„Der Graf (Film)“ – Versionsunterschied

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Version vom 28. Juni 2014, 16:14 Uhr

Der Graf

ist der deutsche Titel des amerikanischen Two-Reelers “The Count”, den Charles Chaplin 1916 als fünften Film für die Mutual Co. nach einem Drehbuch realisierte, das er zusammen mit Vincent Bryan und Maverick Terrell geschrieben hatte. In Amerika hieß er auch The phoney Nobleman. Der Film kam am 4. September 1916 in die amerikanischen Kinos.


Film
Titel Der Graf
Originaltitel The Count
Produktionsland Amerika
Originalsprache englisch
Erscheinungsjahr 1916
Länge 2 reels, 609½ Meter, bei 22 BpS 24 Minuten
Stab
Regie Charles Chaplin
Drehbuch Charles Chaplin, Vincent Bryan, Maverick Terrell
Produktion Henry B. Caulfield
Kamera Roland Totheroh, William C. Foster, George C. Zalibra
Schnitt Charles Chaplin
Besetzung

Handlung

Schneidergeselle Charlie (Charles Chaplin) brennt einem Kunden beim Bügeln ein Loch seine Hose, woraufhin ihn sein Chéf (Eric Campbell) hinauswirft. Der Schneidermeister findet in der Tasche der Hose eine Absage des Grafen Broko auf eine Einladung zu einer Gesellschaft bei Fräulein Geldsack (Edna Purviance) und geht statt seiner hin, wobei er sich als Graf Broko ausgibt. Charlie geht auch hin, aber in die Küche, weil ihm die Köchin (Eva Thatcher) gefällt. Leider gefällt die auch einem Diener (James T. Kelley) und einem Polizisten (Frank J. Coleman). Der falsche Graf dagegen hat es auf die Dame des Hauses abgesehen. Als er dort auf Charlie trifft, nötigt er ihn, so zu tun, als ob er sein Sekretär wäre. Doch kaum haben sie den Ballsaal betreten, kehrt Charlie kurzerhand die Rollen um. Er spielt nun den Grafen und schwebt alsbald mit der Gastgeberin übers Parkett.

Da erscheint der richtige Graf Broko (Leo White) auf der Bildfläche. Er deckt den Schwindel auf und holt die Polizei. In einer verrückten Verfolgungsjagd kann Charlie gerade noch mal entkommen, während sein Meister verhaftet wird.

Hintergrund

“Der Graf” entstand im Lone Star Studio, 1751 Glendale Boulevard, Hollywood, Los Angeles, California, USA; die Photographie lag in den Händen von Roland Totheroh und William C. Foster, denen George C. Zalibra assistierte. Die Ausstattung besorgte der Requisiteur George Cleethorpe. Die technische Leitung hatte Edward Brewer.

Nach Deutschland kam "Der Graf" erst nach dem Ersten Weltkriege, wo er unter Titeln wie "Charlie als Pseudo-Graf", “Charlie als Schneider” o.ä.[1] gezeigt wurde.

Im Jahre 1932 kaufte Amedee van Beuren von den Van Beuren Studios die ‘Mutual’-Komödien Chaplins auf. Er unterlegte sie mit Musik von Gene Rodemich und Winston Sharples, fügte Geräuscheffekte hinzu und vertrieb sie als Tonfilme über die RKO Radio Pictures, ohne daß Chaplin rechtlich dagegen etwas unternehmen konnte[2].

“Der Graf” wurde 2013 im Rahmen des Chaplin-Mutual-Project[3] mit finanzieller Unterstützung durch die George Lucas-Familienstiftung und die The Material World Charitable Foundation restauriert[4].

Rezeption

“This is another fine Charlie Chaplin movie where he does some nice satire on higher society.“ ( )

"Chaplin's anti-authoritarian films gave life to the phantasies of his audience. In The Count (1916) and The Rink (1916) he delighted in lambasting the affectations of elite ‘society’ and and their fawning obsession with European aristocracy." (Ross S. 19)

“Der Graf” war Chaplins bislang aufwändigster und teuerster Film. Die leicht verworrene Geschichte erforderte mehrere große Dekorationen und ziemlich viele Statisten. Die Handlung, in der es wieder einmal darum geht, daß einer vorgibt, ein reicher Mann zu sein, bietet eine gute Grundlage nicht nur für lächerliche Szenen mit absurden gags und lustigem slapstick, sondern auch für Gesellschaftskritik.

