Geräms

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Ein Geräms ist ein Gitterwerk aus Holz oder Eisen. Im historischen Bauwesen ist ein Geräms ein mehr oder weniger großer Kasten oder Käfig, der vergitterte Öffnungen aufweist und verschiedenen Funktionen diente.

Wortherkunft und Begriffe[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Geräms ist ein Kollektivum zu mittelhochdeutsch ram und meint „Stütze, Gestell, Webrahmen“, neuhochdeutsch „Rahmen“.[1] Verwendete weitere historische Begriffe waren u. a.: Gräms, Krems, Krembs, Gerembst, Gerems, Gerämst (oberdeutsch), Grähmster (siegerländisch), Gerâmte (ostfriesisch).[1]

Goethes Geräms in Frankfurt[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Geräms vor dem linken Erdgeschoss-Bogen des spätbarocken Goethe-Hauses in Frankfurt vor dem Umbau von 1754–55 (Rekonstruktionszeichnung von Ernst Metz)

In Frankfurt am Main waren bis Mitte des 18. Jahrhunderts vergitterte, käfigartiger Vorbauten vor der Haustür gebräuchlich. Aus ihnen konnten die Bewohner des Hauses fast ungesehen an der vorbeigehenden Öffentlichkeit teilhaben.

Das historisch-literarisch bekannteste Geräms ist von Goethes Geburts- und Jugendhaus (Großer Hirschgraben) im 18. Jahrhundert überliefert, das er später mehrfach beschrieb:

„Für uns Kinder, eine jüngere Schwester und mich, war der untere weitläufige Hausflur der liebste Raum, welcher neben der Türe ein großes hölzernes Gitterwerk hatte, wodurch man unmittelbar mit der Straße und der freien Luft in Verbindung kam. Einen solchen Vogelbauer, mit dem viele Häuser versehen waren, nannte man ein Geräms. Die Frauen saßen darin, um zu nähen und zu stricken; die Köchin las ihren Salat; die Nachbarinnen besprachen sich von daher miteinander … So kamen auch durch diese Gerämse die Kinder mit den Nachbarn in Verbindung …“

Johann Wolfgang von Goethe: Dichtung und Wahrheit I, 1. Buch[2]

„Was das Geräms betrifft, wornach Sie fragen, so kann man, wie Sie schon vermuthen, sich den Ursprung desselben am ersten denken, wenn man sich vorstellt, wie zur Sommerszeit Bürgersleute Stühle und Bänke vor ihre Häuser setzten, wo sie unter den weit vorspringenden Überhängen der oberen Stockwerke, sogar bei einem mäßigen Regen, ruhig sitzen konnten. Hatte man so durch gedachte Überhänge und durch das oben vorspringende Dach schon in die Rechte der Straße gleichsam Eingriffe gethan, so lag es, besonders in weniger polizeilichen Zeiten, ganz nahe, sich einen hölzernen Käfich herauszubauen, um nicht den Augen jedes Vorübergehenden ausgesetzt zu seyn. Dieses Geräms war wirklich meistenteils oben offen, weil es von jenen Überhängen genügsam bedacht war. Es hing durch eine besondere Thüre mit dem Hausflur zusammen, welche Nachts ebenso sorgfältig als die Hausthüre selbst verschlossen wurde. Dieses Geräms war für die Familie um so wichtiger, als man in jenen Zeiten oft die Küchen nach der Straße zu, die Zimmer aber nach den Höfen zu anlegte, wodurch die Häuser sämtlich eine burgartige Gestalt erhielten und man nur durch das gedachte Geräms eine gewisse Communication mit der Straße und dem Öffentlichen gewann.“

Goethe an Carl Friedrich von Reinhard. 1812.[3][4]

Geräms als Vergitterung in Kirchenbauten[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

In Kirchengebäuden wurde alle Arten von Gittern als „Geräms“ bezeichnet, so etwa die Gittertür eines Sakramentshäuschens, eine Chorschranke, ein Treppengeländer, das Sichtschutzgitter von Priechen, Patronatslogen und Betstühlen, Gitter an einem Orgelprospekt, die Vergitterung eines Grabmals-Einfriedung und andere Gegenstände mehr.[5] Bekannt sind vor allen Sichtschutz-Vergitterungen von Nonnenemporen und Frauenemporen.

1653 wurde im Magdeburger Dom ein „Gerembs“ beschrieben, das eine wertvolle Reliquie zugleich schützte und zur Schau stellte: „Bey einem Pfeiler an der rechten Seiten der Kirchen / sey ein höltzern Gerembs / darinn gezeiget werde die Laiter / darauff der Haane gesessen / der in der Passion gekräet“.[6]

Siehe auch[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Wolfgang Kemp: Ästhetikkolumne – Public Writing. In: Merkur. Heft 1, Januar 2014, S. 40.

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Wortherkunft und Begriffe

Goethes Geräms

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. a b geräms In: Deutsches Wörterbuch. (1891/1897), abgerufen am 14. Januar 2024.
  2. Wo Goethe wohnt. (PDF) goethehaus-frankfurt.de, 2009
  3. Jutta Assel, Georg Jäger: Goethes Geburtshaus in Frankfurt a.M. auf alten Postkarten (2010), auf goethezeitportal.de, abgerufen am 13. Januar 2024. - Auch auf faustedition.net, abgerufen am 13. Januar 2024.
  4. Auf archive.org, abgerufen am 13. Januar 2024.
  5. geremz, im Frühneuhochdeutschen Wörterbuch (fwb-online.de), abgerufen am 14. Januar 2024.
  6. Martin Zeiller: Magdeburg. In: Matthäus Merian (Hrsg.): Topographia Saxoniae Inferioris (= Topographia Germaniae. Band 14). 1. Auflage. Matthaeus Merians Erben, Frankfurt am Main 1653, S. 166–179, hier S. 172 (Volltext [Wikisource]).