„Union islamischer Gerichte“ – Versionsunterschied

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== Geschichte ==
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Angesichts des jahrzehntelangen Fehlens staatlicher Autorität, weitreichender [[Anomie]] und des Verfalls von Recht und Gesetz im [[Somalischer Bürgerkrieg|somalischen Bürgerkrieg]] seit 1991 schlossen sich islamische Geistliche und mit ihnen sympathisierende islamistische [[Kriegsfürst]]en zu einer Union zusammen, die die Ordnung wiederherzustellen versucht, indem sie sich auf islamische [[Scharia]]-Rechtsauslegung und -tradition stützt, aber auch Selbsthilfegruppen zur Versorgung der kriegsmüden Bevölkerung organisiert. Die Rechtsauslegung der einzelnen Gerichte variiert von moderatgläubigen [[Sufismus|Sufis]] somalischer Tradition bis zu strenggläubigen [[Islamismus|Islamisten]] [[Saudi-Arabien|saudischer]] ([[Wahhabismus|wahhabitischer]]) Tradition. Während [[Sharif Sheikh Ahmed]] als gemäßigte Führungspersönlichkeit der Union gilt, wird [[Hassan Dahir Aweis]] als Vertreter einer radikaleren Haltung gesehen.
Angesichts des jahrzehntelangen Fehlens staatlicher Autorität, weitreichender [[Anomie]] und des Verfalls von Recht und Gesetz im [[Somalischer Bürgerkrieg|somalischen Bürgerkrieg]] seit 1991 schlossen sich islamische Geistliche und mit ihnen sympathisierende islamistische [[Kriegsfürst]]en zu einer Union zusammen, die die Ordnung wiederherzustellen versucht, indem sie sich auf islamische [[Scharia]]-Rechtsauslegung und -tradition stützt, aber auch Selbsthilfegruppen zur Versorgung der kriegsmüden Bevölkerung organisiert. Die Rechtsauslegung der einzelnen Gerichte variiert von moderatgläubigen [[Sufismus|Sufis]] somalischer Tradition bis zu strenggläubigen [[Islamismus|Islamisten]] [[Saudi-Arabien|saudischer]] ([[Wahhabismus|wahhabitischer]]) Tradition. Während [[Sharif Sheikh Ahmed]] als gemäßigte Führungspersönlichkeit der Union gilt, wird [[Hassan Dahir Aweis]] als Vertreter einer radikalen Haltung gesehen.


