach: Heilbronn mit Böckingen, Neckargartach, Sontheim. Die alte Stadt in Wort und Bild. Weißenhorn 1966, S. 21, Nr. 14.
  • Hubert Weckbach: Die Verlassenschaft des Seniors der Heilbronner Geistlichkeit Heinrich Ludwig Münster † 1723. In: Historischer Verein Heilbronn. 32, 1992, S. 99–173, dort S. 104, 150.
  • Helmut Schmolz, Hubert Weckbach: Heilbronn. Geschichte und Leben einer Stadt in Bildern. Weißenhorn 1971, S. 67f., Nrn. 159, 161–164.
  • Julius Hauser: Geschichte der Buchdruckerei und des Buchhandels in der Stadt Hall [sowie in Heilbronn...]. In: Württembergisch Franken. 6/1, 1862, S. 49–72, S. 67.
  • Hans Franke: 200 Jahre Zeitungsgeschichte in Heilbronn. In: Historischer Verein Heilbronn. 23, 1960, S. 243–376, S. 244.
  • Götz Krusemark: Aus dem ältesten Jahrgang der Heilbronner Tageszeitung. In: Heilbronner Heimatblätter. 1938 (Wiederabdruck In: Schwaben und Franken. 17/7, 10. Juli 1971, 4).

Koordinaten: 49° 8′ 30,4″ N, 9° 13′ 17,8″ O