Benutzer:GerhardSchuhmacher/Studentenstreik 1976/1977

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Der Streik im Wintersemester 1976/77 war die erste größere studentische Bewegung an der FU nach 1968. Die K-Gruppen hatten die Szenerie länger dominiert, als die antiautoritäre Revolte gedauert hatte. Sie waren am Ende, setzten aber bezeichnenderweise durch Professoren den Anlass zum Streik, indem zwei Germanistikprofessoren im Tagesspiegel zur Wahl der KPD aufriefen. Zwei weitere Profs der FU riefen öffentlich zur Wahl des Westberliner Ablegers der SED, der Sozialistischen Einheitspartei Westberlin [SEW] auf. Diesen vier sollte, wie schon anderen zuvor, stande pede der Beruf verboten werden. Der Asta war schon seit dem Ausklingen der 68er Revolte verboten. […] Studentische Fachbereichs-Vollversammlungen, denen mangels der rechtlichen Existenz von Organen der Studentenschaft von professoraler Seite der Einwand der Illegalität entgegengehalten wurde, beschlossen ab Mitte November 1976 den Streik.

Auf diesen Vollversammlungen und mit dem anschließenden Streik konstituierte sich mit den Spontis[Anm 1] der akademische Teil der Alternativbewegung in Abgrenzung zum technokratischen Protestantismus der selbsternannten proletarischen Avantgardeparteien. Mit den Paradigmen der Selbstverwaltung und Selbstbestimmung, der Reflexion der eigenen Bedürfnisse im Rahmen möglichst unvermittelter Kritik von Herrschaftsverhältnissen erscheint die antiautoritäre Revolte wieder an der Universität. […] In der letzten Novemberwoche streikten nicht nur alle Fachbereiche der FU, sondern alle Berliner Universitäten.[1]

> Weiterer Eintrag von A. Kritzler zum 'Weiteren Verlauf ab SS 77. (14.3.2020)


Im Wintersemester 1976/77 kam es in Berlin überraschend zu einem Streik der Studenten an der Freien Universität (FU) Berlin, der sogleich auf weitere Hochschulen und Fachhochschulen, auf Institute des Zweiten Bildungsweges und schliesslich auch auf die Technische Universität (TU) übergriff. Nach gleichzeitigen „Warnstreiks“ schlossen sich in der Folge auch zahlreiche Universitäten und Fachhochschulen in der Bundesrepublik Deutschland dem „aktiven Streik“ an.

Transparente an der Hochschule der Künste (HdK) in Berlin

In dem auch Radikalenerlass|„Berufsverbotestreik“ genannten Ausstand konkretisierte sich mit dieser politisch klingenden Bezeichnung ein allgemeiner Unmut vor allem der neuen Studentenjahrgänge nach den 68ernnicht nur über eine staatliche Maßnahme, sondern auch über das als Verschlechterung der Studienbedingungen empfundene neue Hochschulrahmengesetz (HRG). Zudem kam die Ablehnung der ‚autoritären Politik‘ der miteinander verfeindeten Studentenorganisationen: der maoistischen K-Gruppen und der DDR-orientierten ‚Aktion von Demokraten und Sozialisten – ADSen in Berlin sowie entsprechender Gruppen in Westdeutschland, die bis dahin die Aktivitäten auf dem Campus und zum Teil auch in Gremien dominierten. Diese bundesweite Streibewegung, die es nicht bei den üblichen politischen Protestaktionen beließ, sondern sich durch eine Vielfalt auch praktischer Aktivitäten auszeichnete, markiert das Ende der Dominanz der 68er-Generation|68er-Bewegung und den Übergang zur alternativen Projektarbeit und den Neuen Sozialen Bewegungen der 70/80er-Jahre.