Im November 2005 wurde in einigen Stadtteilen Mogadischus von solchen Gerichten die Schließung von Kinos und Videotheken angeordnet sowie Tanzhallen verboten<ref>[[Die Welt|Die Welt-online]] vom 24. Juli 2006, [http://www.welt.de/data/2006/07/24/970540.html]</ref>. Ein kurz vor der [[Fußball-Weltmeisterschaft 2006]] erlassenes Verbot, sich die Übertragung von Spielen anzuschauen, wurde nach öffentlichen Protesten, die ein<!--sic! Hier ist der Akkusativ zu verwenden--> Mädchen und einen Kinobesitzer das Leben kosteten, wieder zurückgezogen<ref>[[Der_Spiegel|Spiegel-online]] vom 19. Juni 2006, [http://www.spiegel.de/politik/ausland/0,1518,422305,00.html]</ref><ref>[[Der_Spiegel|Spiegel-online]] vom 12. Juli 2006, [http://www.spiegel.de/politik/ausland/0,1518,426254,00.html]</ref><ref>[[BBC|BBC News]] vom 11. September 2006, [http://news.bbc.co.uk/2/hi/africa/5334258.stm BBC News: Somalia's Islamists take key town]</ref>. Im Dezember 2006 hat ein islamischer Geistlicher in der Stadt [[Buulobarde]] mit der Hinrichtung für alle gedroht, die sich nicht fünf Mal am Tag zum Gebet niederließen<ref>[[Der Spiegel|Spiegel-online]] vom 26. Dezember 2006, [http://www.spiegel.de/politik/ausland/0,1518,456587,00.html]</ref>.
Im November 2005 wurde in einigen Stadtteilen Mogadischus von solchen Gerichten die Schließung von Kinos und Videotheken angeordnet sowie Tanzhallen verboten<ref>[[Die Welt|Die Welt-online]] vom 24. Juli 2006, [http://www.welt.de/data/2006/07/24/970540.html]</ref>. Ein kurz vor der [[Fußball-Weltmeisterschaft 2006]] erlassenes Verbot, sich die Übertragung von Spielen anzuschauen, wurde nach öffentlichen Protesten, die ein<!--sic! Hier ist der Akkusativ zu verwenden--> Mädchen und einen Kinobesitzer das Leben kosteten, wieder zurückgezogen<ref>[[Der_Spiegel|Spiegel-online]] vom 19. Juni 2006, [http://www.spiegel.de/politik/ausland/0,1518,422305,00.html]</ref><ref>[[Der_Spiegel|Spiegel-online]] vom 12. Juli 2006, [http://www.spiegel.de/politik/ausland/0,1518,426254,00.html]</ref><ref>[[BBC|BBC News]] vom 11. September 2006, [http://news.bbc.co.uk/2/hi/africa/5334258.stm BBC News: Somalia's Islamists take key town]</ref>. Im Dezember 2006 drohte ein islamischer Geistlicher in der Stadt [[Buulobarde]] mit der Hinrichtung für alle, die sich nicht fünf Mal am Tag zum Gebet niederließen<ref>[[Der Spiegel|Spiegel-online]] vom 26. Dezember 2006, [http://www.spiegel.de/politik/ausland/0,1518,456587,00.html]</ref>.


[[Bild:Somali land 2006 09 30.png|thumb|Karte der politischen Lage im von Somali bewohnten Gebiet am 30. September 2006: Der Aufstieg der Union islamischer Gerichte (von ihr kontrollierte Gebiete in Dunkelgrün) nimmt seinen Lauf.]]
[[Bild:Somali land 2006 09 30.png|thumb|Karte der politischen Lage im von Somali bewohnten Gebiet am 30. September 2006: Der Aufstieg der Union islamischer Gerichte (von ihr kontrollierte Gebiete in Dunkelgrün) nimmt seinen Lauf.]]
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=== Konflikt mit Äthiopien ===
=== Konflikt mit Äthiopien ===
Nachdem der Gerichtsrat den Ort [[Buurhakaba]] nahe Baidoa erobert hatte, drohte das Nachbarland [[Äthiopien]] Mitte Juli 2006 damit, eine Invasion nach Somalia zu beginnen, vordergründig, um die Übergangsregierung in Baidoa zu schützen. Der Konflikt zwischen Äthiopien und der Union islamischer Gerichte entzündet sich hauptsächlich um die heute äthiopische, aber mehrheitlich von Somali bewohnte Region [[Ogaden]], die die Union an Somalia angliedern möchte (''siehe auch'': [[Groß-Somalia]]). Am 24. Dezember 2006 teilte der äthiopische Ministerpräsident mit, dass Äthiopien der Union islamischer Gerichte offiziell den Krieg erklärt hat.<ref>[[Netzeitung]] vom 24. Dezember 2006 [http://www.netzeitung.de/ausland/481828.html]</ref> Seither drangen äthiopische Truppen nach Somalia vor.
Nachdem der Gerichtsrat den Ort [[Buurhakaba]] nahe Baidoa erobert hatte, drohte das Nachbarland [[Äthiopien]] Mitte Juli 2006 damit, eine Invasion nach Somalia zu beginnen, vordergründig, um die Übergangsregierung in Baidoa zu schützen. Der Konflikt zwischen Äthiopien und der Union islamischer Gerichte entzündet sich hauptsächlich um die heute äthiopische, aber mehrheitlich von Somali bewohnte Region [[Ogaden]], die Teile der Union an Somalia angliedern möchten (''siehe auch'': [[Groß-Somalia]]). Am 24. Dezember 2006 teilte der äthiopische Ministerpräsident mit, dass Äthiopien der Union islamischer Gerichte offiziell den Krieg erklärt hat.<ref>[[Netzeitung]] vom 24. Dezember 2006 [http://www.netzeitung.de/ausland/481828.html]</ref> Seither drangen äthiopische Truppen nach Somalia vor.


