Benutzer:Alupus/Thesenpapier zur Admincon

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Thesenpapier an Stelle des für die Admincon 2014 vorgesehenen Vortrages "Übernahme rechtstaatlicher Verfahrensregeln in der Wikipedia"[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Einleitung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Wikipedia ist als frei zugängliches Gemeinschaftsprojekt im Netz ohne Anmeldezwang, ohne Verifikationspflicht nur eingeschränkt geeignet, Verfahrensregeln, wie sie staatlicherseits, aber auch in Vereinen des realen Lebens, gebräuchlich sind, umzusetzen. Dort ergibt sich nämlich der Druck zu egelkonformen Verhalten dadurch, dass Fehlverhalten konkreten Personen zuzuordnen ist und zugleich diese mit Konsequenzen rechnen müssen (Strafen, zeitweiliger oder endgültiger Ausschluss). Dies ist hier aufgrund der bekannten Sockenpuppenproblematik bzw. Möglichkeit zur Neuanmeldung mit einem neuen Avatar nur eingeschränkt zutreffend.

Gleichwohl bin ich der Ansicht, dass es im Interesse des Betriebsfriedens geboten ist, sich Gedanken zu machen, wo sich allgemeine Grundprinzipien des realen Lebens für das Verfahren bei Streitfällen nach hier übernehmen lassen. Nach zwei Jahren Arbeit im Schiedsgericht und der damit verbundenen intensiven Beobachtung der nicht so schönen Seiten der Wikipedia-Community drängt sich mir immer noch der Eindruck auf, dass Konflikte hier leider zu oft noch wie im Wilden Westen gelöst werden, mit dem Faustrecht derjenigen, die entweder mehr Zeit und oder mehr Sympathisanten haben. Damit kommen wir nicht weiter, solche Verhältnisse schaden dem Betriebsklima, führen bei den redlichen Mitgliedern der Community zu Ärger und Verbitterung,, aus der entweder der Entschluss zum Verlassen des Projektes oder eigenes wenig konfliktarmes Verhalten resultieren kann.

Ich möchte dieses elektronische Papier bitte nicht als wissenschaftliche Untersuchung verstanden wissen, sondern als subjektive Thesensammlung, die evtl. Anknüpfungs- oder Anstoßpunkte einer Diskussion sein können. Aus diesem Grunde verzichte ich auch, entgegen der ursprünglichen Vortragsplanung, darauf, konkrete Fälle aufzulisten. Im Gegensatz zu einer Erörterung in einer mündlichen Diskussion innerhalb eines kleinen Teilnehmerkreises könnte die schriftliche Niederlegung als Pranger missverstanden werden. Es geht mir aber nicht darum, einzelne Accounts zu kritisieren, sondern Denkanstöße zu liefern.

Aus diesem Gesichtspunkt hat dieses Papier auch null rechtswissenschaftlichen, soziologischen oder philosophischen Anspruch. Sondern es mag schlicht als Gedanken aus der Praxis eines ehemaligen Schiedsrichters für die Projektpraxis verstanden werden.

Verlässliches Verfahren / "Rechts"-sicherheit[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Ein verlässliches Verfahren ist ein wesentlicher Punkt, um den Beteiligten Vertrauen in die Administration zu geben.

Dazu gehört zunächst, dass ohne Zweifel klar sein muß, welche Regeln gelten. Änderungen zu grundlegenden Regeln - etwa Ablauf einer Sperrprüfung - sollten daher aus dem Wikiprinzip der nachträglichen Billigung durch Nichtrevertierung ausgenommen werden. Hier sollte eine vorherige, öffentliche Konsenssuche vorausgehen, Änderungen sollten auf einen bestimmten Zeitpunkt vorweg angekündigt und dann erst umgesetzt werden. Die abweichende bisherige Handhabung kann willkürlich sein, und wird auch so, mit den entsprechenden negativen Begleiterscheinungen ggü. der Adminschaft, verstanden/empfunden. Staatlicherseits können Gesetze und Verordnungen auch in aller Regel nicht rückwirkend geändert werden (Rechtssicherheit)