Auftakt des Streiks in Berlin

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Nachdem die Studenten des Fachbereichs Germanistik der FU schon einige Wochen gegen die Suspendierung ihres Professors Wolfgang Bauer und des Assistenzprofessors Dr. Friedrich Rothe aufgrund eines Wahraufrufes für die maoistische KPD ergebnislos gestreikt hatten, organisierten sie am 24. November 1976 eine studentische Vollversammlung (VV) im Auditorium Maximum (Audimax) der Freien Universität. Die Veranstaltung war mit 4000 Besuchern so überfüllt, dass nahegelegene große Hörsäale per Lautsprecher angeschlossen wurden.

Nach kurzen Berichten aus dem Fachbereich Germanistik beschloß die Versammlung einhellig den Übergang zu einem 'aktiven Streik' an der gesamten Universität, dikutierte einige Verfahrensweisen und löste sich auf, damit die Teilnehmer zu ihren Instituten fahren konnten, um dort umgehend den Streik vorzubereiten. Im Mittelpunkt stand jeweils die Organisation von Urabstimmungen, um den Grad an Unterstützung festzustellen und eine erste Bildung von Arbeitsgruppen. Dieser Streikbeschluss besaß im politisch-juristischen Gefüge der Universität keine Rechtskraft, doch war er die Basis der sich nun bildenden Substrukturen.

Die Umsetzung des Streikbeschlusses

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In den großen Fachbereichen wurden Vollversammlungen einberufen, die zunächst mit einfacher Mehrheit abstimmten, ob Urabstimmungen durchgeführt werden sollten und auf welche Weise. Es wurde nicht die Zahl der eingeschriebenen Studenten zugrunde gelegt, da es in dieser Zeit viele nur formal Angemeldete gab, sondern die der Seminarteilnehmer. Die Ergebnisse wurden im ‚uniweiten Streikkurier‘ veröffentlicht, der im Institut für Publizistik (IfP) der FU redaktionell betreut und auch hergestellt wurde. Die „Nullnummer“, die am 1. Dezember 1976 erschien, versuchte vor allem die Kommunikation unter den bereits streikenden Hochschulen und deren Fachbereichen zu erfassen und zu koordinieren.

Durch den rasch um sich greifenden Streik war auch die Politik, Universitätsverwaltung und die Öffentlichkeit überrascht worden.[2] Die Berichterstattung wurde im Streikkurier kommentiert: „Fast die gesamte Berliner Tagespresse zeichnet sich durch ungenügende Darstellung von Ausmaß und Gründen des Streiks aus. Initiatoren und Träger des Streiks, so wird unterstellt, seien K-Gruppen. Daß inzwischen zehntausende von Studenten im ganzen Bundesgebiet den Streik mittragen, wird verschwiegen. … Eine inhaltliche Auseinandersetzung mit den von studentischer Seite angeprangerten Mißständen findet nicht statt.“[3]

Die Überraschung drückte sich auch darin aus, dass die Institute anfangs faktisch den Streikenden überlassen worden waren. Erst am 29. November hatten die Verantwortlichen Flagge gezeigt: „Wissenschaftssenator Löffler hat zusammen mit dem neuen FU-Präsident Lämmert[Anm 2] und FU-Vizepräsident Professor Jäckel die vom Boykott der Lehrveranstaltungen vor allem betroffene Rostlaube der FU besucht und [...] erklärt, daß die FU nicht dem Streikrat gehöre und damit kein rechtsfreier Raum sei.“[4]

Bis dahin waren schon Abstimmungen auch ausserhalb der Freien Universität entschieden: „Von über 3000 TFH-Studenten (Technische Fachhochschule) hätten sich 2096 an der schriftlichen Abstimmung beteiligt, von denen 1876 für einen einwöchigen Streik votiert hätten. [...] An der Fachhochschule für Wirtschaft beteiligten sich an einer schriftlichen Abstimmung von 1295 Studenten 865, von denen 836 für einen einwöchigen Streik stimmten. An der Pädagogischen Hochschule in Lankwitz beschloß gestern (26. November 1976) eine studentische Versammlung mit 776 Stimmen bei 75 Gegenstimmen und 44 Enthaltungen bis zum Mittwoch in einen Proteststreik gegen ‚Berufsverbote‘ zu treten.[5]

