Wikipedia:I2010/Antwortschreiben

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Zur Navigation springen Zur Suche springen

Diese Seite gehört zum Wikipedia-Archiv.

Der Inhalt dieser Seite ist nicht mehr aktuell. Sie wird aber nicht gelöscht, damit die Geschichte der Wikipedia nicht verloren geht. Falls es sich um eine Arbeitsunterlage handelt, ist sie womöglich durch andere Seiten ersetzt worden. Bestehende Weiterleitungen auf diese Seite sollen das Wiederauffinden ermöglichen.

Wenn du meinst, diese Seite sei weiterhin von aktueller Bedeutung, solle weiter benutzt werden und ihre Funktion sei nicht besser in bestehende Seiten integriert, dann kümmere dich bitte um ihre Aktualisierung.

Wikimedia Deutschland - Gesellschaft zur Förderung des freien Wissens e.V. ist ein gemeinnütziger Verein mit Sitz in Deutschland. Freies Wissen basiert auf freien Inhalten, und aus diesem Grund fördert der Verein freie Inhalte. Freie Inhalte im Sinne des Vereins sind alle Werke, die von ihren Urhebern unter eine Lizenz gestellt werden, die es gestattet, diese Werke kostenlos zu verbreiten und zu bearbeiten. Zu den bekanntesten von Wikimedia Deutschland e.V. geförderten Projekten gehört die freie Online-Enzyklopädie Wikipedia. Wikipedia gibt es bereits in über 100 Sprachen, darunter alle 20 Sprachen der EU. Unter den 10 größten Sprachversionen, die alle jeweils mehr als 100.000 Artikeln enthalten, befinden sich 9 europäische Sprachen. Die Wikipedia erhält etwa 20 Millionen Zugriffe pro Tag allein aus der EU und gehört gemessen nach Zugriffszahlen zu den 30 populärsten Internetseiten weltweit. (Quelle: Alexa.com)

Die Inhalte der Wikipedia werden von mehr als 30.000 aktiven Freiwilligen gemeinsam in einem so genannten Wiki-System erstellt. Dabei können alle Artikel von allen interessierten Lesern direkt bearbeitet und kommentiert werden. Auf diese Weise kann jeder interessierte EU-Bürger im Dialog mit tausenden anderen Menschen weltweit sein Wissen einbringen und für andere nutzbar machen. Die dabei erstellten Inhalte stehen als freie Inhalte unter der GNU-Lizenz für freie Dokumentation (GFDL) oder vergleichbaren Lizenzen zur Weiternutzung, auch kommerzieller Art, zur Verfügung.

Die Wikipedia wird ebenso wie weitere Projekte von der US-Amerikanischen Wikimedia Foundation betrieben. Zu den bedeutensten anderen Projekten zählen unter anderem die Wikimedia Commons, ein freies Multimedia-Archiv, sowie das Wiktionary, ein Projekt zum Aufbau eines freien mehrsprachigen Wörterbuches. Eine komplette Liste der Projekte findet sich auf http://www.wikimedia.org. In dem geplanten Projekt Wikiversität sollen E-Learning-Materialien und Lehrunterlagen zum Selbststudium oder zur Anwendung in traditionellem Unterricht kommentiert und strukturiert angeboten werden.

Wikimedia Deutschland steht als eigenständiger Förderverein eng mit der Wikimedia Foundation in Kooperation. Weitere lokale Vereine existieren in Frankreich, Italien, Polen und Serbien; Wikimedia-Vereine in anderen EU-Ländern sind in der Gründungsphase.

Wikimedia Deutschland e.V. begrüßt die Beschäftigung der Kommission mit dem Thema der Digitalisierung und freut sich insbesondere, dass der Begriff der Gemeinfreiheit eine wichtige Rolle spielt. Sehr stark im Vordergrund stehen jedoch die Interessen von Forschung und Lehre, hier sollte die Zivilgesellschaft eine größere Rolle spielen.

Hierzu sollen auch Fördermöglichkeiten für außeruniversitäre Organisationen und Projekte geschaffen werden. Private und wirtschaftliche Initiativen zur Erstellung und Verwertung audiovisuellen Materials würden zunehmen, wenn, zumindest für öffentlich finanziertes Material, die Schutzfristen deutlich kürzer wären. In diesem Zusammenhang möchte Wikimedia Deutschland unterstreichen, wie wichtig es ist, freie Lizenzen zu verwenden, die auch eine kommerzielle Nutzung gestatten. Dies erhöht das Interesse der Industrie sich einzubringen und schafft im besten Falle neue Arbeitsplätze durch neue Projekte mit diesen Materialien. Dass eine kommerzielle Verwendung von freien Inhalten möglich ist, zeigt beispielsweise die Zenodot Verlagsgesellschaft aus Berlin mit ihrer Taschenbuchreihe WikiPress, deren Bände Artikel aus der Wikipedia enthalten.