Am 27. Dezember verließ die Union Mogadischu – woraufhin die Übergangsregierung die Kontrolle über Teile der Stadt übernahm – und zog sich nach [[Kismaayo]] zurück<ref>[http://news.bbc.co.uk/2/hi/africa/6215877.stm BBC News: Somali government seeks control]</ref>. Äthiopische und Übergangsregierungstruppen folgen ihr und nahmen Kismaayo am 1. Januar 2007 ein. Die Übergangsregierung bot Kämpfern der Union, die sich entwaffnen lassen, eine Amnestie an, nicht aber deren Führern<ref>[http://news.bbc.co.uk/2/hi/africa/6222211.stm BBC News: Somali Islamic stronghold falls]</ref>.
Am 27. Dezember verließ die Union Mogadischu – woraufhin die Übergangsregierung die Kontrolle über Teile der Stadt übernahm – und zog sich nach [[Kismaayo]] zurück<ref>[http://news.bbc.co.uk/2/hi/africa/6215877.stm BBC News: Somali government seeks control]</ref>. Äthiopische und Übergangsregierungstruppen folgen ihr und nahmen Kismaayo am 1. Januar 2007 ein. Die Übergangsregierung bot Kämpfern der Union, die sich entwaffnen lassen, eine Amnestie an, nicht aber deren Führern<ref>[http://news.bbc.co.uk/2/hi/africa/6222211.stm BBC News: Somali Islamic stronghold falls]</ref>.
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[[Bild:Somali land 2007 01 02.png|thumb|Karte der politischen Lage am 2. Januar 2007: Tage später ist die Union bis auf ein kleines Gebiet im Süden zurückgedrängt.]]
[[Bild:Somali land 2007 01 02.png|thumb|Karte der politischen Lage am 2. Januar 2007: Tage später ist die Union bis auf ein kleines Gebiet im Süden zurückgedrängt.]]


Die Union kündigte an, einen langen [[Guerilla]]krieg führen zu wollen und jeden Somalier zu töten, der Äthiopien oder die Übergangsregierung unterstützt<ref>[http://news.bbc.co.uk/2/hi/africa/6222681.stm BBC News: Somalia's sudden shift in power]</ref>. Die USA stationierten Kriegsschiffe in der Region und flogen im Januar 2007 Luftangriffe über den letzten Rückzugsgebieten der Union an der kenianischen Grenze. Ob dabei, wie behauptet, hochrangige internationale Terroristen getroffen wurden, ist unklar, die Zahl der zivilen Opfer ist ebenfalls nicht bekannt. Sharif Sheikh Ahmed ergab sich am 21. Januar der kenianischen Polizei<ref>[http://news.bbc.co.uk/2/hi/africa/6286015.stm BBC News: Top Somali Islamist 'surrenders']</ref> und wurde später freigelassen.
Die Union kündigte an, einen langen [[Guerilla]]krieg führen zu wollen und jeden Somalier zu töten, der Äthiopien oder die Übergangsregierung unterstützt<ref>[http://news.bbc.co.uk/2/hi/africa/6222681.stm BBC News: Somalia's sudden shift in power]</ref>. Die USA stationierten Kriegsschiffe in der Region und flogen im Januar 2007 Luftangriffe über den letzten Rückzugsgebieten der Union an der kenianischen Grenze. Ob dabei, wie behauptet, hochrangige internationale Terroristen getroffen wurden, ist unklar, die Zahl der zivilen Opfer ist ebenfalls nicht bekannt. Sharif Sheikh Ahmed ergab sich am 21. Januar der kenianischen Polizei<ref>[http://news.bbc.co.uk/2/hi/africa/6286015.stm BBC News: Top Somali Islamist 'surrenders']</ref>, wurde später freigelassen und ging nach Eritrea.


