Predictive Policing
Predictive Policing (deutsch Vorhersagende Polizeiarbeit) bezeichnet die Analyse von Falldaten zur Berechnung der Wahrscheinlichkeit zukünftiger Straftaten zur Steuerung des Einsatzes von Polizeikräften.[1]
Theoretische Grundlagen
Predictive Policing basiert auf verschiedenen Aspekten der Statistik und/oder der Sozialforschung. Dazu zählen u. a.
Repeat-Victimisation Grundlage der Theorie sind statistische Erhebungen, z. B. 4 % (2 %) der Bürger erleiden 44 % (41 %) der Straftaten und Befragungen von Straftätern[2] (z. B. ⅔ der Einbrecher dringen erneut in ein bereits angegangenes Gebäude ein[3]). Daraus folgt, dass eine vorherige Viktimisierung ein guter Prädiktor für weitere Opferwerdungen ist:[4]
- Je häufiger eine Viktimisierung in der Vergangenheit festgestellt wurde, desto höher ist die Chance auf eine weitere zukünftige Viktimisierung.
- Re-Viktimisierungen finden in der Regel sehr bald nach den vorherigen Ereignissen statt.
Routine-Activity-Ansatz Nach dieser Theorie bedarf es
- eines motivierten Täters
- eines tauglichen Tatobjekts und
- fehlender Schutzmechanismen,
damit eine Straftat geschehen kann. Wenn man einen dieser Faktoren eliminiert, werden Straftaten verhindert.
Rational-Choice-Theorie Hierbei wird von rational denkenden und handelnden Tätern ausgegangen, die Vorteile und Nachteile abwägen.
Boost-Hypothese Die Boost-Hypothese ist täterorientiert. Sie geht davon aus, dass ein Täter den Aufwand bei der Suche nach dem nächsten Tatobjekt möglichst gering halten will und somit bekannte Gegenden bevorzugt werden.
Flag-Hypothese Die Flag-Hypothese ist objektorientiert. Der Grund für Reviktimisierung liegt demnach in dem Objekt selbst und seinen Eigenschaften, z. B. die Einsehbarkeit eines Hauses, die Abwesenheitszeiten der Bewohner, eine nicht vorhandene Alarmanlange oder auch Einstiegs-und Fluchtmöglichkeiten.
Near-Repeat-Victimisation
- Bei einer Straftat in einem Gebiet steigt die Wahrscheinlichkeit in diesem Gebiet für Folgetaten.
- Getestet wurde die Hypothese hauptsächlich am Delikt des Wohnungseinbruchs.
- Gebäude, die auf derselben Straßenseite liegen wie das zunächst angegangene, sind gefährdeter sind als diejenigen auf der anderen Seite.
- Das Risiko einer Viktimisierung ist nicht dauerhaft, sondern nur für ca. einen Monat erhöht.
- Sie ist 48 Stunden nach der ersten Tat am höchsten.
Anwendung
Predictive Policing wird in einigen Ländern bereits von den Polizeien eingesetzt. Teilweise handelt es sich um zeitlich befristete Pilotprojekte bzw. Testbetriebe.[5]
Ort | Stand | Software | Status |
---|---|---|---|
Stuttgart/Karlsruhe | Sep 15 | Precobs | 6-monatiger Testbetrieb ab Oktober 2015 (Kosten 220.000 €) |
Hamburg | Mai 16 | Eigenentwicklung geplant | Aktuell Forschungsprojekt[6] |
Hannover | Mai 15 | Precobs, SPSS Modeler | Test in Kooperation mit dem LKA, skeptischer Kommentar des LDI |
Hessen | Mai 16 | Eigenentwicklung geplant[7] | |
Bonn | Apr 15 | Precobs | geplant[8] |
Rhein/Ruhrgebiet | Mai 16 | SPSS Modeler | 2-jähriger Test in Duisburg, Köln, Essen, Gelsenkirchen und Düsseldorf |
Nürnberg | Apr 15 | Precobs | im Test seit Okt 2014, lieferte keine guten Ergbnisse [9] |
München | Sep 15 | Precobs | im Test ab Oktober 2014 |
Zürich, Baselland und Aargau | Jan 16 | Precobs | 80 % richtige Vorhersagen, Senkung der Quote im Test um 15 % (8,7 % Stadtdurchschnitt), statistisch nicht aussagekräftig, vorerst keine Ausweitung des Testgebiets. |
Aufgrund großer Datenmengen wird in der Praxis nur ein Deliktsfeld, z.B. KFZ-Sachwertdelikte oder Einbruchsdelikte, ein besonders belasteter Gebietsstand und nur für die nächsten Tage berechnet.
Literarische Verarbeitung
In Philip K. Dicks Kurzgeschichte The Minority Report von 1956 wurde Präverbrechen und die Bekämpfung thematisiert.
Kritik
Der Erfolg von Predictive Policing konnte bis 2014 nicht nachgewiesen werden. Ein solcher Nachweis dürfte aufgrund der Komplexität der Einflussfaktoren auch schwierig sein.[10]
Siehe auch
Einzelnachweise
- ↑ ÖFIT-Trendschau: Öffentliche Informationstechnologie in der digitalisierten Gesellschaft. Vorhersagende Polizeiarbeit (PDF). Öffentliche IT. März 2015. Abgerufen am 25. Februar 2016.
- ↑ Farrell, G. / Pease, K. (1993): Once bitten, twice bitten: repeat victimisation and ist implications for crime prevention (PDF)
- ↑ Hearndon I & Magill C (2004): Decision Making by House Burglars: Offenders’ Perspective (PDF)
- ↑ Cronje S, Zietsman JM (2009) Criminology, Cape Town
- ↑ Wo Predictive Policing eingesetzt wird vom Februar 2016
- ↑ LKA Hamburg
- ↑ Kleine Anfrage im hessischen Landtag Drucksache 19/3248
- ↑ Bonner Generalanzeiger vom 01.04.2015
- ↑ Zeit Online, März 2015
- ↑ Gluba A (2014) Predictive Policing – eine Bestandsaufnahme