Zu den speziellen Fragen möchte Wikimedia Deutschland folgende Anmerkungen machen:

1) Welche zusätzlichen Maßnahmen könnten auf nationalem und europäischem Niveau getroffen werden, um Digitalisierung und Online-Zugänglichkeit von Material in allen europäischen Sprachen zu fördern?

Die freie Weiterverwendung des Materials und eine Plattform, die die Mitarbeit einer Community ermöglicht, können eine Vielzahl von Mitarbeitern anziehen. Dies ist insbesondere dort hilfreich, wo Material übersetzt werden soll oder auch bei der Korrektur von OCR-Ergebnissen von Scans (wie beispielsweise im Projekt Runeberg unter http://runeberg.org). Für solche von Vereinen und Privatpersonen initiierten Projekte sollte die EU Möglichkeiten schaffen, um diese Initiativen finanziell zu fördern und zu unterstützen. So sollten auch für diese Projekte die Möglichkeit geschaffen werden, sich um EU-Fördergelder zu bewerben.

2) Welche Maßnahmen könnten getroffen werden, um private Investitionen und neue Geschäftsmodelle für die Digitalisierung und das Zugänglichmachen von historischen Sammlungen zu begünstigen, wie beispielsweise Partnerschaften zwischen dem öffentlichen und privaten Sektor?

Nur wenn für digitalisierte historische Werke die Möglichkeit besteht, sie in einem neuen Kontext zu nutzen, wird verhindert, dass Investitionen zur Digitalisierung doppelt getätigt werden müssen. Dies schließt auch die Erlaubnis ein, dass die von der EU geförderten Digitalisierungen durch Dritte kommerziell verwertet werden. Zur Bedingung könnte aber gemacht werden, dass Verbesserungen des Materials wieder unter freien Lizenzen veröffentlicht werden müssen.

Im Bereich von Fernseh- und Radioproduktionen, insbesondere von öffentlich-rechtlich geförderten Produktionen, stehen die sehr langen Schutzfristen einer Unterstützung durch Dritte im Wege. Insbesondere Dokumentarisches und Nachrichtenmaterial können auch nach einer Neuheitenschutzfrist von 2 – 5 Jahren für Forschung und Lehre von Interesse sein. Durch diesen Anreiz würden sowohl Universitäten als auch Förderer von Schulen und Unternehmen ein erhöhtes Interesse an einer Digitalisierung dieses Materials erhalten.

3) Welche Maßnahmen legislativer, technischer, organisatorischer oder anderer Art könnten die Digitalisierung von und nachfolgende Zugänglichkeit zu urheberrechtlich geschütztem Material bei gleichzeitigem Schutz der legitimen Interessen der Autoren erleichtern?

Die freie Verfügbarkeit digitalisierter Werke ermöglicht den Vergleich und somit die leichtere Entdeckung von Plagiaten und Urheberrechtsverletzungen. Technische und legislative Einschränkungen der Nutzungsmöglichkeiten digitaler Medien verkennen die Möglichkeiten des Mediums und behindern die Transparenz. Stattdessen sollten Möglichkeiten dafür geschaffen werden, dass Autoren ihre Urheberschaft an neuen Werken durch deren freie Veröffentlichung anmelden können.

4) Hat das Thema “verwaistes” Material eine wirtschaftliche Bedeutung und ist es in der Praxis relevant? Falls dies zutrifft, welche technischen, organisatorischen und rechtlichen Mechanismen könnten eine breitere Nutzung dieses Material begünstigen?

“Verwaistes” Material, deren Rechteinhaber sich nicht mehr ermitteln lassen, ist praktisch nicht öffentlich nutzbar. Aufgrund der Rechtsunsicherheit sind Investitionen zur Nutzung dieser Materialien nicht tragbar, was sogar dazu führt, dass Inhalte unwiederbringlich verloren gehen. Diese Beschränkung betrifft sowohl die nichtkommerzielle als auch die wirtschaftliche Nutzung. Vor allem bei Bildmaterial gestaltet sich die Suche nach den Rechteinhabern als äußerst schwierig. Auch wenn sich Rechteinhaber durch Suche ermitteln lassen, verursacht die aufwändige Recherche unnötigen volkswirtschaftlichen Schaden. Ideal wäre eine Verkürzung der allgemeinen Schutzfrist (Beispielsweise auf 10 Jahre) für alle Werke zur Vergrößerung des Gemeinguts (Public Domain) und des allgemeinen wissenschaftlichen und künstlerischen Fortschritts. Eine Verlängerung von Schutzfristen bis zu einer gewissen Maximaldauer (beispielsweise 50 Jahre) sollte nur über eine zusätzliche Gebühr möglich sein, mit der sich eine öffentlich zugänglichen Datenbank geschützer Werke und ihrer Rechteinhaber erstellen ließe.