Etwa 3.500 islamistische Kämpfer sollen sich in Mogadischu aufhalten. Sie werden beschuldigt, hinter einer Reihe von Anschlägen zu stehen. Radikale Elemente unter ihnen kündigten bewaffneten Widerstand insbesondere gegen Äthiopien und die [[AMISOM]]-Friedenstruppe der [[Afrikanische Union|Afrikanischen Union]] an.<ref>[http://news.bbc.co.uk/2/hi/africa/6385667.stm BBC News: Airport attack in Somali capital]</ref> Radikale islamistische und [[Hawiye]]-Kämpfer lieferten sich im März und April heftige Gefechte mit regierungstreuen Truppen in Mogadischu<ref>[http://news.bbc.co.uk/2/hi/africa/6575039.stm BBC News: Heavy Somali fighting amid crisis]</ref>. Das mit Äthiopien verfeindete [[Eritrea]] soll diese Kämpfer mit massiven Waffenlieferungen unterstützt haben<ref>[http://news.bbc.co.uk/2/hi/africa/6918582.stm BBC News: Eritrea 'arming' Somali militia]</ref>.
Etwa 3500 islamistische Kämpfer sollen sich in Mogadischu aufhalten. Sie werden beschuldigt, hinter einer Reihe von Anschlägen zu stehen. Radikale Elemente unter ihnen kündigten bewaffneten Widerstand insbesondere gegen Äthiopien und die [[AMISOM]]-Friedenstruppe der [[Afrikanische Union|Afrikanischen Union]] an.<ref>[http://news.bbc.co.uk/2/hi/africa/6385667.stm BBC News: Airport attack in Somali capital]</ref> Islamistische und [[Hawiye]]-Kämpfer und weitere Regierungsgegner lieferten sich im Verlauf des Jahres 2007 heftige Gefechte mit regierungstreuen Truppen in Mogadischu<ref>[http://news.bbc.co.uk/2/hi/africa/6575039.stm BBC News: Heavy Somali fighting amid crisis]</ref>, bei denen Hunderttausende in die Flucht getrieben wurden. In manchen Gebieten Südsomalias sollen die Union islamischer Gerichte und ihre militante Jugendbewegung ''Hizbul Shahaab'' Ende 2007 wieder auf dem Vormarsch sein.


Das mit Äthiopien verfeindete [[Eritrea]] soll nicht nur exilierten Mitgliedern der Union in [[Asmara]] Zuflucht bieten, sondern auch deren Kämpfer mit massiven Waffenlieferungen unterstützt haben<ref>[http://news.bbc.co.uk/2/hi/africa/6918582.stm BBC News: Eritrea 'arming' Somali militia]</ref>.
Bis heute (Juli 2007) gibt es in Mogadischu immer wieder Angriffe gegen Äthiopien und die Übergangsregierung, so auch gegen die von der Übergangsregierung organisierte [[Nationale Versöhnungskonferenz in Somalia 2007|Nationale Versöhnungskonferenz]].