Andererseits müssen die Regeln aber auch einen verlässlichen und nicht überschnellen Verfahrenablauf vorsehen. Wenn die eine Sperrprüfung sich über Tage hinzieht, sollte eine andere nicht zu nachmitternächtlicher Stunde nach kürzester Zeit erledigt werden. Es ist m. E. nicht verständlich, warum eine Löschdiskussion so und so vieel Tage geführt (ertragen) werden kann, aber bei einer Sperrprüfung den Beteiligten nicht zumindest z. B. 36 h Zeit gegeben wird, ihre Anträge zu begründen, auch u. U. die Begründung noch einmal zu überarbeiten oder den Antrag zurückzuziehen. Wikipedia ist immer noch in erster Linie ein Freizeitprojekt, nicht jeder hat 24/7/365 Zeit, sich mit dem Projekt abzugeben. Manchmal dürfte auch bei den Betroffenen einer Sperre nach einer ersten Erregung, einem Überschlafen der Ereignisse, sich ein Sinneswandel einstellen. Sollte der Betroffene sich in der Sperrprüfung weiter z. B. in persönlichen Diffamierungen ergehen, besteht immer noch die Möglichkeit, dies entweder bei der Endentscheidung via Sperrverlängerung zu berücksichtigen, oder ihm für kurze Zeit zwischendurch "auf die Bank" zu setzen., oder Beiträge unsachlicher Art konsequent wegzulöschen.

Befangenheit[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Wer Konfliktpartei ist, oder einer Partei nahe steht, hat sich imo aus Adminentscheidungen in einem Konflikt herauszuhalten. Auch sollten, so in der Adminschaft Meinungen zur Entscheidungsfindung eingeholt werden, diese nicht als Adminmeinung, sondern als Meinung einer Konfliktpartei berücksichtigt werden.

Hiergegen wird meines Erachtens leider allzu oft verstoßen. Wenn der projektbekannte Vereinskritiker von Admins ob einer Aussage zum Verein gesperrt wird, die sehr aktiv im Verein mitarbeiten, dessen Positionen aktiv unterstützen, kann dies nicht den Betriebsfrieden und die Akzeptanz der administrativen Arbeit beflügeln!

Hierzu ein Blick in die deutsche Gesetzeslage:

Die Zivilprozeßordnung z. B. definiert in ihrem § 41 zunächst einmal, wer kraft Gesetzes von der Entscheidung über einen Fall ausgeschlossen ist:

Ein Richter ist von der Ausübung des Richteramtes kraft Gesetzes ausgeschlossen: 1. in Sachen, in denen er selbst Partei ist oder bei denen er zu einer Partei in dem Verhältnis eines Mitberechtigten, Mitverpflichteten oder Regresspflichtigen steht; 2. in Sachen seines Ehegatten, auch wenn die Ehe nicht mehr besteht; 2a. in Sachen seines Lebenspartners, auch wenn die Lebenspartnerschaft nicht mehr besteht; 3. in Sachen einer Person, mit der er in gerader Linie verwandt oder verschwägert, in der Seitenlinie bis zum dritten Grad verwandt oder bis zum zweiten Grad verschwägert ist oder war;... .

Die weiteren Punkte der Norm sind für einen Vergleich mit der Wikipedia zu fernliegend, deshalb lasse ich sie weg.

Übetragen auf die hiesigen Verhältnisse würde dies bedeuten:

Kein Adminhandeln zu Usern, mit denen Mann oder Frau verbandelt oder verwandt ist oder bei Konflikten, in denen man selbst Partei ist. Das mag selten vorkommen, aber es kommt vor.

Wichtiger noch ist jedoch die Besorgnis der Befangenheit. In der Zivilprozeßordnung z. B. findet man hierzu keine Beispiele, die entsprechende Norm (§ 42) bleibt abstrakt. Umso länger sind bereits die Inhaltsangaben der einschlägigen Kommentierungen (Zöller als einbändiger Handkommentar z. B. fast zwei Druckseiten). Den abstrakten Begriff "Besorgnis der Befangenheit" kann man auch als Parteilichkeit und Voreingenommenheit benennen, sie liegt vor, wenn Umstände vorliegen, die berechtigte Zweifel an der Unparteilichkeit oder Unabhängigkeit aufkommen lassen (vgl. § 1036 Absatz 2 Satz 1 ZPO).

