Benutzer:Anaxo/Unabhängigkeit der Justiz

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Justitia als Idealfigur für die Zugehörigkeit zu einer Rechtsgemeinschaft, wie sie schon unter Kaiser Augustus im alten Rom personifiziert wurde. Ihr wurde dort im Jahr 13 nach Christus ein Tempel geweiht. Die verbundenen Augen sollen die Unabhängigkeit der Rechtsprechung von äußeren Interessen und ihre Eigenverantwortung unterstreichen und damit auch ihre Unparteilichkeit, die nicht vom Ansehen anderer Personen bestimmt ist.

Unabhängigkeit der Justiz ist ein fundamentales Rechtsprinzip, das die Autonomie der Judikative verkörpert. Sie ergibt sich aus der Gewaltenteilung und besagt, dass sich jede dieser staatlichen Teilgewalten ihrer eigenen grundlegenden Aufgaben bewusst ist. Die stillschweigende Kollusion zwischen einzelnen der klassischen drei Gewalten, hat sich in der Geschichte erfahrungsgemäß als nachteilig erwiesen und ist meist mit diktatorischen Machtansprüchen verbunden. Die Beziehungen müssen durch öffentliche, ausdrückliche Regelungen bestimmt sein.

Deutschland[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

In Deutschland ist das Prinzip der Unabhängigkeit der Justiz im Grundgesetz (Art. 91 Abs. 1 GG) verankert. Da hier die Rechtsprechung und damit die Ausübung der rechtsprechenden Gewalt (Judikative) gemäß Art. 92 GG den Richtern anvertraut ist, gilt aus diesem Grund auch die spezielle „richterliche Unabhängigkeit“. Sie wird in ähnlicher Weise auch durch § 1 GVG, § 25 DRiG) geregelt.

Bedeutung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Zielsetzung des am 23. Mai 1949 verkündeten Grundgesetzes der BRD war es, eine auf die Menschenwürde gestützte demokratische Ordnung zu schaffen, welche die Wiederkehr eines totalitären Systems verhindert.[1](a) Dieses Prinzip der Vermeidung von Machtkonzentration dient der inneren Freiheit einer eigenverantwortlichen Entscheidung des Richters nach Recht und Gesetz und stellt ein sog. Richterprivileg dar (Art. 91 Abs. 1 und 2 GG sowie Art. 92 Abs. 1 bis 5 GG).[1](b) Richter sind nicht weisungsgebunden, unterliegen jedoch in bestimmten Fällen der Dienstaufsicht. Andere im Justizapparat tätige Personen wie etwa beamtete Vorgesetzte der Richter oder Staatsanwälte genießen eine solche hervorgehobene Stellung nicht. Dennoch gilt auch für sie die Forderung nach Neutralität und Unvoreingenommenheit. Für den Richter stellt die Neutralität des Gerichts eine Grundvoraussetzung dar. Sehen Richter ihre Unabhängigkeit durch Maßnahmen der Dienstaufsicht verletzt, steht ihnen der Rechtsweg zum Dienstgericht des Bundes, einem besonderen Senat des Bundesgerichtshofs, offen (26 Abs. 3, 61 ff. DRiG). Die rechtsstaatliche Forderung nach einem neutralen Richter bringt allerdings nicht nur Standesprivilegien, sondern auch Verpflichtungen für den Richter mit sich. Indem das Gericht den Rechtsstreit in alleiniger Verantwortung entscheidet, darf es sich beispielsweise nicht von den Ausführungen eines Gehilfen wie etwa eines Gerichtsgutachters oder Sachverständigen abhängig machen, auch dann nicht, wenn es sich beispielsweise um sachliche Bezüge wie etwa um Arzthaftungssachen handelt, etwa um einen Behandlungsfehler, Sachgebiete also, in denen keine primäre Sachkunde des Richters besteht. Der Richter ist verpflichtet, sich bei sachlich widersprüchlichen Stellungnahmen ein eigenes Urteil zu bilden und nicht ohne sachliche Auseinandersetzung mit allen vorgetragenen Argumenten etwa nur den Ausführungen einer Partei, etwa eines gerichtlich bestellten Gerichtsgutachters, zu folgen.[2]

Als problematisch hinsichtlich der Unabhängigkeit der Rechtsprechung wird oftmals das Verhältnis der Richter gegenüber notwendiger Dienstaufsicht angesehen, meist handelt es sich jedoch um die Abgrenzung der Kompetenzen gegenüber politischer Einflussnahme. Das bedeutet auch, dass die eigene politische Haltung eines Richters zu berücksichtigen ist. § 1 GVG und § 25 DRiG wiederholen die entsprechenden elementaren Grundsätze. § 39 DRiG verpflichtet die Richter ausdrücklich, ihre Unabhängigkeit innerhalb und außerhalb ihres Amtes, auch bei politischer Betätigung, zu wahren.