== Terrorismusvorwürfe ==
== Terrorismusvorwürfe ==
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== Weblinks ==
== Weblinks ==
* [http://www.spiegel.de/politik/ausland/0,1518,519331,00.html Der Spiegel online: Interview mit Sharif Sheikh Ahmed, November 2007]
*[http://www.spiegel.de/spiegel/0,1518,457080,00.html Der Spiegel online: Schlacht ums Horn von Afrika – Hintergrundbericht über den Konflikt in Somalia, Januar 2007]
*[http://www.spiegel.de/spiegel/0,1518,457080,00.html Der Spiegel online: Schlacht ums Horn von Afrika – Hintergrundbericht über den Konflikt in Somalia, Januar 2007]
*[http://news.bbc.co.uk/2/hi/africa/6106398.stm BBC-Bericht über Mogadischu unter der Herrschaft der Union islamischer Gerichte] (englisch)
*[http://news.bbc.co.uk/2/hi/africa/6106398.stm BBC-Bericht über Mogadischu unter der Herrschaft der Union islamischer Gerichte, November 2006] (englisch)


== Quellen ==
== Quellen ==

Version vom 26. Dezember 2007, 14:43 Uhr

Datei:Somalia Islamic Courts Flag.svg
Flagge der Union islamischer Gerichte
Datei:ICU seal.svg
Wappen der Union islamischer Gerichte

Die Union islamischer Gerichte (arabisch اتحاد المحاكم الإسلامية Ittihād al-mahākim al-islāmiyya, DMG Ittiḥād al-maḥākim al-islāmiyya, Somali: Midowga Maxkamadaha Islaamiga, auch Oberster Islamischer Gerichtsrat) ist eine Dachorganisation unabhängiger islamischer Gerichte in Somalia.

Die einzelnen Gerichte sind voneinander unabhängige Einheiten mit unterschiedlich strenger islamischer Rechtsauslegung. Die Union wurde von islamisch orientierten Geschäftsleuten (innerhalb und außerhalb Somalias), Milizenchefs, islamischen Geistlichen, lokalen Bürgermeistern und islamischen Rechtsgelehrten gegründet, um Gewalt und Clan-Fehden zurückzudrängen.[1]

Mitte 2006 konnte die Union die Kontrolle über große Teile Somalias erlangen, nach der Kriegserklärung des Nachbarlandes Äthiopien am 24. Dezember desselben Jahres ist sie jedoch von Äthiopien und der Übergangsregierung Somalias entmachtet worden. Teile der Union befinden sich heute im Exil in Eritrea. Radikale Anhänger verüben weiterhin Angriffe in Mogadischu.

Geschichte

Angesichts des jahrzehntelangen Fehlens staatlicher Autorität, weitreichender Anomie und des Verfalls von Recht und Gesetz im somalischen Bürgerkrieg seit 1991 schlossen sich islamische Geistliche und mit ihnen sympathisierende islamistische Kriegsfürsten zu einer Union zusammen, die die Ordnung wiederherzustellen versucht, indem sie sich auf islamische Scharia-Rechtsauslegung und -tradition stützt, aber auch Selbsthilfegruppen zur Versorgung der kriegsmüden Bevölkerung organisiert. Die Rechtsauslegung der einzelnen Gerichte variiert von moderatgläubigen Sufis somalischer Tradition bis zu strenggläubigen Islamisten saudischer (wahhabitischer) Tradition. Während Sharif Sheikh Ahmed als gemäßigte Führungspersönlichkeit der Union gilt, wird Hassan Dahir Aweis als Vertreter einer radikalen Haltung gesehen.

Im November 2005 wurde in einigen Stadtteilen Mogadischus von solchen Gerichten die Schließung von Kinos und Videotheken angeordnet sowie Tanzhallen verboten[2]. Ein kurz vor der Fußball-Weltmeisterschaft 2006 erlassenes Verbot, sich die Übertragung von Spielen anzuschauen, wurde nach öffentlichen Protesten, die ein Mädchen und einen Kinobesitzer das Leben kosteten, wieder zurückgezogen[3][4][5]. Im Dezember 2006 drohte ein islamischer Geistlicher in der Stadt Buulobarde mit der Hinrichtung für alle, die sich nicht fünf Mal am Tag zum Gebet niederließen[6].

