Benutzer:Aemijork/Zwangsmaßnahmen bei Tieren

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Tierschutzgesetz und Zwangsmittel

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Bei Pferden, die nicht in ausreichendem Maße an die Hufkorrektur gewöhnt wurden, ist mit der gesamten Palette des pferdespezifischen Abwehrverhaltens zu rechnen. Es zählen dazu der mehr oder weniger gezielte Hinterhand-, aber auch Vorderhandschlag, Steigen, der Versuch des Weglaufens bzw. des Umrennens von Personen und das Zubeißen. In Anbetracht der Größe und Körpermasse von Pferden ist es in solchen Situationen unumgänglich, geeignete Vorsorgemaßnahmen zu treffen, um zum einen die anwesenden Personen und zum anderen das Tier selbst zu schützen. Die Anwendung von Zwangsmaßnahmen liegt daher nahe, doch dürfen diese nur unter Beachtung des Tierschutzes erwogen werden.

Recht Grundsatz

§ 1 des Tierschutzgesetzes beinhaltet grundsätzliche Forderungen an die Haltung von Tieren und an den Umgang mit ihnen. Danach darf niemand einem Tier ohne vernünftigen Grund Schmerzen, Leiden oder Schäden zufügen.

Es stellt sich daher vor jedem Einsatz von Zwangsmaßnahmen die Frage, ob es hierfür einen vernünftigen Grund gibt. Denn derartige Maßnahmen dürfen keinesfalls routinemäßig eingesetzt werden, sondern immer nur dann, wenn andere, weniger belastende Maßnahmen wirkungslos sind und eine erforderliche Behandlung sonst nicht durchgeführt werden kann. Beispielsweise ist die Anwendung einer Nasenbremse bei tierärztlichen Behandlungen wie z. B. bei speziellen Injektionen oder dem Schieben einer Nasen-Schlund-Sonde zu rechtfertigen. Demgegenüber ist der prophylaktische Einsatz von Zwangsmitteln bei Haltungs- und Pflegemaßnahmen wie der Hufpflege tierschutzrechtlich nicht vertretbar, denn das erwünschte Verhalten kann in der Regel auch mittels schrittweiser Gewöhnung und entsprechender Konditionierung erreicht werden.

Falls dennoch Zwangsmaßnahmen erforderlich sind, sollte immer nach dem Prinzip des geringsten notwendigen Zwanges vorgegangen werden. Darüber hinaus sollten diese nur von sachkundigen Personen (Tierärzte, Hufbeschlagschmiede, Pferdewirte, veterinärmedizinisch-technische Assistenten, Tierarzthelfer und Tierpfleger) durchgeführt werden, um die Gefahr, dem Tier Schmerzen, Leiden oder Schäden zuzufügen, so gering wie möglich zu halten.

Folgende Zwangsmaßnahmen sind bei korrekter Durchführung erlaubt bzw. tierschutzkonform:

  • Anlegen von Trense oder Kappzaum
  • Aufziehen einer Hautfalte am Hals
  • Aufheben einer Vordergliedmaße
  • Spannen der Hintergliedmaße
  • Anlegen einer Oberlippenstrickbremse
  • Ohrgrundgriff in Ergänzung zum Halfter
  • stationärer Untersuchungsstand

Die Oberlippenstrickbremse, auch „Nasenbremse“ genannt, darf nur im Notfall eingesetzt werden. Sie besteht aus einem etwa 1 cm dicken Strick, der in Schlaufenform an einem Holzgriff befestigt ist. Die Strickschlaufe wird über die Oberlippe des Pferdes gelegt. Mit der einen Hand wird die Oberlippe innerhalb der Schlaufe fixiert und mit der anderen der Holzgriff in Richtung Pferd verdreht, so dass die Schlaufe verdrillt wird. Der Vorgang ist für das Pferd mit erheblichen Schmerzen verbunden. Durch das Stressgeschehen kommt es zu einer Freisetzung körpereigener Opioide (Endorphine), die schmerzlindernd und beruhigend wirken. Zudem befinden sich im Oberlippenbereich zahlreiche Akupunkturpunkte, denen eine stark sedative Wirkung zugesprochen wird. Bereits das Massieren dieser Akupunkturpunkte kann auf Pferde beruhigend wirken. Das Pferd reagiert bei der korrekten Anwendung der Nasenbremse sehr schnell (innerhalb von 12–80 sec). Man erkennt das Einsetzen der Wirkung am Senken des Kopfes. Richtig „gebremste“ Pferde stehen absolut still und reagieren kaum mehr auf Umweltreize.

Zu beachten ist, dass die Bremse nicht über den gesamten Anwendungszeitraum gleich stramm angezogen ist. Sie sollte abwechselnd gelockert und wieder angedreht werden, um den Blutfluss in der Oberlippe zu gewährleisten. Ein sanftes „Wackeln“ an der Bremse kann die beruhigende Wirkung verstärken. Ein „gebremstes“ Pferd darf niemals angebunden werden. Es ist mit einer Hand am Strick zu halten, in der anderen befindet sich die Bremse. Ansonsten kann es zu gefährlichen Situationen kommen. Die Anwendung erfolgt durch die Person, welche auch das Halfter hält.

