Globale Abkühlung

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Dies ist eine alte Version dieser Seite, zuletzt bearbeitet am 14. September 2012 um 15:11 Uhr durch Matthiasb (Diskussion | Beiträge). Sie kann sich erheblich von der aktuellen Version unterscheiden.
Zur Navigation springen Zur Suche springen
Weltkarte der Veränderung der Durchschnittstemperatur zwischen 1937 und 1946 sowie 1965 und 1975.
Verlauf der Durchschnittstemperatur seit 1850.
Die physikalischen Antreiber und ihr Anteil an der Entwicklung der Durchschnittstemperatur im Klimamodell.

Als globale Abkühlung bezeichnet man im Allgemeinen ein Absinken der weltweiten Durchschnittstemperatur. Im Speziellen ist damit jedoch die beobachtete Abkühlung der erdnahen Atmosphäre und der Meere zwischen 1940 und 1975 gemeint, deren wahrscheinliche Ursache die anthropogene Emission von Aerosolen war.[1] Die von einem Teil der Wissenschaft prognostizierte weitere Abkühlung im Falle steigender Aerosolemissionen wurde insbesondere in den 1970ern von den Medien verbreitet und dabei häufig dramatisiert.

Die Abkühlung

In den Jahren von 1940 bis 1975 wurde ein globaler Abkühlungstrend festgestellt;[2] zwischen 1958 und 1965 fiel die Weltdurchschnittstemperatur um 0,3 °C.[3] Diese als "global" bezeichnete Abkühlung zeichnete sich jedoch insbesondere in der nördlichen Hemisphäre ab.[4]

Ursachen

McCormick und Ludwig kamen 1967 zu dem Schluss, dass die anthropogenen Aerosolemissionen die Albedo erhöhten und dadurch die Abkühlung verursacht hätten.[5] Tatsächlich stiegen die globalen Schwefelemissionen seit 1950 enorm an, um erst 1989 wieder zu sinken.[6]

Medienecho

Weltweit griffen die Medien die Abkühlungs- und Eiszeitszenarien auf. Das Time Magazine berichtete 1974 unter dem Titel Another Ice Age? über Dürren und Hungertote in Afrika, Rekordüberschwemmungen in den USA, Pakistan und Japan und Missernten in Kanadas Getreidegürtel. Die ungewöhnlich kalten Winter würden laut den Aussagen einer wachsenden Zahl von Wissenschaftlern Vorboten einer neuen Eiszeit sein.[7] Die New York Times titelte 1975, eine "massive Abkühlung wird allgemein als unabwendbar betrachtet" ("Major Cooling Widely Considered to Be Inevitable"). Ein Artikel der Newsweek warnte 1975 vor Trockenheit und dadurch verursachten Ernteausfällen und Seuchen, ebenso vor möglichen Klimaflüchtlingen aus den betroffenen Gebieten. Ähnliche Artikel gab es zeitgleich auch in deutschen Medien, unter anderem im Spiegel.[8][9]

Wissenschaftliche Betrachtung

Rasool und Schneider prognostizierten 1971 für den Fall, dass sich die globalen Aerosolemissionen vervierfachen würden, ein Absinken der globalen Durchschnittstemperatur um bis zu 3,5 °C und warnten davor, dass dies eine Eiszeit auslösen könnte.[10] Bei anderen Wissenschaftlern waren Prognosen einer weiteren Abkühlung dagegen umstritten. Während sich in den frühen Siebzigern Erwärmungs- und Abkühlungsprognosen die Waage halten, setzte sich in den späten Siebzigern die Erkenntnis durch, dass der Abkühlungseffekt der Aerosole durch die CO2-Emissionen überlagert werden würde,[11] so eine Studie von Peterson et al. aus dem Jahr 2008.[12] Einigkeit über eine drohende globale Abkühlung habe es unter Wissenschaftlern nie gegeben, so die Studie.[12]

Heute geht man davon aus, dass das gegenwärtige Interglazial, das Holozän, noch für 50.000 Jahre anhalten wird, da sich die Erdbahn in einem Exzentritätsminimum befindet.[13]

