Fratrizid (Bakteriologie)

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Das in der Mikrobiologie bzw. Bakteriologie bekannte Phänomen des Brudermords (auch Fratrizid genannt), bezeichnet einen Sachverhalt, bei dem Mikroorganismen, wie zum Beispiel Bakterien, biochemische Substanzen abgeben die nicht nur einfach andere Organismen abtöten können, sondern auch gleichartige Zellen (=„Brüder“).[1] Hierzu ist einerseits die Produktion entsprechender Substanzen nötig, andererseits auch Eigenschutz, sodass das Bakterium, das fratrizide Substanzen abgibt, von diesen nicht selbst geschädigt wird. Das Vorkommen von Fratrizid wurde zuerst an grampositiven Bakterien der Arten Streptococcus pneumoniae und Bacillus subtilis beschrieben.

Grundlage für Fratrizid und Mittel[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

In der Regel werden in der Biologie über das Normalmaß hinausgehende Prozesse nur angestoßen, wenn sie einen Vorteil haben, beziehungsweise sich Nährstoffmangel abzeichnet/Konkurrenzsituationen verstärken, da jeder auszuführende Prozess Energie kostet. Hierzu passt, dass Fratrizid für Bakterien der Art Bacillus subtilis im Zusammenhang mit deren Sporulation beschrieben wird, eine Situation die zum Beispiel dann eintritt, wenn sich abzeichnet, dass in einer bestehenden Bakteriengemeinschaft nicht mehr ausreichend Nährstoff für alle anwesenden Organismen vorhanden ist.[1] Dabei produzieren ausdifferenziertere Organismen Bakteriozine (und entsprechende Eigenschutzmechanismen) und geben diese in ihre Umgebung ab. Treffen diese Bakteriozine dort auf weniger ausgereifte Bacillus subtilis-Organismen, die noch nicht mit dem entsprechenden Schutzmechanismus ausgestattet sind, sterben diese ab. Die Überlebenswahrscheinlichkeit während des Nährstoffmangels ist für die ausgereifteren Organismen dann statistisch wahrscheinlicher.

Bei Pneumokokken, für die der bakterielle Brudermord zuerst nachgewiesen worden war, beinhaltet das fratrizide Arsenal Bakteriozine und Bakteriolysine.[2]

Weitere Vorteile durch Fratrizid[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Zuerst konnte für Pneumokokken gezeigt werden, dass durch den Brudermord nicht nur Konkurrenten um knappe Nährstoffe ausgeschaltet werden, sondern zusätzlich genetisches Material untergegangener Mikroben aufgenommen werden kann (lateraler Gentransfer). Da die fratriziden Substanzen nicht nur Artgenossen betreffen, kann dies offenkundig zu genetischer Transformation beitragen, da genetisches Material anderer Arten aufgenommen werden und so zu Transformationen beitragen kann.[2][3]

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. a b Jean-Pierre Claverys, Leiv S. Håvarstein: Cannibalism and fratricide: mechanisms and raisons d'être. In: Nature Reviews Microbiology. Band 5, Nr. 3, März 2007, ISSN 1740-1526, S. 219–229, doi:10.1038/nrmicro1613 (nature.com [abgerufen am 6. März 2022]).
  2. a b Jean-Pierre Claverys, Bernard Martin, Leiv Sigve Håvarstein: Competence-induced fratricide in streptococci: Fratricide and sobrinicide in streptococci. In: Molecular Microbiology. Band 64, Nr. 6, Juni 2007, S. 1423–1433, doi:10.1111/j.1365-2958.2007.05757.x (wiley.com [abgerufen am 6. März 2022]).
  3. Jens Kreth, Justin Merritt, Wenyuan Shi, Fengxia Qi: Co-ordinated bacteriocin production and competence development: a possible mechanism for taking up DNA from neighbouring species: Co-ordinated bacteriocin production and competence development. In: Molecular Microbiology. Band 57, Nr. 2, Juli 2005, S. 392–404, doi:10.1111/j.1365-2958.2005.04695.x, PMID 15978073, PMC 1262684 (freier Volltext).