ANST (Polizeikürzel)

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Mit dem Kürzel „ANST“ für Ansteckungsgefahr werden in Akten und in der elektronischen Datenbanken der deutschen Polizei Personen gekennzeichnet, die mit HIV, Hepatitis B oder Hepatitis C infiziert sind.[1]

Es soll dazu dienen, Polizeibeamte im Dienst vor einer Ansteckung zu schützen. Registriert werden Personen, die unter anderem als Straftäter, Beschuldigte oder Verdächtige einer Straftat von der Polizei erfasst wurden.

Für die Speicherung des Kürzels ANST genügt dabei der Verdacht, eine Straftat begangen zu haben und kann auch dann fortbestehen, wenn ein Verfahren eingestellt wurde oder wenn ein Freispruch erfolgt ist.

Die Zahl der von dieser Kennzeichnung betroffenen Menschen ist nur teilweise bekannt. Im August 2015 waren im Freistaat Bayern rund 14.000 solcher Eintragungen in das INPOL-Datenbanksystem bekannt, im POLAS-System der Landpolizei Brandenburg im August 2015 29 Personen.[2][3][4] Im Auskunftssystem „POLAS NRW“ der nordrhein-westfälischen Polizei waren im November 2016 870 Personen mit den entsprechenden Merkmal gespeichert, in Niedersachsen nach Angaben des dortigen Innenministeriums im Januar 2017 4498 Personen.[5][6]

Nach einem Beschluss der Innenministerkonferenz aus dem Juni 2015 darf die Polizei in ihrem bundesweiten Informationssystem INPOL weiterhin Menschen mit dem „personengebundenen Hinweis“ (PHW) ANST für „ansteckend“ kennzeichnen.[7]

Kritik an der Speicherpraxis[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die Mitgliederversammlung der Deutschen AIDS-Hilfe protestierte im Oktober 2015 mit der „Münchner Erklärung“ gegen diese „kontraproduktive und stigmatisierende Praxis“. Sie verletze das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung und stigmatisiere Menschen mit den genannten Krankheiten. Dies trage damit auch zur Ausgrenzung von Menschen mit HIV oder Hepatitis allgemein bei. (5) Die Kennzeichnung von Menschen mit HIV und Hepatitis in Polizeidatenbanken unterstelle ein hohes Risiko, wo eine Übertragung sehr unwahrscheinlich ist, z. B. bei einer ausgeheilten Hepatitis-Infektion oder der Nichtinfektiösität aufgrund einer erfolgreichen HIV-Therapie.[8] Dadurch würden unnötig Ängste. Zugleich erzeuge die Kennzeichnung eine Scheinsicherheit, wenn es keinen entsprechenden Hinweis zu bestimmten Personen gibt.

Auch Datenschützer und Politiker der Linken (6), Piraten, der FDP[9] sowie der Grünen forderten seit 2015 mehrfach ein Ende der Speicherpraxis. Der rot-rot-grüne Senat von Berlin kündigte 2016 zwar an, die Regelung abzuschaffen[10], setzte das Versprechen jedoch nicht um.[11]

Der Nationale AIDS-Beirat empfahl in einem im April 2016 veröffentlichten Votum, die Speicherung von Angaben zu Infektionen mit HIV sowie Hepatitis B und C in polizeilichen Datenbanken zu beenden.[12] Das Gremium unterstützt darin nachdrücklich das Anliegen, das Risiko einer Infektionsübertragung durch geeignete Maßnahmen zu minimieren. Es bezweifelt jedoch, dass diese Maßnahmen auf gesicherten medizinischen Kenntnissen beruhen und für die Gesundheit der Bediensteten erforderlich und angemessen seien.[13]

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Ronen Steinke: Berlin will sich von HIV-Register verabschieden. In: sueddeutsche.de. 1. Dezember 2016, ISSN 0174-4917 (sueddeutsche.de [abgerufen am 2. Mai 2017]).
  2. NDR: HIV-Infizierte in Datenbank: Kritik an Polizei. Abgerufen am 2. Mai 2017.
  3. Polizei in NRW stigmatisiert HIV-Positive. In: Deutsche AIDS-Hilfe. 7. September 2016 (aidshilfe.de [abgerufen am 2. Mai 2017]).
  4. Ursula Nonnemacher Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Kleine Anfrage an den Landtag Brandenburg. (PDF) 5. August 2015, abgerufen am 2. Mai 2017.
  5. Daniel Schwerd: Nachgefragt: Beendet das Land NRW die Speicherung von HIV-Infektionen in polizeilichen Datenbanken? 11. November 2016, ehemals im Original (nicht mehr online verfügbar); abgerufen am 2. Mai 2018.@1@2Vorlage:Toter Link/www.dielinke-nrw.de (Seite nicht mehr abrufbar. Suche in Webarchiven)  Info: Der Link wurde automatisch als defekt markiert. Bitte prüfe den Link gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.
  6. Speicherwut bei Niedersachsens Polizei: Daten von HIV-Infizierten gespeichert. In: die tageszeitung. 15. Februar 2017 (taz.de [abgerufen am 2. Mai 2017]).
  7. Kennzeichnung HIV-Positiver in Polizeidatenbanken beenden! In: Deutsche AIDS-Hilfe. 25. Oktober 2015 (aidshilfe.de [abgerufen am 2. Mai 2017]).
  8. ANST - Ansteckungsdatei der Polizei in der Diskussion. 29. November 2017, abgerufen am 17. September 2021.
  9. Kaija Kutter: HIV-Positive als „ansteckend“ registriert: Aids-Stigma statt Schutz. In: Die Tageszeitung: taz. 6. August 2017, ISSN 0931-9085 (taz.de [abgerufen am 17. September 2021]).
  10. Neue Berliner Koalition setzt Zeichen bei den Themen HIV und sexuelle Vielfalt. In: Deutsche AIDS-Hilfe. 18. November 2016 (aidshilfe.de [abgerufen am 2. Mai 2017]).
  11. Berliner Polizei registriert noch immer HIV-Infizierte. Abgerufen am 17. September 2021.
  12. Nationaler AIDS-Beirat: „ANST“-Vermerk weder erforderlich noch angemessen. In: Deutsche AIDS-Hilfe. 8. Juni 2016 (aidshilfe.de [abgerufen am 2. Mai 2017]).
  13. Der Nationale AIDS-Beirat zur Speicherung von gesundheitsbezogenen Daten in polizeilichen Datenbanken unter dem Kürzel. Ehemals im Original (nicht mehr online verfügbar); abgerufen am 2. Mai 2017.@1@2Vorlage:Toter Link/www.bundesgesundheitsministerium.de (Seite nicht mehr abrufbar. Suche in Webarchiven)  Info: Der Link wurde automatisch als defekt markiert. Bitte prüfe den Link gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.