Benutzer:Ellen reinke/Jean Grondin

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Jean Grondin (* 7. August 1955) ist ein kanadischer Philosoph, der seit 1991 an der Universität von Montreal lehrt. Durch sein Studium der Philosophie in Montreal, Tübingen und Heidelberg sowie seine Übersetzertätigkeit ist er wie wohl kaum ein zweiter zeitgenössischer Philosoph in der Lage, seinen philosophischen Ansatz  sowohl auf die deutsch- und französischsprachige, wie auf die englischsprachige Tradition und Reflexion zu beziehen. Sein Schwerpunkt liegt – zurückgehend auf Plato über Augustin, Kant, Husserl, Heidegger, sowie Gadamer und Ricoeur – auf der philosophischen Hermeneutik. Neben der Philosophie hat er u. a. auch einen Beitrag zur Philosophie der Theologie geleistet. Sein Werk wurde in zahlreiche Sprachen übersetzt.

Leben und Wirken[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Grondin studierte ab 1974 in Montreal Philosophie. In diesem Zusammenhang lernte er Hans-Georg Gadamer kennen, was ihn zum Studienortwechsel nach Deutschland anregte. 1982 wurde er in Tübingen mit einer Arbeit zum Wahrheitsbegriff Hans-Georg Gadamers promoviert (Grondin, 1982). Seine Bekanntschaft mit Gadamer vertiefte er in diesen Jahren durch zahlreiche Besuche und Diskussionen in Heidelberg. Von 1982 bis 1990 war er Professor an der Universität Laval (Quebec), von 1990 bis 1991 an der Universität Ottawa. 1991 wurde er Professor an der Universität Montreal, kehrte jedoch zwischen 1989 bis 2002 regelmäßig für längere Zeit an die Universität Heidelberg zurück, um zu forschen und Gadamer zu treffen. Heidelberg wuchs ihm ans Herz. Er war der erste, der eine Werkbiographie über den bedeutenden Philosophen vorlegte (1999, 2. Aufl. 2013), die große Beachtung fand und in mehrere Sprachen übersetzt wurde. Das Besondere an dieser Biographie ist, daß sie nicht nur den philosophischen Blick berücksichtigt: Grondin zeigt hier ein differenziertes historisches, gerade auch zeitgeschichtliches Bewußtsein, um die für uns Jüngere schwer verständlichen Herausforderungen, vor denen die Menschen der Zwischenkriegszeit, im Nationalsozialismus und in der Nachkriegszeit standen, jenseits von rechtfertigenden oder verdammenden Urteilen zu beachten. Diese Haltung wird auch in seinem Aufsatz »Gadamer vor Heidegger« (1996) deutlich.

Außer in seiner Heimat Kanada, in Deutschland und in Frankreich wirkt(e) er auch als Gastprofessor und –Redner in Lausanne, Minsk, Port-au-Prince, San Salvador, Nizza und Japan.  Überall versteht er sich als ein Botschafter des Heidelberger philosophischen Geistes und der Tradition: »Heidelberg war die selbstverständliche Hauptstadt der Philosophie in der Welt. Die Ruperto Carola erfreut sich einer ruhmreichen jahrhundertelangen Geschichte und ist immer noch die führende deutsche Universität. Das trifft nicht zuletzt für die Philosophie zu: Außer Gadamer und Georg Friedrich Wilhelm Hegel wirkten dort Philosophen wie Karl Jaspers, Kuno Fischer, Heinrich Rickert und zahlreiche andere« [1].

Jean Grondins Wirken und sein philosophischer Ansatz[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Grondin vertritt einen breiten philosophischen Ansatz, der unter zwei Gesichtspunkten zu betrachten ist: 1. Seine Vermittlung insbesondere der deutschsprachigen Philosophie, Schwerpunkt Hermeneutik; 2. Sein eigener Ansatz im Bereich von Hermeneutik, Philosophie der Religion, Metaphysik und zur Frage nach dem Sinn des Lebens. Die deutschsprachige Philosophie (Kant, Heidegger, Gadamer) spielt dabei eine besondere Rolle. In Bezug auf letztere kann man ihn als Botschafter und Vermittler in Kanada und anderen französischsprachigen Ländern ansehen. Sein Werk ist umfassend: Er hält Vorträge in fünf Sprachen, seine insgesamt zwanzig Werke wurden in ein Duzend Sprachen übersetzt, seine zahlreichen Essays erscheinen in den führenden Zeitschriften. Er ist vielfach geehrt. Zuletzt wählte ihn die Académie des Arts, des Lettres et des Sciences Humaines (Société Royale du Canada) 2016 zu ihrem Präsidenten. [6]