Karte der politischen Lage im von Somali bewohnten Gebiet am 30. September 2006: Der Aufstieg der Union islamischer Gerichte (von ihr kontrollierte Gebiete in Dunkelgrün) nimmt seinen Lauf.

Die USA betrachten seit den Terroranschlägen am 11. September 2001 Somalia als möglichen Zufluchtsort für Terroristen. Aus diesem Grund beobachteten sie den Machtgewinn der Union islamischer Gerichte mit Sorge und unterstützten zeitweise das „Bündnis für Frieden und gegen Terrorismus“ (ARPCT), einen losen Zusammenschluss von Kriegsherren gegen die Union. Eine Anfang Mai 2006 ausgehandelte Waffenruhe wurde zehn Tage später gebrochen, als nach ARPCT-Angriffen auf die Union Kämpfe in der somalischen Hauptstadt Mogadischu aufflammten, die damals angeblich zu 80 Prozent unter Kontrolle der Union gestanden haben soll.

Am 5. Juni 2006 konnte die Union nach wochenlangen Kämpfen – die ca. 350 Todesopfer, mehrheitlich Zivilisten, forderten – die vollständige Einnahme der Hauptstadt Mogadischu vermelden. Die ARPCT, die bis dahin die übrigen Teile der Hauptstadt kontrolliert hatte, musste ihre Waffen und Fahrzeuge abgeben.

Karte der politischen Lage am 23. Dezember: Das von der Union kontrollierte Gebiet erreicht seine größte Ausdehnung.

Die international anerkannte, aber weitgehend machtlose Übergangsregierung Somalias mit Sitz in Baidoa und die Union islamischer Gerichte berieten in der sudanesischen Hauptstadt Khartum über eine Vereinigung beider Koalitionen[7]. Es kam zu bewaffneten Zusammenstößen zwischen Union und Übergangsregierung. Im August 2006 wurde auch das teilautonome Puntland von der Union bedrängt.

Konflikt mit Äthiopien

Nachdem der Gerichtsrat den Ort Buurhakaba nahe Baidoa erobert hatte, drohte das Nachbarland Äthiopien Mitte Juli 2006 damit, eine Invasion nach Somalia zu beginnen, vordergründig, um die Übergangsregierung in Baidoa zu schützen. Der Konflikt zwischen Äthiopien und der Union islamischer Gerichte entzündet sich hauptsächlich um die heute äthiopische, aber mehrheitlich von Somali bewohnte Region Ogaden, die Teile der Union an Somalia angliedern möchten (siehe auch: Groß-Somalia). Am 24. Dezember 2006 teilte der äthiopische Ministerpräsident mit, dass Äthiopien der Union islamischer Gerichte offiziell den Krieg erklärt hat.[8] Seither drangen äthiopische Truppen nach Somalia vor.

Am 27. Dezember verließ die Union Mogadischu – woraufhin die Übergangsregierung die Kontrolle über Teile der Stadt übernahm – und zog sich nach Kismaayo zurück[9]. Äthiopische und Übergangsregierungstruppen folgen ihr und nahmen Kismaayo am 1. Januar 2007 ein. Die Übergangsregierung bot Kämpfern der Union, die sich entwaffnen lassen, eine Amnestie an, nicht aber deren Führern[10].

Karte der politischen Lage am 2. Januar 2007: Tage später ist die Union bis auf ein kleines Gebiet im Süden zurückgedrängt.

Die Union kündigte an, einen langen Guerillakrieg führen zu wollen und jeden Somalier zu töten, der Äthiopien oder die Übergangsregierung unterstützt[11]. Die USA stationierten Kriegsschiffe in der Region und flogen im Januar 2007 Luftangriffe über den letzten Rückzugsgebieten der Union an der kenianischen Grenze. Ob dabei, wie behauptet, hochrangige internationale Terroristen getroffen wurden, ist unklar, die Zahl der zivilen Opfer ist ebenfalls nicht bekannt. Sharif Sheikh Ahmed ergab sich am 21. Januar der kenianischen Polizei[12], wurde später freigelassen und ging nach Eritrea.