Literatur

  • Ernest M. Agee: Present Climatic Cooling and a Proposed Causative Mechanism. In: Bulletin of the American Meteorological Society. Band 61 (11), 1980, S. 1356–1367. doi:10.1175/1520-0477(1980)061<1356:PCCAAP>2.0.CO;2
  • Reid A. Bryson: A Perspective on Climatic Change. In: Science. Band 184, 1974, S. 753–760. doi:10.1126/science.184.4138.753
  • Reid A. Bryson und Thomas J. Murray: Climates of Hunger: Mankind and the World's Changing Weather. University of Wisconsin Press, Madison 1977, ISBN 0-299-07370-X.
  • Henry Gilfond: The New Ice Age. Watts, New York 1979, ISBN 0531014584.
  • Trevor Hughes: Convection in the Antarctic Ice Sheet Leading to a Surge of the Ice Sheet and Possibly to a New Ice Age. In: Science. Band 170, 1970, S. 630–633. doi:10.1126/science.170.3958.630
  • Peter Kaiser: Die Rückkehr der Gletscher. Die Welt vor einer Naturkatastrophe. Molden, Wien 1971, ISBN 3-217-00335-7.
  • G. J. Kukla, R. K. Matthews und J. M. Mitchell: The end of the present interglacial. Issue 3 des 2. Bandes des Quaternary Research. 1972, S. 261–445.
  • Fred Pearce: The ice age that never was. New Scientist Environment 2006. online
  • Lowell Ponte: The Cooling: Has the Next Ice Age Already Begun?. Prentice-Hall, Englewood-Cliffs 1976. ISBN 013172312X.

Medienmeldungen

  • Betty Friedan: The Coming Ice Age. In: Harper's. September 1958, S. 39–45. Harper's Archiv
  • James D. Hays: The Ice Age Cometh. In: Saturday Review of the Sciences. 24. März 1973, S. 29–32.
  • Another Ice Age? In: Time Magazine. 26. Juni 1974, S. 86.
  • The Cooling World. In: Newsweek. 28. April 1975, S. 64.
  • Walter Sullivan: Scientists Ask Why World Climate Is Changing; Major Cooling May Be Ahead. In: New York Times, 21. Mai 1975. Abstract
  • Samuel W. Matthews: What's Happening to Our Climate? In: National Geographic. Band 150, 1976, S. 581–82.
  • Richard Wolkomir: Is a New Ice Age Coming? In: Saturday Evening Post. März 1976, S. 50–51, 78.
  • Even U.S. Farms May Be Hit by Cooling Trend. In: U. S. News & World Report. 31. Mai 1976, S. 56.

Einzelnachweise

  1. Max-Planck-Institut für Chemie Mainz: Dreck in Maßen macht mehr Regen
  2. G. J. Kukla et al.: New data on climatic trends. In: Nature 270, 1977, 573–580. doi:10.1038/270573a0
  3. J. K. Angell und Korshover: Estimate of the Global Change in Temperature,Surface to 100 mb, Between 1958 and 1975. In: Monthly Weather Review Bd. 105 (4), 1977, S. 375–385. doi:10.1175/1520-0493(1977)105<0375:EOTGCI>2.0.CO;2
  4. Paul E. Damon und Steven M. Kunen: Global Cooling? In: Science Bd. 193, 1976, S. 447–453. doi:10.1126/science.193.4252.447
  5. Robert A. McCormick und John H. Ludwig: Climate Modification by Atmospheric Aerosols. In: Science 156 (3780), 1967, S. 1358-1359. doi:10.1126/science.156.3780.1358
  6. David I. Stern: Global sulfur emissions from 1850 to 2000, in: Chemosphere, Vol. 58, 2005, S. 163–175, doi:10.1016/j.chemosphere.2004.08.022
  7. Another Ice Age?, Time Magazine, 24. Juni 1974.
  8. Katastrophe auf Raten. In: Der Spiegel. Nr. 33, 1974 (online).
  9. Steine verweht. In: Der Spiegel. Nr. 3, 1977 (online).
  10. S. I. Rasool und S. H. Schneider: Atmospheric Carbon Dioxide and Aerosols: Effects of Large Increases on Global Climate. In: Science. Band 173 (3992), 1971, S. 138-141. doi:10.1126/science.173.3992.138
  11. Wallace S. Broecker: Climatic Change: Are We on the Brink of a Pronounced Global Warming?. In: Science. Band 189 (4201), 1975, S. 460-463. doi:10.1126/science.189.4201.460
  12. a b Thomas C. Peterson et al. (2008): The myth of the 1970s global cooling scientific consensus. American Meteorological Society.
  13. A. Berger und M. F. Loutre (2002): An Exceptionally Long Interglacial Ahead?, in: Science, Vol. 297., S. 1287–1288. doi:10.1126/science.1076120