5) Wie könnte gemeinfreies Material und anderes Material für allgemeine Nutzung (beispielsweise durch freiwilliges Bereitstellen von urheberrechtlich geschütztem Material durch den Rechtsinhaber zur Nutzung für bestimmte Zwecke) transparenter gestaltet und besser bekannt gemacht werden, um seine Online-Verfügbarkeit und die nachfolgende Nutzung zu erleichtern?

Eine Chance bieten die Creative Commons-Lizenzen. Dieser Pool von Lizenzen erlaubt es, für Materialien, die frei im Internet verfügbar sind festzulegen, in welcher Weise und unter welchen Bedingungen sie weiterverwendet werden dürfen. Zu bevorzugen sind die Creative Commons-Lizenzen, die eine kommerzielle Nutzung gestatten und auch Veränderung erlauben. Ein weiterer Vorteil dieser Lizenzen ist, dass es sie jeweils in drei Formen gibt, eine einfach verständliche menschenlesbare mit Piktogrammen, eine ausführlich rechtliche und eine maschinenlesbare Form, die sich in die Metadaten von Objekten einbinden lässt.

Um eine Nutzung von gemeinfreiem Material zu vereinfachen, muss dieses möglichst transparent aufbereitet werden. Freie Formate (HTML, XML, PNG, OGG etc..) sind bei der Veröffentlichung properitären Formaten vorzuziehen. So wird die individuelle Nutzung in einem breiten Zielspektrum ermöglicht. Solche Formate sind die Voraussetzung für Barrierefreiheit. Die Quellen sollten für eine Weiternutzung des Materials einfach und dauerhaft referenzierbar sein. Eine gute Basis hierfür bilden die Zugänglichkeitsrichtlinien für Web-Inhalte 1.0 vom World Wide Web Consortium (http://www.w3.org/1999/05/WCAG-REC-fact.html).

6) Welche Maßnahmen – insbesondere organisatorischer und rechtlicher Natur – sollten auf nationaler und europäischer Ebene vorrangig getroffen werden, um die Bewahrung von digitalen Inhalten mit den knapp verfügbaren Ressourcen zu optimieren?

Nur freie und standardisierte Formate können eine Langzeitarchivierung gewährleisten. Gerade bei audiovisuellem Material hat sich gezeigt, dass es eine Strategie der Langzeitarchivierung sein kann, möglichst viele Kopien eines Inhalts zuzulassen. Ein schönes Beispiel in diesem Zusammenhang ist die Geschichte der frühen „Doctor Who“-Folgen. Die BBC hat in den 80er Jahren aus Kostengründen beschlossen die archivierten Folgen zu löschen. Als dann erkannt wurde, dass auch die alten Folgen von Fans auf DVD nachgefragt werden, stand die BBC vor einem Problem. Fans haben sich zusammengeschlossen und einen Aufruf an alle Personen gestartet, die Kopien gemacht haben (z.B. mit einer Filmkamera eine Folge vom Fernseher abgefilmt haben), diese einzusenden, damit die alten Folgen wieder hergestellt werden können. Nicht vergessen werden darf auch, dass Lösungen zur Archivierung von neuen Medien wie Weblogs, Wikis und Computerspielen gefunden werden müssen.

7) Besteht das Risiko, dass nationaler Depotzwang zu einer Vervielfältigung von Zwängen für international tätige Unternehmen führt? Könnte europäische Gesetzgebung dazu beitragen, dies zu vermeiden?

Wichtig ist eine Koordinierung der Depotinstitutionen auf europäischer Ebene. Dazu sollten die bei der Archivierung anfallenden Katalogdaten in einheitlichen Formaten frei zur Verfügung gestellt werden. Ein zentrales europäisches Depot ist nicht sinnvoll und bei freier Verfügbarkeit der erschlossenen Daten überflüssig.

8) Wie könnte die Forschung zum Fortschritt bei der Bewahrung beitragen? Welche Wege sollten vom künftigen wissenschaftlichen Forschungsprogramm im Rahmen des 7. Forschungsrahmenprogramms vorrangig beschritten werden?

Folgende Bereiche sollten gezielt gefördert werden

  • Plattformen und Projekte, in denen Nutzer an der Erzeugung und Verbesserung in Inhalten beteiligt sind,
  • Abbau von Schutzfristen und Entwicklung alternativer Vergütungsformen,
  • Zugänglichmachung von Inhalten und Metadaten über offene Webschnittstellen,
  • Verstärkte Nutzung von offenen Standards und Formate

Grundsätzlich sollten Förderungen an die Bedingung geknüpft werden, dass die in geförderten Projekten erschlossenen Inhalte unter einer freien Lizenz zur Verfügung gestellt werden. Danke für die ??