Reichsbund jüdischer Frontsoldaten

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Ehrenmal des Reichsbundes auf dem jüdischen Friedhof in Köln-Bocklemünd
1920 vom Reichsbund jüdischer Frontsoldaten herausgegebener Handzettel, als Antwort auf die Anschuldigungen fehlenden Patriotismus’

Der Reichsbund jüdischer Frontsoldaten (RjF) wurde im Februar 1919 auf Initiative von Leo Löwenstein gegründet. Seine Zielsetzung war die Abwehr des Antisemitismus in Deutschland unter Berufung auf die Tatsache, dass im Ersten Weltkrieg etwa 85.000 deutsche Juden gekämpft hatten, von denen etwa 12.000 fielen.

„Der RJF sieht die Grundlage seiner Arbeit in einem restlosen Bekenntnis zur deutschen Heimat. Er hat kein Ziel und kein Streben außerhalb dieser deutschen Heimat und wendet sich aufs schärfste gegen jede Bestrebung, die uns deutsche Juden zu dieser deutschen Heimat in eine Fremdstellung bringen will.“

Der RjF hatte schnell mehr als 30.000 Mitglieder, und ihre Zahl stieg auf zeitweise etwa 55.000. Er war damit die mitgliederstärkste Organisation des deutschen Judentums in der Weimarer Republik. Fast die Hälfte der überlebenden jüdischen Frontkämpfer wurde Mitglied in den ca. 500 Ortsgruppen. Dem RjF angeschlossen waren ein jüdischer Sportbund „Schild“, die Kriegsopferabteilung sowie ein Siedlungswerk. Von 1921 bis 1938 erschien als Verbandszeitung „Der Schild“. Die erste Gründung von RjF-Sportgruppen „Schild“ führt auf Selbstschutzpläne des RjF vom Sommer 1923 zurück. Anlass waren die pogromartigen, nahezu ausschließlich gegen Juden gerichteten "Scheunenviertelkrawalle" vom November 1923. Der Reichsbund bildete, nachdem die Polizei die tagelangen Krawalle zunächst nicht unter Kontrolle bekam, eigene bewaffnete Patrouillen, die die Aufgabe hatten, ihre Glaubensgenossen bis zum Eingreifen der Polizei zu schützen.

Neben einem Gedenkbuch Die jüdischen Gefallenen des deutschen Heeres, der deutschen Marine und der deutschen Schutztruppen 1914–1918 mit den Namen der 12.000 gefallenen Juden gab der RjF 1924 eine Neuauflage des Buches Jüdische Flieger im Weltkrieg von Felix Aaron Theilhaber heraus, auf dem Titel das Flugzeug des Kampffliegers Fritz Beckhardt, das mit einem Hakenkreuz verziert war.

Im Unterschied zu den Zionisten strebte der RjF mehrheitlich die Assimilation der Juden in die deutsche Gesellschaft an. Dieses Ziel sollte unter anderem dadurch gefördert werden, dass Juden Ausbildungen in Berufen vermittelt wurden, die ihnen jahrhundertelang versperrt gewesen waren, vor allem in der Landwirtschaft, aber auch im Handwerk. Mit zunehmendem Druck auf die Juden nach der Machtübernahme der NSDAP ergab sich dann in dieser Zielsetzung eine Gemeinsamkeit mit den Zionisten: Die Ausbildungen, die von zionistischen Kreisen im Rahmen der Hachschara durchgeführt wurden, erleichterten nach dem Verlassen Deutschlands die Begründung neuer Existenzen in den Auswanderungsländern.

1936 wurde dem RjF jegliche politische Tätigkeit untersagt, und 1938 wurde der Reichsbund ganz aufgelöst.