Tierschutzwidrig sind eine unsachgemäße Handhabung der Nasenbremse, die zu Verwundungen an der Haut führt, ein zu starkes Zudrehen sowie die Fixierung der Bremse am Halfter. Die Anwendung ist auf das notwendige Minimum zu reduzieren und sollte 10 min nicht übersteigen.

Insbesondere ist darauf zu achten, dass die Atemwege durch die Oberlippenbremse nicht eingeengt und dadurch Abwehrbewegungen des Pferdes provoziert werden. Eine Verengung der Nüstern kann entstehen, wenn die Schlaufe zu weit auf die Oberlippe geschoben oder die Bremse in falscher Richtung gedreht wird. Letztere ist immer in Richtung auf den Nasenrücken zu drehen.

Nicht eingesetzt werden sollte die Nasenbremse bei Pferden, die vor deren Einsatz bereits stark erregt sind, sowie bei Fohlen und Jungpferden. In diesen Fällen ist die Zwangsmaßnahme meist wirkungslos bzw. führt zu noch heftigeren Abwehrreaktionen.

Seilkonstruktionen bzw. Plattlongen, die dazu dienen, das Pferd am Ausschlagen zu hindern oder das Aufheben und Halten eines Fußes zu unterstützen, dürfen nur angewandt werden, wenn dem Pferd keine Schmerzen zugefügt werden bzw. keine Sturzgefahr besteht.

Genaue Angaben zu erlaubten Gebissen und Ausrüstungsgegenständen sind der Leistungsprüfungsordnung (LPO) der Deutschen Reiterlichen Vereinigung e. V. (FN) zu entnehmen.

Hilfskonstruktionen, die mit einem erhöhten Verletzungsrisiko einhergehen, dürfen nur unter tierärztlicher Aufsicht eingesetzt werden und sind auf besondere Fälle zu beschränken.

Wenn trotz Anwendung erlaubter Zwangsmittel eine Hufkorrektur bzw. ein Hufbeschlag nicht ausgeführt werden kann, ist es im Einzelfall möglich, eine medikamentöse Beruhigung (Sedierung) des Pferdes vorzunehmen. Diese darf nur durch einen Tierarzt erfolgen. Die zur Verfügung stehenden Medikamente führen bei korrekter Dosierung zu einer Beruhigung des Pferdes, ohne dass die Stehfähigkeit verloren geht. Es ist aber zu berücksichtigen, dass unter der Wirkung der Medikamente auch die Schmerzempfindlichkeit des Pferdes vermindert ist. Daher kann eine indirekte Vernagelung leichter übersehen bzw. nicht erkannt werden. Zum Applikationszeitpunkt sollte das Pferd möglichst entspannt sein, denn ein hoher Erregungszustand stellt die Wirkung in Frage.

Folgende Zwangsmittel sind nicht erlaubt bzw. tierschutzwidrig:

  • kurzes Anbinden
  • Schläge mit Besenstielen, Knüppeln, Zangen, Hämmern und Ähnlichem
  • Strickbremse an der Unterlippe
  • Zangenbremse
  • Bremsen mit zu dünnen Schnüren (z. B. Heuschnüre)
  • Maulschleimhautbremse (Equine Restraint System)
  • polnische Bremse
  • Scharnierbremse aus Eisen
  • Ohrenbremsen
  • Bremsen mit der Feuerzange
  • Oberlippenbremse mit Metallkette
  • Fixierung des Pferdes nur an der Zunge oder den Ohren
  • Rarey-Riemen zur Gliedmaßenfixierung
  • Aufziehen einer Gliedmaße mit Seil an fixiertem Ring bzw. befestigter Rolle
  • Wurfzeuge
  • Verwendung von Hilfsmitteln, die zu Schmerzen führen, wie spezielle Zäumungen (z. B. Kappzaum mit eingearbeitetem Stahlbügel, Metallketten)
  • spanische Wand, Zwangsablegestände

Die Strickbremse bzw. Seile und ähnliche Hilfsmittel sind nur im Notfall einzusetzen. Das ist der Fall, wenn ein Pferd beißt, steigt, schlägt oder sich zu Boden wirft und nicht ohne Gefahr beschlagen werden kann. Bei derart widersetzlichen Pferden ist das Problem in aller Regel jedoch bekannt. Deshalb sollte der Halter eines solchen Tieres dazu angehalten werden, dieses bereits im Vorfeld über die entsprechenden Übungen auf die Hufkorrektur vorzubereiten. In manchen Fällen kann es sinnvoll sein, die Aktion abzubrechen und auf einen anderen Tag zu verschieben. Recht

Nach § 17 des Tierschutzgesetzes wird mit einer Freiheitsstrafe bis zu 3 Jahren oder mit Geldstrafe bestraft, wer einem Wirbeltier ohne vernünftigen Grund aus Rohheit

a. erhebliche Schmerzen oder Leiden oder

b. länger anhaltende oder sich wiederholende erhebliche Schmerzen oder Leiden zufügt.

Ordnungswidrig handelt nach § 18 des Tierschutzgesetzes, wer vorsätzlich oder fahrlässig einem Wirbeltier, das er hält, betreut oder zu betreuen hat, ohne vernünftigen Grund erhebliche Schmerzen, Leiden oder Schäden zufügt.

Quelle: Tierschutzgesetz und Zwangsmittel. In: Litzke L, Hrsg. Der Huf. 7., vollständig überarbeitete Auflage. Stuttgart: Thieme; 2019. doi:10.1055/b-0040-174387