Zu 1. Vermittlung. Hier begegnen wir dem pädagogischen Talent des Philosophen, darin ähnlich wie bei Paul Ricoeur. Verstehen, erfährt man dann zunächst ganz im Sinne Gadamers, erhebt keinen Absolutheitsanspruch, also auch nicht den Anspruch, zu verstehen, was absolute Wahrheit ist. Es geht um den Prozeß des Verstehens und die sachgerechte Auslegung des Verstandenen. Unsere gesprochene Sprache, mit der wir dann das so Ausgelegte in das Gespräch mit dem Anderen vermitteln, dient uns dabei, unsere Lesart gegebenenfalls mit dessen  Hilfe zu korrigieren, zu ändern, zu verbessern. »Man kann immer auch anders verstehen«. Das ist gerade kein Plädoyer für Beliebigkeit, denn im Gespräch mit einem wirklichen Gegenüber (oder auch mit einem Text) lasse ich mich in das Wechselspiel von Fragen und Antworten immer wieder neu und auf argumentierende Weise ein. Wahrheit ist hier eine »hermeneutische Wahrheit«, eine ausgelegte, verstandene, nicht eine von diesem Verstehensweg abgelöste. Auch nicht eine vom Verstehenden selbst abgelöste, der sich in seiner  Suche nicht nur nach innen, sondern gerade eben nach außen, in das Gespräch mit anderen Suchenden ausrichtet. Suchen heißt jedoch nicht, daß wir im Nebel stochern, im Gegenteil: von dem, was wir suchen, kommt immer etwas auf uns zu, spricht uns an. Wir finden nicht immer das rechte Wort dafür, jedoch ist das Verstehen grundsätzlich mit Sprache verbunden: wir verstehen immer nur etwas, wenn es uns gelingt, es in Worte zu bringen, die wir mit dem anderen austauschen können: Wir verständigen uns.

Zu 2., seinem eigenen Beitrag im engeren Sinne. Will man die Reichweite dieser Überlegungen anhand eines  Textes kennenlernen, dann vielleicht am besten mit dem Text »Vom Sinn des Verstehens« (2014). Weitere Schwerpunkte findet sich in seiner Schrift »Die Philosophie der Religion. Eine Skizze« (2012), sowie »Vom Sinn des Lebens« (2006) und in seiner leider noch nicht auf Deutsch erschienenen Schrift Introduction à la métaphysique, (2004). Im Mittelpunkt steht hier das »innere Gespräch«, mein inneres Fragen. Grondin vermittelt einen Zugang, der sich nicht gegen die Postmoderne richtet, sondern ihr »Jenseits« (meta) neu erleuchtet: »Metaphysik jenseits der Postmodernität«, vergleichbar wie bei einer Spätlese im Weinberg, die bekanntlich einen ganz besonderen Wein ergeben kann. Um im Bild zu bleiben: man weiß, wieviel Bedachtsamkeit, Pflege und glückliche Umstände dieser Wein auf dem gesamten Weg seiner Verwirklichung benötigt, bis er seine Vollendung im Genuß findet. Der Genießer ist dann der Leser, der hier Hinweise, Winke auf sein eigenes Denken – Weiterdenken – finden kann.

Ehrungen, Preise und Auszeichnungen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

2011 Konrad-Adenauer-Preisträger der Humboldt-Stiftung [1]

2011 Ehrendoktor, Universität Santiago del Estere, Argentinien

2011 Prix Léon-Gérin, Wissenschaftspreis von Quebec [2]

2012 Prix André-Laurendeau [3]

2012 Prix Killam [4]

2014 Molson-Preis des Conseil des Arts du Canada - Hamann [5]

Ausgewählte Schriften[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Bücher in deutscher Sprache[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

1982 Hermeneutische Wahrheit? Zum Wahrheitsbegriff Hans-Georg Gadamers. Meisenheim: Anton Hain. 2., verbesserte Auflage: Weinheim: Beltz Athenäum, 1994

1991 Einführung in die philosophische Hermeneutik. Darmstadt: Wiss. Buchges. Weitere Aufl. 2001, 2011

1994 Der Sinn für Hermeneutik. Darmstadt: Wiss. Buchges.; Taschenbuch-Auflage 2009

1994 Immanuel Kant zur Einführung. Hamburg: Junius, 5. Aufl. 2013

1999 Hans-Georg Gadamer. Eine Biographie. Tübingen: Mohr Siebeck. Studienausgabe 2000, 2. durchges. Aufl. 2013

2000 Einführung zu Gadamer. Tübingen: Mohr Siebeck (UTB)

2001 Von Heidegger zu Gadamer. Unterwegs zur Hermeneutik. Darmstadt: Wiss. Buchges.

2004 Introduction à la métaphysique. Montreal: Presses de l´Université de Montréal

2006 Vom Sinn des Lebens. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht

2009 Hermeneutik. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht (UTB), 2. Aufl. 2012.

2012 Die Philosophie der Religion. Eine Skizze. Tübingen: Mohr Siebeck

Herausgeber und Beiträge in Sammelbänden (Auswahl)[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

