L’Éducation sentimentale

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Dies ist eine alte Version dieser Seite, zuletzt bearbeitet am 10. April 2016 um 02:27 Uhr durch HvW (Diskussion | Beiträge) (kat korr). Sie kann sich erheblich von der aktuellen Version unterscheiden.
Zur Navigation springen Zur Suche springen
Erstausgabe von 1869

L'Éducation sentimentale ist der letzte vollendete Roman des französischen Schriftstellers Gustave Flaubert (1821–1880). Er erschien 1869 und gilt heute als einer der einflussreichsten Romane des 19. Jahrhunderts. Es liegen mehrere Übersetzungen ins Deutsche vor, unter anderem erschien das Werk als Die Erziehung der Gefühle, Die Erziehung des Herzens, Die Erziehung des Gefühls, Lehrjahre des Gefühls, Lehrjahre des Herzens, Die Schule der Empfindsamkeit und Der Roman eines jungen Mannes.

Handlung

Der Roman erzählt die Geschichte des jungen Provinzlers Frédéric Moreau, der nach Paris geht, wo er sich eine große Zukunft in Politik, Literatur und Liebe erhofft. Er verpasst jedoch die ihm sich durchaus bietenden realen Chancen zugunsten irrealer, idealer Ziele, und zwar vor allem aufgrund einer langen schwärmerisch-unerfüllten Liebe zu einer verheirateten Frau, die ihn absorbiert und paralysiert. Nachdem auch seine kurze Begeisterung für die politischen Ideale und Ziele der 48-er Revolution verpufft ist, versinkt er in intellektueller Mittelmäßigkeit. Halbherzig studiert er Rechtswissenschaften und nach einem mittelmäßigen Abschluss kehrt er in seinen Geburtsort aufs Land zurück, wo er bei seiner Mutter lebt und unentschlossen die Zeit verbummelt. Durch eine unerwartete größere Erbschaft wird er vor einem auch materiellen Niedergang bewahrt. Er kehrt nach Paris zurück und versucht dort, das Leben eines Weltmannes zu führen. Zwar findet er Anschluss an die „Gute Gesellschaft“ der Pariser Oberschicht, da er aber dabei über seine Verhältnisse lebt, beginnt er sich zu verschulden. Am Ende des Romans hat er zwei Drittel seines Vermögens aufgebraucht und lebt in kleinbürgerlichen Verhältnissen.

Frédéric ist eine Symbolfigur des weniger tragischen als traurigen Weges der „Quarante-huitards“, d. h. der durch die Februarrevolution 1848 in Aufbruchstimmung versetzten, dann aber durch die weitere Entwicklung politisch enttäuschten 48er-Generation, der auch Flaubert sich zurechnete.

1864 schrieb er über sein Werk: „Ich will über die moralische Geschichte der Menschen meiner Generation schreiben, oder genauer über die Geschichte ihrer Gefühle. Es ist ein Buch über Liebe und Leidenschaft; aber eine Leidenschaft wie sie heute existieren kann – nämlich eine untätige.“

Der Titel des Romans ist übrigens (was keiner der verschiedenen Titel der deutschen Übertragungen ahnen lässt) ironisch zu verstehen. Denn, anders als z. B. der jugendliche Julien in Stendhals Le Rouge et le Noir oder der junge Rastignac in Honoré de Balzacs Le Père Goriot, die jeweils durch eine reifere verheiratete Frau in die Liebe eingeführt und so tatsächlich in ihren „Gefühlen“, sprich ihrem Sexualleben, zu erwachsenen Männern gemacht werden, erfährt Frédéric von der angehimmelten reiferen Frau letztlich keine solche „Erziehung“. Stattdessen unterhält er eine Affäre mit einer Kurtisane und gleichzeitig mit der Frau eines Bankiers. Seine Gefühle für diese beiden Frauen bleiben ähnlich indifferent wie die zu seiner schwärmerischen unerfüllten Liebe.

Am Ende sitzen die Freunde Fréderic und Deslaurier in Paris zusammen und gestehen sich das Scheitern ihrer hohen Erwartungen ein. „Und dann hielten sie prüfende Rückschau auf ihr Leben. Beide hatten es verpfuscht, der eine mit seinem Traum von der wahren Liebe so gut wie der andere mit seinen Machtträumen.“[1] Der Roman endet mit der Jugenderinnerung der beiden an einen gescheiterten Bordellbesuch, über den Frédéric sagt: „Das war doch das Schönste, was wir erlebt haben!“[2]