Sozusagen beliebte Fälle sind insoweit einmal eigenes Interesse (z. B. als Vertretungsorgan in einer juristischen Person, etwa als Vereinsvorstand) oder persönliche oder geschäftliche Nähe zu einer Partei. Bei letzterem sind dies insbesondere enge Freundschaft oder auch Feindschaft, negative Einstellung, unsachliches oder unangemessenes Verhalten gegenüber dem Betroffenen. M. E. sollte daher zum Beispiel ein Admin, der wiederholt postuliert hat, ein User gehöre aus dem Projekt ausgeschlossen, weil er nur rumtrolle und -bashe, sich bei Sperrentscheidungen zu diesem heraushalten. Schwierig ist natürlich die Abgrenzung, ob die Überlegung, ein User sei ein Troll, noch eine sachliche Analyse oder aber bereits eine negative Einstellung ist. Der Akzeptanzgesichtspunkt gebietet es m. E. aber, im Zweifel die Finger von der Sache zu lassen, Das ist auch keine Schande, es kann keiner erwarten, dass der Admin kalt wie Eis alle persönlichen Angriffe, alle ihn ärgernden Vorgänge wegstecken kann.

Übertragung des Gedanken des gesetzlichen Richters auf Adminentscheidungen in der Wikipedia?[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Vorweg, um die Gemüter zu beruhigen: nein, dies wird grundsätzlich nicht möglich sein. Doch zunächst einmal zu einem konkreten Beispiel, hier aus dem deutschen Gerichtsverfassungsgesetz, § 16:

Ausnahmegerichte sind unstatthaft. Niemand darf seinem gesetzlichen Richter entzogen werden.

Normzweck ist es u. a. zu verhindern, dass im Einzelfall von interessierter Seite ein Richter als Entscheider einer Sache eingesetzt werden kann, der die für die interessierte Seite akzeptabelste Auffassung vertritt. Um den Normzweck zu verwirklichen, ist die Gerichtsstruktur, die Dienststellung der Richter und die interne Geschäftsverteilung in den Gerichten so gestaltet, dass von vorneherein durch abstrakte Merkmale die Zuständigkeit eines bestimmten Richters oder Richterkollegiums gegeben ist.

In der de-wp-Community ist dies bestenfalls im Schiedsgericht annähernd der Fall. Im übrigen ist es so, dass Melder und Betroffene zum Beispiel einer Vandalismusmeldung nicht wissen, welcher Admin sich der Sache annimmt. Zieht man aber bereits den Vergleich Community und Wirklichkeit, so muß man hier ohnehin festhalten, dass die Position des Admins eher der eines Polizisten gleicht, als der eines Richters. Und die Polizei arbeitet eben nicht wie die Gerichte nach einem Geschäftsverteilungsplan, der dem § 16 GVG genügen würde. Allerdings kann der Betroffene einer polizeilichen Handlung diese stets durch den dazu zuständigen Richter nachträglich auf ihre Rechtmäßigkeit prüfen lassen.

Wir haben hier drei Instanzen, in denen eine Überprüfung der Adminarbeit, soweit sie nicht lediglich den inhaltlichen Bereich der Enzyklopädie betrifft, stattfindet: Adminproblem, Sperrprüfung, Schiedsgericht. Alle drei "Instanzen" sehen sich regelmäßig dem Vorwurf ausgesetzt, nach dem Prinzip "Kumpel von mir" oder "eine Krähe hackt einer anderen Krähe kein Auge aus" zu agieren. Ich meine, dass dies im realen Leben den Gerichten zwar auch vorgeworfen wird, aber längst nicht so häufig, und doch ein gewisses Vertrauen in die Unabhängigkeit der Gerichte besteht. Ich frage mich daher, ob man die Akzeptanz der genannten Instanzen nicht stärken könnte, indem zum Beispiel für die Sperrprüfung das Zufallsprinzip des "zuständigen" Admins eingeschränkt wird. Zum Beispiel könnte man vorsehen, dass zwingend mehrere Admins oder hierzu besonders bestimmte User ihre Meinung verbindlich abgeben sollen. Oder dass die Entscheidung über Sperrprüfungsanträge nach einem Turnusverfahren auf bestimmte Administratoren verteilt wird, so dass bei Antragstellung sogleich nachvollziehbar wird, wer entscheiden soll. M. E. würden solche Regeln dazu beitragen, dass die Kumpaneivorwürfe etc. im Laufe der Zeit nachlassen, und die Akzeptanz dieser, nennen wir sie mal so, Revisonsentscheidungen zunimmt.

PS[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Zum Thema Betriebsfrieden gehört aber auch der Streit. Streite sind menschlich und müssen durchgestanden und ausgehalten werden.