Beteiligung am Streik und Resultate der Urabstimmungen[Anm 3]

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Universitäten und Fachhochschulen

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Laut Streikkurier Nr. 0 vom 1. Dez. 1976, S. 4,5. gibt es folgende Aktivitäten:
„Freie Universität (FU):

  • FB 13 – Historiker: Aktiver Streik seit Mo., 29.11. mit 2000 Studenten
  • Psychologisches Institut: Von 1020 Studenten 768 für und 9 gegen Streik
  • Anglisten: 212 pro und 61 Kontrastimmen

Fachbereichsrat einstimmig für Streikunterstützung.

  • John F. Kennedy Institut (JFK): 112 von 139 Hauptfachstudenten: ja, 12 dagegen.
  • Urabstimmungen laufen: Bibliothekare, Theaterwissenschaftler, Physiker, Amerikanisten, Geographen, Biologen.“

Als bereits im Streik befindlich werden vom Streikkuriergemeldet:

  • „FU: Germanisten, Ethnologen, Soziologen, Religionswissenschaftler, Wirtschaftswissenschaften (Wiso), Islamwissenschaftler, Publizisten, Politikwissenschaftler (OSI), Lateiamerika-Institut, Ostasiatisches Seminar, Osteuropa-Institut, Erziehungswissenschaften.
  • Technische Universität TU: Landschaftsplaner, Gewerbelehrer, Stadt- und Regionalplaner.“

Streikaktionen und Urabstimmungen gab es an Berliner Fachhochschulen:

  • Fachhochschule für Sozialarbeit und Sozialpädagogik:
  • Evang. Fachhochschule
  • Pädagogische Hochschule
  • Technische Fachhochschule
  • Staatliche Fachhochschule
  • Postfachschule

Am 2. Dezember meldet der Streikkurier Nr. 1 vom vor allem den „Streikbeschluß der Mediziner mit 800 gegen 200 Stimmen. Die Juristen stimmen noch ab, ebenfalls Altertums- und Musikwissenschaften. Mathematiker und Geographen beschliessen auf ihren Versammlungen eine Urabstimmung. Das Lateinamerika-Institut beschloß mit 137:16 Stimmen eine Woche Streik.

  • Die Pädogogische Hochschule (PH) hat einen dreitägigen Solidaritätsstreik mit der FU beschlossen. Danach findet eine weitere Vollversammlung statt.“

Der Streikkurier Nr. 3 vom 6. Dezember 1976 meldet:

  • „Die Vollversammlung der PH verlängert den Streik bis zum 9. Dezember.
  • Die Urabstimmung bei den Human-Medizinern der FU läuft bis 6. Dezember.“

Streikkurier Nr. 4 vom 7. Dezember, S. 4.:

„Bei den Veterinärmedizinern (FU) verfehlt die Abstimmung das gesetzte Quorum von 300 Zustimmungen knapp.“
Eine Aufstellung listete aktuell nun die streikenden Institute auf:
„FB's 1,2,3 (Mediziner), 9 (Jura), FB 11 (Philosophen, Publizisten, ev. Theologen, Religionswissenschaftler, Psychologen, Soziologen, Theaterwissenschaftler, Ethnologen, Ostasiatisches Seminar), FB 12 (Handelslehrer, Erziehungswissenschaftler, Historiker), FB 14 (Geographen), FB 15 OSI, FB 16 (Germanisten), FB 17 (Anglisten, Romanisten), FB 20 (Physiker), FB 21 (Chemiker), FB22 (Pharmazeuten), FB 23 (Biologen), ZI 1 (Osteuropainstitut), ZI 2 (Rosenberg ehem. Kennedyinst.), ZI 3 (Lateinamerikainst.), Evang. Fachhochschule, Pädagogische Fachhochschule, Fachhochschule für Wirtschaft, Technische Fachhochschule, Staatliche Fachhochschule, Fachhochschule für Sozialarbeit u. Sozialpädagogik, TU FB Planer + FB Bildungs- u. Gesellschaftswissenschaften.“

