Mandora
Mandora, französisch Mandore luthée; ist der Name einer Reihe verschiedener historischer Lauteninstrumente.
Mit der andalusischen Musik kam die arabische Knickhalslaute Barbat nach Europa. Aus dieser entwickelte sich unter anderem die seit dem 13. Jahrhundert abgebildete maurische Quinterne, von der die spätere Mandora abstammen könnte.
In der Renaissancezeit bezeichnet der Name eine kleine, vier- oder fünfchörige Laute. Michael Praetorius nannte sie in seinem Werk Syntagma musicum (1615–1619) Mandürchen (entspricht weitgehend der Quinterne), auch Mandörgen. Sie war möglicherweise der Vorläufer der Mandoline. Namens- und formverwandt ist auch die seit dem 18. Jahrhundert gebaute Mandola.
Im Übergang zur Rokokozeit hingegen bezeichnet Mandora eine sechssaitige Laute mit ca. 70 cm Mensur in der Stimmung F - G - c - f - a - d' oder G - A - d - g - h - e' (selten auch mit zwei oder drei weiteren Basssaiten). Die erstere Variante wurde in Böhmen auch Calichon oder Galichon (bzw. Gallichon) genannt, der wiederum heute oft mit dem Colascione verwechselt wird, mit diesem aber nichts gemein hat. Während die Mandora ein beliebtes Solo-Instrument war, wurde der Calichon gern als Generalbassinstrument verwendet (Georg Philipp Telemann).
Kurz vor 1800 fand eine Art Ringtausch zwischen Mandora und Gitarre statt. Die Gitarre, die als Barockgitarre rückläufig gestimmt worden war (reentrant tuning: e' - h - g - d' - a), übernahm die sechste Saite und die Stimmung der Mandora (e' - h - g - d - A - G, später auch e' - h - g - d - A - E). Die Mandora dagegen übernahm von der Gitarre die inzwischen eingeführte Besaitung mit einzelnen Saiten statt Chören. Ein später Erbe dieser Entwicklung auf Seiten der Mandora war die Gitarrenlaute.
Musik für die Mandora wurde in Form der Tabulatur notiert.
Komponisten
- Für die Renaissance-Mandora schrieben: Martin Agricola, Pierre Brunet, Adrian Le Roy, Ottomar Luscinius, Sebastian Virdung u. a.
- Für die Rokoko-Mandora schrieben: Johann Georg Albrechtsberger, Antonio Brescianello, Schiffelholz u. a.
Siehe auch
Literatur
- Ernst Gottlieb Baron: Historisch-theoretisch und practische Untersuchung des Instruments der Lauten; Nürnberg, 1727
- Dieter Kirsch: Die Mandora in Österreich. Zur Bestimmung eines Lautentyps des 18. Jahrhunderts. Neues vom Pasqualatihaus 4 (1994), S. 63–81
- Dieter Kirsch: Musik für Mandora in der Universitätsbibliothek Eichstätt; Sammelblatt Historischer Verein Eichstätt 86 (1993), S. 14–19
- Dieter Kirsch, Lenz Meierott (Hgg.): Berliner Lautentabulaturen in Krakau. Mainz, 1992
- Leipzig Mandora Book. Tree Edition, Lübeck 2007
- Josef Klima: Gitarre und Mandora, die Lauteninstrumente der Volksmusik. ÖMz 18 (1963), S. 72–7?
- Rudolf Lück: Zur Geschichte der Basslauten-Instrumente Colascione und Calichon. DJbM 5 (1960), S. 67–75
- A. Koczirz: Zur Geschichte der Mandorlaute. Die Gitarre 2 (1920/21), S. 21–36
- Pietro Prosser: Calichon e mandora nel Settecento: Con un catalogo tematico del repertorio solistico. Diss. Universität Pavia, 1996
- Pietro Prosser: Uno sconosciuto metodo manoscritto (1756) Considerazioni sull’identificazione della mandora nell XVIII secolo; in: M. Tiella, R. Romano (Hgg.): Strumenti per Mozart; Rovereto, 1991; S. 293–335
- Ernst Pohlmann: Laute, Theorbe, Chitarrone. Bremen, 1968 (1982)
- James Tyler: The mandore in the 16th and 17th centuries. In: Early Music, Vol. 9, No. 1, Oxford University Press, 1981, S. 22–31 + 416
Weblinks
- Federico Marincola in: LuteBot5, 1999 (ZIP; 118 kB) Über Calichon und Mandora