Etwa 3500 islamistische Kämpfer sollen sich in Mogadischu aufhalten. Sie werden beschuldigt, hinter einer Reihe von Anschlägen zu stehen. Radikale Elemente unter ihnen kündigten bewaffneten Widerstand insbesondere gegen Äthiopien und die AMISOM-Friedenstruppe der Afrikanischen Union an.[13] Islamistische und Hawiye-Kämpfer und weitere Regierungsgegner lieferten sich im Verlauf des Jahres 2007 heftige Gefechte mit regierungstreuen Truppen in Mogadischu[14], bei denen Hunderttausende in die Flucht getrieben wurden. In manchen Gebieten Südsomalias sollen die Union islamischer Gerichte und ihre militante Jugendbewegung Hizbul Shahaab Ende 2007 wieder auf dem Vormarsch sein.

Das mit Äthiopien verfeindete Eritrea soll nicht nur exilierten Mitgliedern der Union in Asmara Zuflucht bieten, sondern auch deren Kämpfer mit massiven Waffenlieferungen unterstützt haben[15].

Terrorismusvorwürfe

Die Union islamischer Gerichte wird von den USA und den gegnerischen Kriegsherren beschuldigt, mit al-Qaida zu kooperieren und al-Qaida-Aktivisten Unterschlupf in Somalia zu gewähren, was die Union bestreitet. Dennoch werden einigen ihrer Führer, wie zum Beispiel Hassan Dahir Aweis, frühere Kontakte zur al-Qaida nachgesagt. Teile der Union sind aus der radikalen Organisation al-Itihaad al-Islamiya hervorgegangen. Die Terroranschläge 1998 auf die US-Botschaften in Nairobi und Dar es Salaam sollen von Somalia aus gesteuert worden sein. Adan Haschi Ayro, ein Milizen-Kommandeur der Union, soll nach Medienberichten ein Ausbildungslager der Qaida in Afghanistan durchlaufen haben und in die Ermordung mehrerer ausländischer Helfer verwickelt sein[16].

Es kam 2006 auch zu mehreren Selbstmordattentaten gegen Mitglieder der Übergangsregierung, für die die Union verantwortlich gemacht wird; sie selbst bestreitet dies[17].

Westlich orientierte Kritiker und auch Teile der somalischen Bevölkerung befürchten, dass bei einer Regierungsübernahme des Gerichtsrates ein ähnliches Regime etabliert würde wie dasjenige der Taliban in Afghanistan. So flohen nach der Eroberung der südsomalischen Hafenstadt Kismaayo durch eine extremistische Fraktion der UiG viele Bewohner nach Kenia[18].

Siehe auch

Quellen

  1. FAZ-online vom 10. Juni 2006, [1]
  2. Die Welt-online vom 24. Juli 2006, [2]
  3. Spiegel-online vom 19. Juni 2006, [3]
  4. Spiegel-online vom 12. Juli 2006, [4]
  5. BBC News vom 11. September 2006, BBC News: Somalia's Islamists take key town
  6. Spiegel-online vom 26. Dezember 2006, [5]
  7. IRIN News vom 5. September 2006, [6]
  8. Netzeitung vom 24. Dezember 2006 [7]
  9. BBC News: Somali government seeks control
  10. BBC News: Somali Islamic stronghold falls
  11. BBC News: Somalia's sudden shift in power
  12. BBC News: Top Somali Islamist 'surrenders'
  13. BBC News: Airport attack in Somali capital
  14. BBC News: Heavy Somali fighting amid crisis
  15. BBC News: Eritrea 'arming' Somali militia
  16. Spiegel-online vom 7. Juni 2006, [8]
  17. BBC News: Islamists deny Somali bomb claims
  18. Christian Science Monitor vom 27. September 2006, [9]