Die entscheidende Frage, ob sich die größte der Berliner Universitäten, die Technische Universität (TU), in ihrer Gesamtheit dem Streik anschliesst, beantwortete der Streikkurier Nr. 5 vom 8. Dezember 1976, S. 1.:
„Als (fast) letztes Glied in der Kette der berliner Hoch- und Fachhochschulen wurde auf der VV vom Di d. 7.12. mit überwältigender Mehrheit (der 2500 Studenten) eine Empfehlung an die FB (ausgesprochen), den Kampf gegen die reaktionäre Hochschulpolitik des Senat und des Bundes aufzunehmen.“
Danach fanden an der TU die Urabstimmungen statt - als Zwischenergebnis meldet der Tagesspiegel v. 10.12., dass sich „nach Mitteilung der TU-Pressestelle in Abstimmungen Studenten von sechs Fachbereichen für einen Unterrichtsboykott ausgesprochen [haben].“

  • TU: FB Gesellschafts- und Planungswissenschaften, FB Bauplanung- und -fertigung sowie Landschaftsbau (TSP 10.12.)

Am 16. Dezember 1976 meldet der Tagesspiegel:
„TU-Präsident Wittkowsky hat zu dem Boykott der Lehrveranstaltungen aus Protest gegen Berufsverbote und verschlechterte Studienbedingungen, der jetzt auf 15 Fachbereiche der TU übergegriffen hat, erklärt, er unterstütze die wesentlichen Forderungen der Studenten und halte die studentischen Protestmaßnahmen für zulässig.“

  • An der Hochschule der Künste (HdK) streikte ab dem 6. Dezember der FB 6 (Kunsterziehung).[6]
  • Die Studenten der Deutschen Film- und Fersehakademie Berlin (DFFB) beschliessen einen Solidaritätsstreik mit den Universitätsstudenten.

Zweiter Bildungsweg

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Die Studierenden des zweiten Bildungsweges (ZBW) beschlossen auf ihrer Vollversammlung am 2. Dezember, Urabstimmungen über einen Streik an den einzelnen Schulen durchzuführen. Dieser Empfehlung folgten die Volkshochschulen (VHS) Schöneberg und Charlottenburg, das Berlin-Kolleg, die Schule für Erwachsenenbildung (SFE) und später auch die Peter A. Silbermann-Schule und traten in den Streik. [...] Die Streikenden treffen sich zu den üblichen Unterrichtsterminen in verschiedenen AGs und diskutieren über Themen wie PLO, Kernkraftwerke, Öffentlichkeitsarbeit, politische Disziplinierung und nicht zuletzt Berufsverbote. Wichtiger Streikinhalt ist ebenfalls die Oberstufenreform, Schulverfassungsgesetz und die speziellen Schwierigkeiten der Lernsituation der Erwachsenen im ZBW.[7]

Auch hier geriet die Verwaltung infolge der überraschend grossen Teilnahme unter Druck:
„Schulsenator Rasch hat jetzt die Studierenden aufgefordert, unverzüglich wieder am Unterricht teilzunehmen, die sich dem Boykott der Lehrveranstaltungen an Hoch- und Fachschulen gegen Berufsverbote und verschlechterte Lernbedingungen angeschlossen haben. Die Fortsetzung des Boykotts zwinge ihn, die Anerkennung des laufenden Semesters zu überprüfen, erklärte der Schulsenator.“[8]