Personen der Handlung

Der Roman erzählt keine eigentliche Geschichte, sondern stellt sein Anliegen durch die Schilderung der Begegnung unterschiedlicher Menschen über den Zeitraum von mehreren Jahren dar. Fréderic ist die Hauptfigur, dem beim Studium in Paris sein Jugendfreund Deslaurier wiederbegegnet, der am Ende Anwalt und gescheiterter Politiker sein wird. Deslaurier heiratet später Louise, die Tochter Roques, eines reichen Landadligen aus Fréderics Geburtsstadt. Louise liebt jedoch Fréderic, der für sie aber letztlich nichts empfindet, jedoch kurze Zeit erwägt, sie aus finanziellen Gründen zu heiraten. Arnoux, ein Kunsthändler, wird zum Freund Fréderics, dessen Frau Marie zur schwärmerischen unerfüllten Liebe des Protagonisten. Um Arnoux bildet sich ein Kreis von unterschiedlichen Leuten, die immer wieder eine Rolle spielen: Pellerin, ein erfolgloser Maler, der später als Fotograf endet. Regimbart, ein verkrachter Bürger, der sich von seiner Frau aushalten lässt, die Schneiderin ist. Hussonet, zunächst Student, später erfolgreicher Journalist. Cisys, ein junger Adliger, der am Ende fromm wird und sieben Kinder zeugt. Senecal, ebenfalls Student und zunächst politischer Radikaler und Kommunist, endet als Polizist. Dambreuse, Bankier und Kapitalist, repräsentiert im Roman die große Welt. Seine Frau wird später Fréderics Geliebte. Nachdem Dambreuse gestorben ist, will sie Fréderic heiraten. Der jedoch ist erneut unentschlossen und so heiratet sie einen anderen. Martinot, ebenfalls ein Jugendfreund Fréderics, macht zielstrebig Karriere und heiratet die angebliche Nichte Dambreuse', die in Wirklichkeit aber dessen uneheliche Tochter ist.

Literatur

  • Pierre Bourdieu (1992): „Flaubert als Analytiker Flauberts. Eine Lektüre der Erziehung des Herzens“, in: Die Regeln der Kunst. Genese und Struktur des literarischen Feldes, ins Deutsche übersetzt von Bernd Schwibs und Achim Russer. Suhrkamp, Frankfurt am Main, 1999, ISBN 3-518-58264-X, S. 19–79 (Prolog).

Übersetzungen

  • Der Roman eines jungen Mannes. Deutsch von Alfred Gold und Alphonse Neumann; Bruno Cassirer, Berlin 1904
  • Die Schule der Empfindsamkeit. Deutsch von Luise Wolf; J. C. C Bruns, Minden 1915 (auch bei Null Papier online, 2012)
  • Die Schule der Empfindsamkeit. Deutsch von Andrew Barbey; Georg Müller, München 1923 (auch bei Könemann, 1999)
  • Die Erziehung des Herzens. Deutsch von Emil Alfons Rheinhardt; List, Leipzig 1926 (auch bei Deutsche Buchgemeinschaft, 1932)
  • Die Schule der Empfindsamkeit. Deutsch von Hans Kauders; Gutenberg, Zürich 1946 (als Die Erziehung des Gefühls auch bei Manesse, 1971)
  • Lehrjahre des Gefühls. Deutsch von Paul Wiegler; Aufbau, Berlin 1951 (auch bei Rowohlt, 1959 und bei Insel, 1977)
  • Lehrjahre des Herzens. Deutsch von Walter Widmer; Winkler, München 1957 (auch bei Deutscher Bücherbund, 1962 und bei Goldmann, 1968)
  • Die Erziehung der Gefühle. Deutsch von Heidi Kirmesse; Rütten&Loening, Berlin 1974
  • Die Erziehung des Herzens. Deutsch von Emil Alfons Rheinhardt, revidiert von Ute Haffmans; Diogenes, Zürich 1980
  • Die Erziehung der Gefühle : Geschichte eines jungen Mannes. Deutsch von Cornelia Hasting; Haffman, Zürich 2000 (auch bei Piper, 2001 und bei Fischer Taschenbuch, 2010)
  • Lehrjahre des Gefühls : Geschichte eines jungen Mannes. Deutsch von Maria Dessauer; Insel, Frankfurt am Main 2005

Sonstiges

Vorbild für die Figur des Kunsthändlers Jacques Arnoux war der Verleger Maurice Schlesinger, wohingegen dessen Frau Élisa Schlésinger – Flauberts große, unerfüllte Liebe – das Vorbild für die Marie Arnoux des Romans war.

In dem Film Manhattan bezeichnet Woody Allens Hauptfigur diesen Roman u. a. als einen der Gründe, weshalb es sich zu leben lohne. Dagegen notierte Jean-Paul Sartre 1939 in seinem Kriegstagebuch, Flauberts Romanfigur sei eine „Jämmerlichkeit, in Marmor gemeißelt“.

Weblinks

Commons: L'Éducation sentimentale – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Ausgabe des Winkler-Verlag, München 1957, S. 550
  2. a. a. O., S. 552