Benutzer:Albrecht62/Fahrrad als Hauptverkehrsmittel

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14.08.2020. Corona hat Busse und Bahnen geleert. Und es ist nicht wahrscheinlich, dass alle Fahrgäste zurückkommen. Bevor sie auf Dauer aufs Auto ausweichen, sollten sie das Fahrrad nehmen.

Stellen wir uns der Wirklichkeit: Corona schreckt vor der Nutzung des öffentlichen Personennahverkehrs ab. Nicht nur vorübergehend, der Effekt wird dauerhaft sein. Derzeit sind nur noch halb so viele Fahrgäste in Bussen und Bahnen unterwegs wie normal.

Angesichts wieder steigender Infektionszahlen und der notorischen Neigung vieler Mitbürger, ohne strenge Kontrollen die Maske am Ohr oder unter der Nase zu tragen, ist ein Anstieg bis zur Überwindung von Covid-19 nicht zu erwarten.

Aber auch wenn der rettende Impfstoff gefunden ist, werden die Leute nicht einfach wieder einsteigen. Die Wahl des Verkehrsmittels ist stark habituell, wer sich jetzt vom Nahverkehr verabschiedet hat, gewöhnt sich um und kommt nicht so leicht als Fahrgast wieder.

Auto oder Fahrrad – das ist hier die Frage

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Schon mit der halben Besetzung stellt sich kein gutes Gefühl in Bussen und Bahnen ein. Sich wieder als Pendler stehend in eine S-Bahn zu quetschen, wird für viele unangenehm bleiben.

Was heißt das für den Verkehr in unseren Städten? Es gibt zwei Verkehrsmittel, die großen Schutz vor Corona bieten: das eigene Auto und das Fahrrad. Wird der Verkehr wieder deutlich mehr auf das Auto verlagert, so droht vielen Städten der komplette Stillstand zumindest in der Rushhour.

Der öffentliche Nahverkehr ist flächeneffizient und hält den Verkehr in urbanen Räumen am Laufen, einfach indem er Platz spart. Geht diese Funktion verloren, weil alle auf das Auto umsteigen, stehen wir alle miteinander im Stau.

Mit dem Fahrrad ist es umgekehrt. Es hat auf gleicher Fläche eine vielfach größere Transportkapazität als an der Ampel stehende Pkw, je nach Ausbau des Netzes kann es sogar mehr Menschen transportieren als der Bus.

Und selbstredend ist das Fahrrad gegenüber Bussen und Bahnen ökologisch im Vorteil. Es ist von selbst klimaneutral oder bei elektrischem Hilfsantrieb extrem energieeffizient.

Vorbild Kopenhagen

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Oft hat man den Satz gehört, der Strukturbruch durch die Corona-Krise solle genutzt werden, um die Transformation der Gesellschaft in eine nachhaltige Form voranzutreiben, ganz besonders was den Klimaschutz angeht. Im Stadtverkehr müsste dafür das Fahrrad und nicht das Auto als neues Hauptverkehrsmittel etabliert und massiv gefördert werden.

Das Fahrrad als Hauptverkehrsmittel? Es gibt eine Stadt, die dieses Ziel bereits erreicht hat. In Kopenhagen werden fast 50 Prozent aller Wege mit dem Rad zurückgelegt. Wer dort fährt, weiß warum: Radwege sind 4 Meter breit, das Netz ist lückenlos ausgebaut, man ist sicher unterwegs und schneller als mit jedem anderen Verkehrsmittel.

Das könnten wir auch in Deutschland erreichen. Extrem teure Vorhaben für den U-Bahn-Bau sollten wir aufgeben. Die U-Bahn ist für kurze Distanzen ein Relikt aus der Zeit vor der Erfindung des Pedelecs. Nach Corona werden die Menschen sich kaum noch in schlecht belüftete Tunnel stecken lassen und an die Oberfläche drängen.

Für Strecken bis 10 Kilometer muss das Zweirad Vorrang erhalten. Pop-up-Radwege sollten Vorboten einer neuen Verteilung der Verkehrsflächen zugunsten des Fahrrades sein. Denn nur wenn Radwege ausreichend breit und sicher sind, gelingt der Wandel.

Bund und einige Länder haben die Förderung des Radverkehrs in den letzten Jahren ständig verbessert. Aktuell haben sowohl das Umwelt- als auch das Verkehrsministerium Förderprogramme aufgelegt, die den Kommunen bis zu 90 Prozent der Kosten neuer Radinfrastruktur erstatten.

Allerdings handelt es sich um Projektaufrufe mit Vorbildcharakter. Eine dauerhafte und flächendeckende Förderung fehlt. Diese könnte ganz einfach in den kommunalen Finanzausgleich integriert werden. Dort besteht die Möglichkeit, den Städten und Gemeinden Mittel zweckgebunden zuzuweisen.

30 Euro pro Kopf und Jahr für Radverkehr

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Der ADFC kritisiert seit vielen Jahren, dass etliche Kommunen zu wenig Geld für den Radverkehr ausgeben, oft sind es nicht einmal 5 Euro pro Einwohner und Jahr. Die ADFC-Empfehlung, jedes Jahr 30 Euro pro Einwohner für den Radverkehr zu investieren, erfüllt auch Tübingen erst seit wenigen Jahren. Aktuell planen und bauen wir vier Radwegbrücken nach Kopenhagener Vorbild, um Lücken im Netz zu schließen und große Barrieren wie Schienen und Gewässer zu überwinden.

Zusammen mit einer Fahrradtiefgarage am Bahnhof werden 30 Millionen Euro in vier Jahren benötigt, das sind knapp 100 Euro pro Einwohner und Jahr – ohne Förderung undenkbar. Durch eine zweckgebundene Zuweisung von 30 Euro pro Kopf im Finanzausgleich müssten Kämmerer und Bürgermeister nicht mehr selbst Prioritäten für den Radverkehr bilden, sie könnten das Geld gar nicht anders ausgeben.

Und auch der Bundesfinanzminister ist gefordert. Eine Kaufprämie von 6000 Euro für ein Elektroauto mag industriepolitisch sinnvoll sein. Gegen den Corona-Infarkt durch mehr Autoverkehr nutzt das gar nichts. Im Gegenteil, durch die lokale Nullemission könnten sich auch umweltfreundliche Nutzer des ÖPNV verleitet sehen, auf ein Auto umzusteigen.

Wenn diese Prämie notwendig ist, dann muss es auch eine Prämie für den Kauf von Fahrrädern und elektrischen Rollern geben. Insbesondere die für Pendler attraktiven teuren E-Bikes und E-Roller würden für viele durch eine Prämie von 1000 Euro erst interessant. Corona zwingt uns, vieles neu zu denken. Im Stadtverkehr sollten wir jetzt dringend auf das Zweirad umsatteln.