Bund jüdischer Soldaten

Der am 8. November 2006 von jüdischen Bundeswehrsoldaten in Gerolstein/Eifel gegründete „Bund jüdischer Soldaten (RjF) e.V.“ unterscheidet sich aufgrund der geschichtlichen Erfahrungen vom RjF insbesondere in der Ablehnung eines antizionistischen, assimilatorischen Kurses. Stattdessen wird die Integration jüdischer Staatsbürger in die Parlamentsarmee Bundeswehr als Ausdruck einer multiethnischen und multireligiösen Demokratie begrüßt. Neben der Aufgabe „der Bewahrung des Andenkens an die jüdischen Soldaten, die in den Armeen der deutschen Staaten, der Armee des Kaiserreiches und der Weimarer Republik dienten, die in den Kriegen des 19. Jahrhunderts und vor allem im Ersten Weltkrieg für Deutschland kämpften und ihr Leben ließen“ ist der Bund jüdischer Soldaten auch Interessenvertretung jüdischer Bundeswehrsoldatinnen und -soldaten einschließlich der Abwehr antisemitischer Bestrebungen innerhalb und außerhalb der Streitkräfte. Hierzu werden Bildungsprojekte, Forschungsvorhaben und Gedenkveranstaltungen durchgeführt. Die Ergebnisse der Arbeiten werden in der unregelmäßig erscheinenden Vereinszeitung "Der Schild" oder von den Autoren im eigenen Namen veröffentlicht. Mit der selten verliehenen Bernhard-Weiß-Medaille ehrt der Verein Verdienste um den Kampf gegen Antisemitismus, um die jüdischen Soldaten und um die Aufrechterhaltung der Erinnerung an die jüdischen Gefallenen und die jüdischen Frontsoldaten, die im Widerstand und im Holocaust ums Leben kamen.

Ehrung der gefallenen jüdischen Soldaten und der Opfer der Shoa 2010

Der Bund jüdischer Soldaten mit 12 Gründungsmitgliedern (Michael Berger (Vorsitzender), Gideon Römer-Hillebrecht (Stellvertreter), Rainer Rouven Hoffmann (Geschäftsführer) und Michael Fürst (Ehrenvorsitzender)) schätzt nicht nur aufgrund der eigenen Mitgliederzahlen (2008: 19, 2013: 40), dass zunehmend mehr Jüdinnen und Juden die Bundeswehr als interessanten Arbeitgeber sehen. Diese Entwicklung liegt insbesondere darin begründet, dass die junge Generation der aus den ehemaligen Sowjetrepubliken stammenden Immigranten sich weniger in einer Opferrolle, denn als Nachfahren von Siegern im Krieg gegen das nationalsozialistische Deutschland sehen. Das Bundesverteidigungsministerium und das Sozialwissenschaftliche Institut der Bundeswehr schätzen zugleich, dass 2012 etwa 200 Juden in der Bundeswehr dienen, die meisten von ihnen Kontingenteinwanderer aus Osteuropa.

Literatur

  • Michael Berger: Eisernes Kreuz und Davidstern. Die Geschichte Jüdischer Soldaten in Deutschen Armeen. trafo verlag, Berlin 2006, ISBN 3-89626-476-1.
  • Michael Berger: Eisernes Kreuz – Doppeladler – Davidstern. Juden in deutschen und österreichisch-ungarischen Armeen. Der Militärdienst jüdischer Soldaten durch zwei Jahrhunderte. trafo verlag, Berlin 2010, ISBN 978-3-89626-962-1.
  • Michael Berger, Gideon Roemer-Hillebrecht: Juden und Militär in Deutschland: Zwischen Integration, Assimilation, Ausgrenzung und Vernichtung. Nomos Verlag, Baden-Baden 2009, ISBN 978-3-8329-4471-1.
  • Michael Berger, Gideon Roemer-Hillebrecht: Jüdische Soldaten - Jüdischer Widerstand in Deutschland und Frankreich. Schöningh Verlag, Berlin 2012, ISBN 978-3-506-77177-3.
  • Ulrich Dunker: Der Reichsbund jüdischer Frontsoldaten 1919–1938. Geschichte eines jüdischen Abwehrvereins. Droste, Düsseldorf 1977, ISBN 3-7700-0479-5.
  • Hans-Christian Kokalj: „Kampf um die Erinnerung“. Jüdische Frontkämpfer des Ersten Weltkriegs und ihr Widerstand gegen die rechtspopulistische Propaganda in der Weimarer Republik. In: Tobias Arand (Hrsg.): Die „Urkatastrophe“ als Erinnerung. Geschichtskultur des Ersten Weltkriegs. Münster 2006, ISBN 3-934064-67-1, S. 81–98.
  • Der Schild, Zeitschrift des Reichsbundes jüdischer Frontsoldaten. Berlin 1921–1938 (online).
  • Der Schild. hrsg. vom Bund jüdischer Soldaten (RjF) durch den Vorsitzenden, Berlin (seit 2007), ISSN 1865-6595.

Weblinks