1989 Habermas und das Problem der Individualität. Philosophische Rundschau, Jg. 36, S. 187-205

1997 Gadamer-Lesebuch (Hg.). Tübingen: Mohr Siebeck (UTB)

1995 Die Hermeneutik des kritischen Rationalismus. In: Philosophia naturalis, Nr. 32, S. 183-191; wiederaufgenommen in: B. Kanitschneider, F.J. Wetz, Hg.: Hermeneutik und Naturalismus. Tübingen: Mohr Siebeck, S. 38-46

1996 Gadamer vor Heidegger. Internationale Zeitschrift für Philosophie, 1996, S. 197-226

1997 Hermeneutische Wahrheit. Heidegger und Augustinus. In: Die Frage nach der Wahrheit. Hg. v. Ewald Richter. Frankfurt am M.: Klostermann, Schriften der Heidegger-Gesellschaft, Bd. 4

2000 Unterwegs zur Rhetorik. Gadamers Schritt von Platon zu Augustin in »Wahrheit und Methode«. In: Hermeneutische Wege. Hans Georg Gadamer zum Hundertsten. Hg., zusammen mit G. Figal, D. Schmidt. Tübingen: Mohr Siebeck

2001 Die Wiederentdeckung der Seinsfrage auf dem Weg einer phänomenologisch-hermeneutischen Destruktion. In: Rentsch, Thomas, Hg.: Martin Heidegger: Sein und Zeit. Klassiker auslegen. Berlin: Akademie-Verlag, S. 1-28

2003 Der deutsche Idealismus und Heideggers Verschärfung des Problems der Metaphysik nach Sein und Zeit. In: H. Seubert, Hg.: Heideggers Zwiegespräch mit dem deutschen Idealismus. Köln, etc.: Böhlau-Verlag, Collegium Hermeneuticum, Bd. VII, S. 41-57

2006 Gadamers ungewisses Erbe. In: G. Abel, Hg.: Kreativität. XX. Kongress für Philosophie. Kolloquiumsbeiträge. Hamburg: Meiner, 2006, S. 205-215

2014 Vom Sinn des Verstehens. In: ach so verstehen wir. Texte über das Verstehen. Hg. Susanne Schulte, Münster: Waxmann, S. 25-38 [7].

2016 Warum ich Heidegger in schwieriger Zeit treu bleibe. In: Heidegger und der Antisemitismus. Positionen im Widerstreit. Hg. v. W. Homolka, A. Heidegger. Stuttgart: Herder

Literatur, Rezensionen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Beuchot, Mauricio (2016): Hechos y interpretaciones: Hacia una hermeneutica analógica. Ciudad de México: Fondo de Cultura Económica

Gross, Thomas (2012): Wie man die Welt sinnvoll erleben kann. FAZ vom 29.5.2012 - https://www.buecher.de/shop/religionsphilosophie/die-philosophie-der-religion/grondin-jean/products_products/detail/prod_id/33070735/#reviews (5.1.18)

Kroll, Thomas (2007): Basisfragen der Lebensorientierung. Jean Grondin: Vom Sinn des Lebens (2006). http://www.deutschlandfunkkultur.de/basisfragen-der-lebensorientierung.950.de.html?dram:article_id=134703#top (08.01.18)

Quarch, Christoph (1997): Kritik der Freiburger Urteilskraft. Heidegger lehrte Gadamer Philosophie, Gadamer lehrte ihn Mores: eine amerikanische Hommage. Darin: Würdigung des Beitrags von Grondin, Gadamer on Humanism, in: Hahn, L.E., Hg.: The Philosophy of Hans-Georg Gadamer. The Library of Living Philosophers, Vol. XXIV, Chicago: Open Court Publishing, 1997. FAZ vom 22.10.1997, Nr. 245, S. 12 - http://www.faz.net/aktuell/feuilleton/buecher/rezension-sachbuch-kritik-der-freiburger-urteilskraft-11297866.html?printPagedArticle=true#pageIndex_0

Ritter, Henning (1999): Unsere Studenten ringen nicht mehr. Der Tag des Marburger Stammtisches ist fern: Gadamers Kampf mit Heidegger, (Zu Jean Grondins Gadamer-Biographie); FAZ, aktualisiert am 23.3.1999

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

[1] Universität Heidelberg: [1]

Deutsche Nationalbibliothek: [2]

[2] Prix Léon-Gérin, [3]

[3] Prix André-Laurendeau, [4]

[4] Prix Killam, [5]

[5] Prix Molson, [6]

[6] Präsident der Académie des Arts, des Lettres et des Sciences Humaines (Société Royale du Canada), [7]

[7] zu sehen auf Youtube:

[8]