Erste „Warnstreiks“ in der Bundesrepublik Deutschland

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„Der bundesweite ‚Warnstreik‘ (Ende November 1976) der Studenten an den Fachhochschulen hat dazu geführt, daß in der überwiegenden Mehrheit der Hochschulen in der Bundesrepublik der lehrbetrieb lahmgelegt ist. Nach Angaben der VDS (Verband Deutscher Studentenschaften) beteiligten sich von den rund 100 Studentenvertretungen an Fachhochschulen etwa 95 aktiv an den Protestaktionen gegen die Bestimmung im Hochschulrahmengesetz, nach denen Fachhochschulstudenten künftig das Überwechseln auf Universitäten einschneidend beschränkt wird.“[9]

Schätzungen zum Umfang der Beteiligung am Streik

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VDS Während von verschiedenen politischen Organisationen die Beteiligung am Streik mit der Anzahl der eingeschriebenen Studenten gleichgesetzt wurde, zeigten die Initiativen der Unorganisierten („Basisgruppen“) in verschiedenen Veröffentlichungen ein deutliches Interesse an der Feststellung der Zahl der tatsächlich aktiv gewordenen Studenten. Am - kleinen - (IfP) Institut für Publizistik der FU wurden die kontinuierlich Beteiligten auf etwa 120 Personen geschätzt, ... Insgesamt wurde für Berlin die Zahl von 40.000 aktiv streikenden Studenten angenommen. Dies korrelierte mit einer Zahl von 22.000 Demonstrationsteilnehmern am 13. Dezember 1976. Eine Schätzung der Anzahl aktiver Studenten an den ca. 100 mit Streikaktionen befassten Universitäten und Hochschulen in Westdeutschland belief sich auf 450.000.

Die Organisationsformen des Streiks in Berlin

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Kommunikations- und Entscheidungsstrukturen

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Die auf der Vollversammlung am 24. November 1976 bereits vorgeschlagene Koordinations- und Entscheidungsstruktur wurde im allgemeinen überall ausgeführt: Arbeitsgruppen und die neu- und selbstorganisierten Seminare entsandten je nach Größe ein bis zwei Vertreter in die Institutsräte, diese entsprechend wieder Vertreter in die Fachbereichsräte. Hier wurden Vertreter in den zentralen Streikrat der Universitäten gewählt. Aus allen beteiligten Hoch- und Fachhochschulen wurde in Berlin ein regionaler Streikrat gebildet. Diese Rätestruktur sollte nicht vorwiegend Instanzen für Entscheidungen ausbilden, sondern vor allem Kommunikation (Informationsaustausch) und die Koordination von Aktivitäten bewerkstelligen. Sie hatte Anträge aus der Studentenschaft zu vereinheitlichen bzw Resultate und Vorschläge wieder ‚nach unten‘ zu tragen.[Anm 4]

Arbeitsweisen und Aktivitäten

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Grundsätzlich wurden die bestehenden Seminare nicht fortgeführt – dies sollte auch dann gelten, wenn diese – wie bei den Gesisteswissenschaften – oft ‚fortschrittliche‘ Themen und/oder auch Dozenten hatten. Damit sollte verhindert werden, dass ‚die Fortschrittlichen‘ ihre Scheine machen können und die, „die dummerweise an nicht-fortschrittlichen Instituten eingeschrieben sind, dazu auch noch benachteiligt werden.“[10] Neue Seminare sollten zu den Streikthemen gebildet werden oder zu Fragen, die der universitäre Betrieb nicht stellt. Die Arbeitsgruppen und Seminare veröffentlichten ihre Ergebnisse in Veranstaltungen oder auch an Stellwänden. ‚Praktische Arbeitsgruppen‘ wurden zahlreich gebildet – vor allem dort, wo Gerätschaft auf ihren Einsatz wartete. Neben der Produktion des Streikkurieres und seiner Logistik befassten sich Gruppen mit der Erstellung von Materialien für die Öffentlichkeitsarbeit, bei den Publizisten entstand eine Super8-Filmgruppe, die vor allem Streiaktivitäten dokumentierte, während die Videogruppen aktuelles Geschehen aufnahmen und weiter verbreiteten. Es gab Fotogruppen und eine Tonbandgruppe, dazu Musiker, Theatergruppen – daneben bildeten sich Gruppen, die für Versorgung zuständig waren, Cafés wurden eingerichtet, Telefonzentralen fast rund um die Uhr besetzt.

