De haruspicum responso

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Porträt Ciceros, Detail der Büste in den Kapitolinischen Museen (Inv. 589)

De haruspicum responso (oder auch: De haruspicum responsis, wie manche Herausgeber vorziehen; deutsch „Über das Gutachten der Opferschauer“) ist eine Rede des römischen Politikers und Redners M. Tullius Cicero. Die Rede wurde im Sommer des Jahres 56 v. Chr. während des 1. Triumvirats vor dem Senat gehalten. Sie gehört zu den Reden post reditum, also zu den kurz nach dem Exil in Griechenland (58–57 v. Chr.) gehaltenen Reden Ciceros.

Ein Naturphänomen war von römischen Priestern (haruspices) als göttlicher Hinweis auf die Entweihung eines Tempels gedeutet worden. Während Clodius, ein Widersacher Ciceros, das priesterliche Gutachten (responsum) auf Ciceros Bau einer Villa auf dem Gebiet des Libertas-Tempels bezogen hatte, verteidigte sich Cicero in der Rede De haruspicum responso und legte das Gutachten gegen Clodius aus.

Als Volkstribun des Jahres 58 v. Chr. ging Clodius gegen Cicero vor, um die Hinrichtung der Catilinarier, römischer Bürger, während seines Konsulats 63 v. Chr. zu bestrafen, weil sie ohne ordentliches Gerichtsverfahren zustande gekommen war. Als Cicero 58 v. Chr. deswegen nach Thessalonike und Dyrrhachium in Griechenland in die Verbannung ging, ließ Clodius sein Haus auf dem Palatin per Beschluss beschlagnahmen und abreißen. Einen Teil des Grundstücks weihte (dedicare) er der römischen Freiheitsgöttin Libertas (als Symbol der Befreiung der Republik von Cicero – ein ironischer Schachzug des Clodius) und errichtete ihr zu Ehren ein Denkmal und einen Tempel. Nach seiner Rückkehr aus dem Exil im Jahr 57 v. Chr. bat Cicero in der Rede De domo sua („Von seinem Hause“) das Kollegium der Pontifices, die Weihe zu annullieren; er argumentierte, Clodius' Tribunat sei unrechtmäßig, sein Gesetz, dass Cicero verbannte, verfassungswidrig und die Weihe ungerecht und gottlos gewesen. Das Priesterkollegium entschied zugunsten Ciceros. Daraufhin errichtete Cicero seine Villa auf dem Palatin neu.

Nach einigen Monaten hatten Opferschauer (haruspices) geheimnisvolle Geräusche, die wahrscheinlich von Erdstößen in Mittelitalien herrührten, dem Zorn der Götter zugeschrieben, der durch die Profanierung geheiligter Stätten erregt worden sein sollte. Außerdem erhielt ihr Gutachten die Mahnung, Zwistigkeiten unter den Optimaten beizulegen.[1] Clodius sah die Profanierung in dem Wiederaufbau von Ciceros Haus an seinem ursprünglichen Ort, den Clodius der Libertas geweiht hatte. Diese Weihung war sakralrechtlich eigentlich ein irreversibler Prozess.[2]

Cicero verteidigte sich vor dem Senat mit der Rede De haruspicum responso gegen Clodius' Vorwürfe. In einer zwischen Sarkasmus und Drohungen wechselnden Rede beschuldigte er umgekehrt Clodius des Götterfrevels: denn er habe einmal als Ädil mit einer Kundgebung den Ablauf der Megalensien gestört. Sein furor, sein verblendeter Zorn, treibe Clodius zu solchen Taten an. Cicero sieht den Ursprung dieses furor „wie in der Tragödie“ als göttliche Strafe für die einstige Entweihung des Bona Dea-Festes durch Clodius an. Cicero sieht sich selbst als „aufgeklärten“ Römer, gibt aber seinem Respekt vor der Religion der Väter Ausdruck. Jeden Verdacht, er könne an ihrer Gültigkeit zweifeln, weist er weit von sich. Bei dieser Gelegenheit bekundet Cicero seine Aversion gegen die „atheistische“ Lehre Epikurs.

Gleichzeitig macht sich Cicero allerdings über die Naivität der Leute lustig, indem er vorführt, wie das Gutachten der römischen Vorzeichendeuter willkürlich in alle Richtungen ausgelegt werden kann. So münzt Cicero im Folgenden die Zwietracht unter den Optimaten auf Clodius. Dieser sei auch für sie verantwortlich, denn erst zuletzt habe er bei der Verbannung Ciceros mit den Triumvirn gemeinsame Sache gegen den Senat gemacht, kurz darauf wiederum habe er die Triumvirn gescholten, um sich bei den Optimaten beliebt zu machen. Mit dem „Zwist unter den Optimaten“ könne also laut Cicero nichts anderes gemeint sein als die durch Clodius verschärften Spannungen zwischen Senat und Triumvirn, die Cicero hier zu den Optimaten zählt. Die Ermahnung der haruspices, diese Uneinigkeit zu beenden, interpretiert er im Sinne der Politik der Triumvirn, seiner neuen Beschützer; zudem beabsichtigt Cicero eine Frontlinie gegenüber Clodius zu errichten, um eine gemäß Cicero unnatürliche Verbindung zwischen plebs, der Clodius angehörte, und Adel gegen die Triumvirn zu verhindern.[3]

Ausgaben, Übersetzungen, Kommentare

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  • Anthony Corbeill (Hrsg., Übers., Komm.): Cicero, De Haruspicum Responsis. Introduction, text, translation, and commentary. Oxford University Press, Oxford, New York 2023. – Rezension von Andrea Balbo, Bryn Mawr Classical Review 2024.09.21
  • John O. Lenaghan: A commentary on Cicero’s oration De haruspicum responso. Berlin: Walter de Gruyter, 1970. ISBN 978-3-11-166684-6.

Einzelnachweise

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  1. Emanuele Narducci: Cicero: Eine Einführung. 1. Auflage. Philipp Reclam jun., Stuttgart 2012, ISBN 978-3-15-018818-7, S. 169.
  2. vgl. M. C. Howatson: Reclams Lexikon der Antike. erg. Ausg. Stuttgart: Reclam, 2006. ISBN 978-3-15-010583-2, Artikel: Cicero (s. [1] 4); De domo sua; De haruspicum responso
  3. Emanuele Narducci: Cicero: Eine Einführung. 1. Auflage. Philipp Reclam jun., Stuttgart 2012, ISBN 978-3-15-018818-7, S. 169–170.