Die ‘Feinen Leute’ werden alle als komplette Naivlinge dargestellt, die auf die Tricks von Charlie und seinem Chéf hereinfallen, sogar dann noch, als diese für Grafen unmögliche Tischmanieren an den Tag legen oder anderes “ungebildetes” Verhalten zeigen. Sie stellen den Betrug nicht infrage, bis der Tramp betrunken ist und anfängt, mit Torten um sich zu werfen. Unser Held macht sich sowieso nicht viel Gedanken, er wollte nur die ganze Zeit über seinen Spaß haben (und uns solchen machen) und verkauft sowohl seinen Exchef als auch den ganzen Haufen reicher snobs einfach für dumm[5].

“Aus den acht oder zehn Filmen, die bis jetzt nach Deutschland gekommen sind, bleibt eine Fülle von Einzelheiten haften, deren jede vollendet gespielt ist.” schrieb Kurt Tucholsky am 22. Juli 1922 im Prager Tageblatt[6] über Chaplins Kunst.

So wartet er in The Count außer mit einem olfaktorischen gag (der stinkende Käse in der Küche) auch mit einem akustischen (im Stummfilm !) auf: während sie Suppe essen, bedeutet Charlie seinem Chéf durch Gesten, er solle nicht so schlürfen, damit er verstehen könne, was Frl. Geldsack (Edna Purviance) zu ihm sagt[7].

Für Heiterkeit sorgt Chaplins spezielle Art, eine Wassermelone zu verspeisen, er ißt sie so, daß er sich danach die Ohren reinigen muß. Sein Spazierstöckchen gebraucht er einmal wie einen Golfschläger, ein anderes Mal wie einen Billiardstock, um eine Torte zu demolieren.

“Als Schneidergeselle in The Count nimmt er an einer korpulenten Dame Maß – natürlich entgegen den Regeln. Er tut sich schwer, mißt Nase, Ohren, Hals und Fingerlänge, ganz prekär wird es bei besonderen Stellen, wie der Taille. Derweil brennt das Bügeleisen ein Loch in die zugeschnittenen Stoffteile. Als falscher Graf gerät er auf einer Party in eine schnelle Folge urkomischer Situationen. Charlie tanzt Walzer grotesk, Swingfox und Charleston, zieht am Kronleuchter, schwingt in der Hollywoodschaukel, kreiert ein absurdes Capriccio filmischer Bewegungen.” (Babette Kaiserkern)

Wenn Charlie in The Count Tango tanzt, scheinen der obere und der untere Teil seines Körpers nicht zusammen zu passen, sie drehen sich in verschiedene Richtungen wie der Turm eines Panzerwagens. Als nach der Tortenschlacht das Parkett übermäßig schlüpfrig geworden ist, werden Charlies Bewegungen noch exzentrischer, als liefe er auf Rollschuhen, sein Stöckchen wie den Hebel einer Gangschaltung drehend. (Bilton S. 98)

“In his role as the vagabond, Chaplin represents an underdog that the audience can sympathize with. As the underdog, he is overlooked by society. It is this status as outsider that is key to Chaplin's success at social commentary. Like the court jester or the Shakespearean fool, the tramp can point out society's idiosyncrasies without being persecuted. Not only is he not chastised for his critique on society, he is applauded with laughter.” (A. Miller, 2009)

Wiederaufführungen

Bei der 15. Rostocker Stummfilmnacht in der Nicolaikirche wurde "Der Graf" am 10. Oktober 2010 zusammen mit Chaplins Mutual-Filmen Behind the screen und The champion gezeigt. An der Orgel begleitete Dirk Wüstenberg[8]

Unter dem Motto "Kino wie vor fast 100 Jahren erleben" wurde er bei einem Stummfilmkonzert für Kinder im Filmmuseum Potsdam am 3. August 2012 um 10 Uhr, zusammen mit The Fireman, aufgeführt; begleitet auf der Welte-Kinoorgel, einem “klanggewaltigen Instrument, das 30 Musiker ersetzen kann”[9].

Der Kulturkanal Arte strahlte den Film am Dienstag den 24. Dezember 2013 um 13.15 Uhr im deutschen Fernsehen aus, begleitet mit Musik von Donald Sosin[10].

Mehrere Verlage haben The Count inzwischen auf DVD in den Handel gebracht[11].