Öffentlichkeitsarbeit

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Am 7. Dezember hatte sich mittlerweile der Regionale Streikrat aller Hochschulen in Berlin gebildet, der Informationen und Diskussionen nun rasch vereinheitlichen konnte. Die zunehmende Vernetzung zeigte nun auch der Terminkalender des Streikkurier.[11]

Öffentlichkeitsarbeit besass einen hohen Stellenwert, da sich durch die Kritik am schlagwortartigen 'Agitprop' der politischen Organisationen und theoretisch untermauert durch das Werk von Oskar Negt und Alexander Kluge: Öffentlichkeit und Erfahrung, mit dem an den Universitäten vielfach gearbeitet wurde, bei den Unorganisierten eine hohe Aufmerksamkeit für die Vermittlung ihrer Anliegen herausgebildet hatte. Es wurde versucht, intern und extern „Gegenöffentlichkeit“ zu entwickeln.

Zwar standen die „Großdemonstrationen“ immer im Mittelpunkt der Aktivitäten, doch wurden in der Stadt Infostände eingerichtet, an den oft Theater- und Musikgruppen präsent waren. Die AV-Medien befanden sich noch eher im Hintergrund - Videos aktueller Vorgänge wurden vorrangig an den Instituten gezeigt und der Super8-Film, der keine Chronologie, sondern die „Streikformen“ thematisierte, ‚tourte‘ im folgenden Sommersemester durch die Fachbereiche.

Im November und Dezember 1977 waren in Berlin bereits sieben [angemeldete] „Zentrale Info-Stände“ etabliert, an denen sich Gruppen und ‚Einzelkämpfer‘ Material für eigene, dezentrale Aktionen abholen können.[12]

Die Forderungen der Studenten

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In Berlin und der Bundesrepublik Deutschland:

  • Gegen Berufsverbote und politische Disziplinierung
  • Gegen eine Verschärfung der Studienbedingungen durch das HRG
  • Gegen die Einführung einer Regelstudienzeit [von 8 Semestern inkl. der Prüfungszeiten].
  • Keine Kriminalisierung des Streiks an den Hochschulen
  • Für angemessene Erhöhung der Bafög-Beträge

An der Freien Universität stand von Anbeginn die Forderung nach der Wiedereinstellung der Dozenten Prof. Gerhard Bauer und Dr. Friedrich Rothe am FB 6 Germanistik, an deren Entlassung sich der Streik entzündete, auf jedem Flugblatt. Ähnliche Fälle an anderen Hochschulen, Fachbereichen oder auch an Schulen des zweiten Bildungsweges kamen hinzu. Zentral war auch die Forderung nach der Freilassung der am 2. Dezember 1976 verhafteten Studenten Christoph Dreher und Peter Wietheger und nach Einstellung der juristischen Verfahren erhoben. Vor der Winterpause wurde die Einstellung aller im Rahmen des Streiks eröffneten Disziplinar- und Strafverfahren als Kriterium für Einstellung oder Wiederaufnahme des Streiks im Januar 1977 verlangt. Mit diesem Einlenken seitens des Berliner Senats war nicht zu rechnen und so stellten sich alle Beteiligten auf die Fortführung der Streiks nach den Weihnachtsferien ein.

