Jugendanwaltschaft
Unter Jugendanwaltschaft versteht man die in den meisten Kantonen der Schweiz zuständige Strafbehörde für Jugendliche im Alter von 10 bis 18 Jahren. Jugendanwaltschaft wird in- wie extern häufig als "JUGA" abgekürzt.
Aufgaben und Zuständigkeit
Die Jugendanwaltschaft verfolgt und beurteilt die Straftaten von Jugendlichen. Dabei kommt ihr im Verfahren gegen Minderjährige u.a. die Stellung der Staatsanwaltschaft zu. Örtlich zuständig ist sie - im Gegensatz zu den Staatsanwaltschaften im Verfahren gegen Erwachsene - am gewöhnlichen Aufenthaltsort des oder der Jugendlichen. Verfügt eine beschuldigte Person über keinen gewöhnlichen Aufenthalt in der Schweiz, so ist die Jugendanwaltschaft am Ort des Delikts zuständig.
Während der Untersuchung ist die Jugendanwaltschaft Herrin des Verfahrens und ihr kommen umfassende Weisungskompetenzen gegenüber der Polizei zu. Anders als in der Strafverfolgung Erwachsener haben weder Übertretungsstrafbehörden noch die Bundesanwaltschaft Kompetenz zur Verfolgung der Straftaten Jugendlicher.
Ebenfalls abweichend zum Erwachsenenstrafrecht ist die Jugendanwaltschaft nicht nur Anklage- sondern auch Vollzugsbehörde.
Gesetzliche Grundlagen
Grundlage jeglicher Tätigkeit der Jugendanwaltschaften bilden das Jugendstrafgesetz und die Jugendstrafprozessordnung und - soweit anwendbar - das Strafgesetzbuch (Schweiz) und die Strafprozessordnung (Schweiz). Daneben gelten diverse kantonale Erlasse und Gesetze.
Verfahren vor der Jugendanwaltschaft
Die Jugendanwaltschaft wird tätig aufgrund einer polizeilichen Verzeigung oder einer Anzeige bei ihr selbst. Sie untersucht dabei, was genau geschehen ist und wie dies rechtlich zu bewerten ist.
Gewöhnlich wird die beschuldigte Person mit Vorladung auf die Jugendanwaltschaft aufgeboten und hat zum vorgeworfenen Tatbestand Stellung zu nehmen. Des Weiteren wird die persönliche Situation des oder der Jugendlichen abgeklärt. Ergeben sich Hinweise auf das Bedürfnis weitergehender Betreuung, verfügt die Jugendanwaltschaft vorsorgliche Massnahmen wie z.B. Psychotherapie, Fremdplatzierung oder Unterbringung in einer Erziehungsanstalt.
Zumeist wird das Verfahren mit einem Strafbefehl abgeschlossen. Übersteigt die gesetzliche Sanktion die Strafkompetenz der Jugendanwältin oder des Jugendanwalts oder ist eine dauerhafte Unterbringung angezeigt, erhebt die Jugendanwaltschaft Anklage an das Jugendgericht.
Kompetenzen der Jugendanwaltschaft
Im Gegensatz zur Staatsanwaltschaft kann die Jugendanwaltschaft auch Untersuchungshaft bis zu sieben Tagen in eigener Kompetenz anordnen. Erst danach ist das Gericht anzurufen.
Einschneidende Massnahmen wie vorsorgliche Unterbringung, geschlossene Beobachtung etc. können sofern angezeigt angeordnet werden. Im Kanton Zürich geriet die Behörde im Rahmen des sogenannten "Fall Carlos" unter starke mediale Kritik, insbesondere durch das von der Firma RiesenOggenfuss GmbH durchgeführte Sondersetting.[1]
Zwangsmassnahmen wie Hausdurchsuchung und Vorführung werden bei Notwendigkeit ebenfalls verfügt.
Organisation
Die Organisation der Jugendanwaltschaften ist Angelegenheit der Kantone. Dies hat zur Folge, dass in einigen Kantonen eine einzige Jugendanwaltschaft für den ganzen Kanton zuständig ist, in einigen die Jugendanwaltschaft sodann eine Abteilung der Staatsanwaltschaft ist, während im Kanton Zürich die fünf Jugendanwaltschaften der Oberjugendanwaltschaft unterstellt sind, wobei der Oberjugendanwaltschaft gegenüber den Jugendanwaltschaften dieselben Rechte und Kompetenzen zukommen wie der Oberstaatsanwaltschaft gegenüber den Staatsanwaltschaften.
Die Jugendanwaltschaften bilden zumeist ein interdisziplinäres Team aus
- Jugendanwältinnen und Jugendanwälten (Juristen)
- Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeitern (Soziale Arbeit)
- Verwaltungssekretärinnen und Verwaltungssekretären (Verwaltungspersonal)
Einzelnachweise
- ↑ Tages-Anzeiger: Dossier: Der Fall Carlos