Kanada (Roman)

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Kanada (amerik. Originaltitel: Canada) ist ein Roman des US-amerikanischen Autors und Pulitzer-Preisträgers Richard Ford aus dem Jahr 2012. Die Originalausgabe übersetzte Frank Heibert ins Deutsche.

Inhalt

Im ersten Teil des Romans, der in den frühen 1960er Jahren in Great Falls im US-Bundesstaat Montana spielt, erlebt der fünfzehnjährige Dell Parsons, wie seine bürgerlichen Eltern zu Bankräubern werden. Nach der Verhaftung seiner Eltern stehen er und seine Zwillingsschwester Berner über Nacht alleine da. Die Familie ist zerstört, die Jugend der Geschwister ruiniert. Während Berner einfach davonläuft, findet Dell durch die Mithilfe der Freundin seiner Mutter Zuflucht in der kanadischen Prärie.

Im zweiten Romanteil wird Dell aus seiner Kindheit und Jugend gerissen und mit dem Erwachsenwerden konfrontiert. Dies geschieht unter der Obhut von Arthur Remlinger, einem Mann mit guten Manieren, aber krimineller Vergangenheit. Das Heranwachsen des Protagonisten ist fortan geprägt von Trauer, Desillusion, Machtlosigkeit und den Launen des Schicksals. Eine Atmosphäre von Bedrohung und Angst prägt Dells Dasein. Er wird Zeuge einer Mordserie, entkommt der Trostlosigkeit der kanadischen Provinz und schaut als Ehemann und pensionierter Literaturlehrer auf diese Jahre zurück. Er trifft seine Zwillingsschwester wieder, die es im Gegensatz zu ihm selbst nicht geschafft hat, ihrem Außenseiterschicksal zu entkommen.

Entstehungsgeschichte

Schon 1989 machte sich Richard Ford Notizen zu dieser Geschichte, die er aus Angst vor Bränden im Gefrierfach seines Kühlschrankes in seinem Holzhaus aufbewahrte. Regelmäßig erweiterte er seine Aufzeichnungen, wenn er in Montana oder im kanadischen Saskatchewan unterwegs war. Zwei Jahre der Vorbereitung und zwei weitere Jahre des Schreibens, gefolgt von einem Jahr des Lektorierens gingen der Veröffentlichung voraus.[1]

Stil

Der Ich-Erzähler, der sein Leben inzwischen wohl geordnet hat, blickt fünfzig Jahre später auf die schicksalhafte Zeit seiner Adoleszenz zurück. Fords Schreibstil ist geprägt von ausdrucksstarken Sprachbildern und einer präzisen, fast naturalistischen Beschreibungen der handelnden Personen, Landschaften und Tiere.

Rezeption

Obwohl der Roman Züge eines Kriminalromans trägt, wird er in der Rezeption den Entwicklungsromanen zugerechnet. Den Autor interessieren mehr die Folgen als das Geschehen selbst: Wie geht der Protagonist mit Verletzungen um, wie sucht er sein Leben und Überleben? Die Antwort gibt der Autor in den Schlusssätzen seines Romans: „Ich weiß nur, dass man bessere Chancen in seinem Leben hat – bessere Überlebenschancen –, wenn man gut mit Verlusten umgehen kann; wenn man es schafft, darüber nicht zum Zyniker zu werden.“ [2] Das viel beachte Werk Richard Fords erhielt in der Rezeption der deutschen Literaturkritik fast ausnahmslos positive Bewertungen. Verena Auffermann schreibt im Cicero, das Werk gehöre ins Repertoire großer amerikanischer Legenden,[3] und Christian Buß schreibt in seiner Rezension des Romans auf Spiegel Online, „neben Don DeLillo und Philip Roth“ sei „Richard Ford einer der letzten großen lebenden amerikanischen Erzähler.“[4] Wolfgang Schneider lobt in dRadio Kultur die überpräzise Menschendarstellung. Die Menschen würden so plastisch auf die Erzählbühne gestellt, dass es ein Lesevergnügen sei. Kritik übt Wolfgang Schneider an den teilweise klischeehaften Schicksalsbeschwörungen, in denen sich Ford ergehe.[5]

Der Roman wurde 2013 mit dem Prix Femina Étranger ausgezeichnet.

Einzelnachweise

  1. Hannes Stein: Ich bin nur böse, weil ich das Böse kenne- Interview mit Richard Ford.In: Welt Online vom 28. August 2012; abgerufen am 28. August 2013
  2. Richard Ford: Kanada. Hanser, Berlin 2012, ISBN 978-3-446-24026-1, S. 462
  3. Verena Auffermann: Mythen aus God's own Country. In: Cicero Online vom 7. Dezember 2012; abgerufen am 28. August 2013
  4. Christian Buß: Richard Fords Roman "Kanada": Mama und Papa, die Bankräuber, Spiegel Online vom 27. August 2012; neu abgerufen am 5. Juni 2016
  5. Wolfgang Schneider: Eine zerstörte Jugend. In: Deutschlandradio Kultur vom 3. September 2012; abgerufen am 28. August 2013