Literatur

Alan Bilton : Silent Film Comedy and American Culture. Basingstoke, Hampshire: Verlag Palgrave Macmillan, 2013. ISBN 9781137020260. Länge 256 Seiten (englisch)

David Gerstein : Charlie and the Iconic Construct of Class. In: Cartoonresearch.com 1995[12] (englisch)

Fritz Hirzel : Chaplins Schatten. Bericht einer Spurensicherung. 472 Seiten, bebildert. Kaleidoskop, Paperback, Zürich 1982

Lewis Jacobs : The Rise of the American Film. A Critical History. Verlag Harcourt, Brace, 1939, Länge 585 Seiten, hier S. 226-247, bes. 234 (englisch)

Babette Kaiserkern : Charlie tanzt, in: Potsdamer Neueste Nachrichten vom 28.04.2008[13]

Kenneth S. Lynn: Chaplin - His Life and Times. Simon & Schuster : New York, 1997. ISBN 0-6848-0851-X : 608 pages. Cooper Square Press : New York, 2003. ISBN 0-8154-1255-X (2003). Carl Bennett : Book review bei silentera[14](englisch)

Roger Manvell : Chaplin. Verlag Hutchinson, 1975, Länge 240 Seiten. Hier S. 98 (englisch)

Paul Merton : Silent Comedy. Verlag Random House, 2010. ISBN 9781409035664. Länge 368 Seiten, hier S. 85, 89, 102, 110 (englisch)

Autumn Miller : A Tribute to the Tramp. An Analysis of the Comedic Contributions of Charlie Chaplin, in: Yahoo Contributor Network May 11, 2009[14] (englisch)

James L. Neibaur : Early Charlie Chaplin. The Artist as Apprentice at Keystone Studios (= G - Reference, Information and Interdisciplinary Subjects Series). Jllustrierte Ausgabe, Verlag Scarecrow Press, Lanham, Maryland/USA, 2012. ISBN 780810882423. Länge 237 Seiten, hier S. 212, 223, 226 (englisch)

Steven J. Ross : Hollywood Left and Right. How Movie Stars Shaped American Politics. Oxford University Press, 2011. Länge 512 Seiten (englisch)

Raoul Sobel, David Francis : Chaplin: genesis of a clown, illustrierte Ausgabe. Verlag Quartet Books, 1977. Länge 253 Seiten, hier S. 205 (englisch)

Jeffrey Vance : Mutual - Chaplin Specials, adapted from his book Chaplin: Genius of the Cinema (New York, 2003)[15] (englisch)

Friedrich von Zglinicki : Der Weg des Films. Geschichte der Kinematographie und ihrer Vorläufer. Berlin, Rembrandt Verlag 1956. Hier S. 515, 517-520

Film

  • The Count bei youtube[16]
  • The Count bei Internet Archive Silent Movies [17]

Abbildungen

  • Ankündigung der Mutual Co. released on Monday Sept. 4th[18]
  • Werbeanzeige der Mutual Co. in Moving Picture World, September 23, 1916[19]
  • Kinoplakat der Mutual Co. 1916[20]
  • Standbild (Chaplin mit Campbell und Kundin)[21]
  • Standbild (Chaplin und Purviance)[22]
  • Standbild (Aushangphoto mit Campbell, Chaplin, Kelley, Purviance u. White)[23](tinted)
  • Standbild (Charlie versteckt sich im Speiseaufzug)[24]
  • Photo von Charles Chaplin ohne Maske[25]
  • Photo von Eric Campbell ohne Maske[26]
  • Photo von den Dreharbeiten aus Picture-Play, December 1916 (Chaplin mit seinen Kameramännern, rechts: Rollie Totheroh)[27]

Einzelnachweise

  1. vgl. Zglinicki S. 519
  2. vgl. WaverBoy, entry #285, 29 May 2007[1]
  3. Die Filme des THE CHAPLIN ESSANAY-MUTUAL PROJECT wurden restauriert von: La Fondazione Cineteca di Bologna und Lobster Films, in Zusammenarbeit mit Film Preservation Associates und Chaplin Office.
  4. vgl. imdb.com[2] und Serge Bromberg, August 1, 2013[3]
  5. vgl. tumblr.com[4] (anon., April 9, 2013): ... social satire. The rich people are all presented as totally naive and easily taken by Chaplin and his boss’s tricks. Even when they’re displaying awful table manners or other uncharacteristic “unrefined” behavior, they never question the ruse until The Tramp gets drunk and starts throwing cake everywhere...”
  6. Artikel "Der berühmteste Mann der Welt", vgl. textlog.de[5]
  7. vgl. Merton S. 85-86
  8. vgl. stummfilmnacht.de[6]
  9. vgl. astoria.de[7]
  10. vgl. arte.tv[8]
  11. vgl. Dr. Achim Lewandowski: DVD-Empfehlung Nr 7 - Filme mit Charlie Chaplin[9]
  12. vgl. cartoonresearch.com[10]
  13. on line unter pnn.de[11]
  14. on line unter yahoo.com[12]
  15. © 2009 Roy Export SAS[13]