Gebärdenschrift
Eine Gebärdenschrift ist ein Schriftsystem für die Darstellung der sprachlichen Zeichen einer Gebärdensprache. In allen Gebärdenschriften ist das Ziel, die Gebärdenzeichen sowie deren Bewegung und Ausführungsort darzustellen. Eine einheitliche Gebärdenschrift hat sich (noch) nicht durchgesetzt. Es wurden aber die vielfältigen Möglichkeiten geschaffen, Gebärden nachvollziehbar zu notieren.
Entwicklungen
Es sind grundsätzlich Parallelen bei den Anfängen der Tanzschriftaufzeichnungen zu den Gebärdenschriftaufzeichnungen zu erkennen.[1] Beide haben denselben Ursprung mit dem Versuch Bewegung zu verschriftlichen. Im 20. Jahrhundert schuf Rudolf von Laban z. B. die Labanotation mit graphischen Darstellungen von Bewegungen verschiedener Körperteile, pfeilähnliche Symbole für die Angabe von Richtungen und Symbole für die Mimik.
Im 7. Jahrhundert wurde erstmals versucht, Handformen auf Papier zu schreiben. Die sogenannten „Fingerzahlen“ oder „Zahlengebärden“ sind aber noch kein Versuch, Gebärdensprachen zu verschriftlichen. Danach wurden im 16. und 18. Jahrhundert mit dem „Fingeralphabet“ bzw. „Handalphabet“, den „methodischen Zeichen“ und dem „Zeichenregister“ weitere Versuche unternommen um taube Schüler in der Lautsprache zu unterrichten. Im 19. Jahrhundert schufen Roch-Ambroise Bébian in Paris und später der aus Schottland stammende George Hutton in Nova Scotia eine erste wirkliche Gebärdenschrift, die beide Mimographie genannt wurden.
Weitere Schriftsysteme für Gebärdensprache entwickelten im 20. Jahrhundert William Stokoe (Stokoe Notation) für die American Sign Language, Eshkol-Wachmann (Eshkol-Wachmann Movement System) für die Israel Sign Language, Paul Jouison (D'Sign) für die französische Gebärdensprache und David Rose (AusWrite) für die australische Gebärdensprache.
Ferner erschien in der Tradition des Stokoe-Systems an der Universität Hamburg das wissenschaftlich orientierte HamNoSys (Hamburger Notations-System)[2] für die Deutsche Gebärdensprache und ein phonetisch/phonemisches System SignLettering von Hartmut Teuber (USA). Für ASL wurden auch noch eine Fülle anderer Gebärdenschriften entwickelt.[3]
Besondere Bedeutung hat das 1974 von der ehemaligen Tänzerin Valerie Sutton entwickelte System SignWriting[4], welches eingedeutscht auch GebärdenSchrift (mit Binnenmajuskel zur Unterscheidung vom Oberbegriff) genannt wird. Dieses ist sprachübergreifend und hat deshalb zunehmende Verbreitung. Aus SignWriting sind die weiterentwickelten Schriftsysteme si5s und ASLwrite hervorgegangen.
SignFont[5] ähnelt in Grundzügen dem SignWriting. Seine Symbole wurden von dem Linguisten Don Newkirk anhand der Handformen entwickelt und werden hintereinander weg von links nach rechts geschrieben. SignScript ist dagegen eine Gebärdenschrift, die von einem Gehörlosen entwickelt wurde. Sie erinnert stark an Sutton SignWriting.
ASL-phabet wurde aus der Stokoe Notation und dem SignFont modifiziert. ASL Sign Jotting (ASLSJ) wird häufig zum Notieren von neuen Gebärden verwendet. Es ist sehr gut mit einer Qwerty-Tastatur schreibbar, da nur diese Zeichen genutzt werden.
Die Glossentranskription wird oft auch zur Verschriftlichung von Gebärden eingesetzt.
Beispiel: Stokoe Notation
William Stokoe entwickelte die Stokoe Notation für die American Sign Language (ASL). Er ging dafür zunächst von den drei Parametern Handform, Ausführungsort und Bewegung aus. Die Handstellung vernachlässigte er. Für die Parameter Ausführungsort und Bewegung verwendete er ikonische Symbole aus der Linguistik. Die 19 Handformen sowie 12 Ausführungsstellen am Körper[6] stellte er mit lateinischen Buchstaben oder Zahlen dar. Er verwendete die Zeichen gemäß dem Internationalen Phonetischen Alphabets.[7] Diese Notationsform wurde neben ASL auch für andere Gebärdensprachen genutzt, hat sich aber nicht durchgesetzt, da nicht alle Handformen der Gebärdensprache gleich sind. ASL Orthography ähnelt stark der Stokoe Notation und könnte als dessen komplette digitale Weiterentwicklung verstanden werden. SLIPA (Sign Language IPA) könnte dagegen wegen der Verwendung des International Phonetischen Alphabets für Wörter oder Wortgruppen als Teilweiterentwicklung verstanden werden.
Beispiel: Unterschied zwischen SignWriting und HamNoSys
SignWriting und HamNoSys[8] sind sich in ihrem Grundkonzept zur Verschriftlichung mit Symbolen sehr ähnlich. Für beide Gebärdenschriften haben sich aber für die einzelnen Parameter unterschiedliche Symbole herausgebildet. Das HamNoSys wird zu dem eher diakritisch hintereinander von links nach rechts geschrieben. Es ist also nicht so kompakt holistisch wie SignWriting. Ursprünglich ist das HamNoSys für die internationale Linguistik gedacht gewesen. SignWriting war dagegen schon immer für die internationale Allgemeinheit gedacht.
Weblinks
- Video: Vorteile GebärdenSchrift auf YouTube
- Kathrin Brede: Ein weiter Weg für die Gebärdenschrift. Aktion Mensch, 19. November 2009, abgerufen am 23. Juli 2010.
Einzelnachweise
- ↑ Michaela Stiedl, Bakk. phil.: Von der Gebärde zur Aufzeichnung - Möglichkeiten der Terminologieerfassung der österreichischen Gebärdensprache für Gebärdensprach-DolmetscherInnen. In: Masterstudium Dolmetschen Französisch Englisch. Nr. 065345342. Wien 2011, S. 56–92.
- ↑ Uni Hamburg, HamNoSys, abgerufen am 10. Juli 2017
- ↑ ASL Font: Ways to Write ASL. Abgerufen am 10. Juli 2021.
- ↑ gebaerdenschrift.de
- ↑ Ohne Autor: Ways to Write (ASL). Abgerufen am 8. Juli 2021 (englisch).
- ↑ Karin Mehling: Heute hier, morgen dort - Deixis und Anaphorik in der Deutschen Gebärdensprache (DGS) - Analyse im Vergleich mit der deutschen Lautsprache. Hrsg.: Ludwig-Maximilians-Universität München. Druckerei C.H. Beck, Nördlingen 2010, S. 11–15.
- ↑ Joe Martin: A Linguistik Comparison - Two Nations Systems for Signed Language - Stokoe Notation & Sutton SignWriting (Nr.7). Western Washington University, 1. Februar 2000, abgerufen am 22. Juni 2021 (englisch).
- ↑ Writing the Same Signs in Different Transkription Systems (Nr.15). Abgerufen am 23. Juni 2021 (englisch).