Problemstellungen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Aufgrund eines Urteils des EuGH vom 27. Mai 2019 in Sachen europäischer Haftbefehle besteht Anlass für eine allgemeinere Debatte über die Unabhängigkeit der Justiz. Nach diesem Urteil setzen die in Deutschland geltenden Regelungen einer politischen Instrumentalisierung der Justiz keine ausreichenden Hindernisse entgegen.[3]

Über die Berufung der Richter an den obersten Gerichtshöfen des Bundes entscheidet nach Art. 95 Abs. 2 GG der zuständige Bundesminister gemeinsam mit einem Richterwahlausschuss. Dieser besteht je zur Hälfte aus Landesministern und Mitgliedern, die vom Bundestag gewählt werden. Daher kommen derzeit ausschließlich Abgeordnete für diese Wahl in Frage. Als Bundesrichter kommt daher niemand zum Zuge, der keine Kontakte zu einer der potentiell mehrheitsfähigen Parteien hat. Diese politische Abhängigkeit ruft verfassungsmäßige Bedenken an der Unabhängigkeit der bundesdeutschen Justiz hervor.[3]

Geschichte[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Es erscheint wichtig, die Vorteile der Unabhängigkeit der Judikative gegen die Nachteile der richterlichen Unabhängigkeit abzuwägen, die aus der Vernachlässigung der bestehenden besonderen richterlichen Verpflichtungen entstehen bzw. im geschichtlichen Ablauf entstanden sind. Die vorsätzlich falsche Anwendung des Rechts durch Richter, Amtsträger oder Schiedsrichter bei der Leitung oder Entscheidung einer Rechtssache wird als Rechtsbeugung bezeichnet. Die Strafbarkeit der Rechtsbeugung ist in § 339 StGB geregelt. Rechtsbeugung ist ein Verbrechen, das mit einer Freiheitsstrafe von mindestens einem und höchstens fünf Jahren bedroht ist.

NS-Diktatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Richter Lothar Kreyssig verweigerte die Parteimitgliedschaft der NSDAP, weil er sich auf die richterliche Unabhängigkeit berief.[4](a)

DDR[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Aus dem BGH-Urteil vom 16.11.1995 Az. 5 StR 747/94, Abs. 76 (S. 12/16) geht hervor, dass eine Korrumpierung von Justizangehörigem durch die Machthaber der DDR erfolgt sei.[5]

Missbrauch und Kritik[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Im Nürnberger Juristenprozess war Franz Schlegelberger einer der Hauptangeklagten. Ihm wurde vorgeworfen, durch seine Ermahnungen und Anweisungen zur Zerstörung der Unabhängigkeit der Justiz beigetragen zu haben.[6]

Kritik erfolgt am Einfluss, den psychiatrische Gutachter auf Gerichtsentscheidungen ausüben. Die Expertise eines solchen Sachverständigen wird erfahrungsgemäß viel zu selten vom Richter hinterfragt. Zu oft folgen Richter kritiklos dem Rat gerichtlich fest bestellter Gutachter. Inhaltlich gerechtfertigter Widerspruch führt meist deshalb nicht zum Erfolg, weil ein einmal gutachterlich festgelegter Standpunkt von anderen „Gutachterkollegen“ einfach übernommen wird. Dieses Kollegialitätsprinzip, das auch die Richterschaft als solche betrifft, ist um so fataler, als der dadurch angerichtete Schaden als ungeheuerlich anzusehen ist.[7] Es stellt sich daher die Frage ob anstelle von Korpsgeist nicht eher von Gehilfenmentalität oder Komplizenschaft zu sprechen ist.[4](b)

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. a b Friedrich von Zezschwitz: Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland. 46. Auflage, Verlag Max Gehlen, Bad Homburg vor der Höhe, 1993, ISBN 3-441-00001-3;
    (a) S. 46 zu Stw. „Zielsetzungen des GG“;
    (b) S. 63 zu Stw. „richterliche Unabhängigkeit“.
  2. Christian Katzenmeier: Arzthaftung. Mohr, Siebeck, Tübingen 2002, ISBN 3-16-147681-6; S. 396 zu Stw. „richterliche Unabhängigkeit“.
  3. a b Defizite der bundesdeutschen Verfassung? Blog.
  4. a b Helmut Kramer: Oberlandesgerichtspräsidenten und Generalstaatsanwälte als Gehilfen der NS-»Euthanasie«. In: Kritische Justiz, Heft 1, 1984, S. 25–43 PDF online:
    (a) S. 38, incl. Anm. 90, S. 41 Anm. 99 zu Stw. „Lothar Kreyssig“;
    (b) S. 43 zu Stw., Korpsgeist vs. Gehilfenmentalität oder Komplizenschaft.
  5. BGH-Urteil vom 16.11.1995 Az. 5 StR 747/94 online.
  6. „Der Angeklagte Schlegelberger“, Urteilstext bei Peschel-Gutzeit: Das Nürnberger Juristen-Urteil von 1947. 1996, S. 143–147, hier S. 144
  7. Gerhand Strate: Der Fall Mollath. Vom Versagen der Justiz und Psychiatrie. Orell Füssli, Zürich, Dez. 2014.

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]