Die Streiks in Westdeutschland

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  • Bremen
  • Münster
  • Heidelberg
  • Tübingen
  • Göttingen (FR, 3.2.77)


Neues Selbstverständnis der Studenten

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Neuorganisation der Studentenvertretung in Berlin: der USTA

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Schon bald nachdem sich die unerwartet große Beteiligung im Streik abzuzeichnen begann und die Ablehnung der bestehenden politischen Gruppen unübersehbar wurde, stellte sich wieder die Frage nach einer allgemeinen Studentenvertretung anstelle des 1969 abgeschafften AStA. Infolge der Begeisterung für basisdemokratische Vorstellungen, die in der Streikorganisation praktisch geworden waren, wollte man versuchen, dieses egalitäre Prinzip auch in einer langlebigen Organisationsform festzuschreiben. Nachdem schon seit längerer Zeit in kleinen Zirkeln das Vorhaben diskutiert worden war, einen Unabhängigen Studentenausschuss (USTA) zu gründen, hatte sich nun eine Situation entwickelt, die eine Umsetzung dieses Plans möglich erscheinen lies.

Nachdem ein erster Versuch der Gründung auf der Vollversammlung an der FU am 6. Dezember infolge eines ‚Umzugs‘ der Versammlung vor das Präsidialamt verschoben werden musste (siehe Chronologie), fand die Gründung eine Woche später, am 13. Dezember, wiederum im Audimax statt:

„Das beschloß eine Versammlung von rund 2300 Teilnehmern [...] Der USTA soll auf Basisgruppen in der Fachbereichsebene aufbauen, jedes Institut bzw jeder Fachbereich wählt zwei Delegierte in einen sogenannten USTA-Rat, der wiederum einen Ausschuß bildet, dem die einzelnen USTA-Referate angehören. Eine Vollversammlung der gesamten Universität soll das höchste beschlußfassende Organ für den USTA werden. [...] Langfristig will sich der USTA für den Aufbau eines allgemeinen Studentenausschusses mit politschem Mandat und Satzungs- und Finanzhoheit einsetzen.“[13] Festgestellt wird in dem Artikel auch, dass der USTA „als vorangige Vertretung der Unorganisierten unter den linken Gruppen nicht unumstritten [ist].“

Dass Ordinarien und politische Vertreter auf die Illegalität eines solchen Vorhaben hinwiesen, wurde zur Kenntnis genommen, beeinflusste jedoch das Vorhaben nicht.

Abwendung von den herrschenden politischen Gruppen

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Mit Überraschung aber auch Genugtuung wurde in Teilen der Presse festgestellt, dass die kommunistischen Gruppen rapide an Einfluß verlieren, so ist es ...

„Bei den alle zwei Jahren stattfindenden Fachbereichswahlen an der Technischen Universität […] zu einem ausgesprochenen Linksruck gekommen. Während die Gruppen der Mitte bzw der rechten Mitte wie die Liberalen unabhängigen Studenten (LUST) und der RCDS (Ring Christlich-Demokratischer Studenten) teilweise erhebliche Stimmenverluste zu verzeichnen hätten, hätten vor allem die Jungsozialisten und die linken Initiativen der unorganisierten Studenten eine große Zahl von Sitzen gewinnen können. Etwa zwei Drittel aller studentischen Fachbereichsmitglieder gehören nach der Einschätzung des TU-Präsidialamtes der Linken an.“

Der Tagesspiegel. 15. Dezember 1976.

Hier wie bei den meisten Wahlen auch an anderen Universitäten und Instituten verlieren die K-Gruppen jetzt ihre (noch) wenigen Sitze.

Die K-Gruppen wie auch die DDR-nahen Organisationen, die sich analog dem weltpolitischen Dualismus zwischen China und der Sowjetunion gegenseitig als "Hauptfeinde" bekämpften, dominierten in der ersten Hälfte der 1970er-Jahre trotz der geringen Zahl ihrer Mitglieder nicht nur das Geschehen in Universitäten, sondern auch in Betrieben und in der (Strassen-)Öffentlichkeit der Städte.

Zu drastischen Szenen, die den Unmut der zumeist jüngeren, „unorganisierten“ Studenten über das selbstherrliche Gebahren der kommunistischen Gruppen aller Richtungen und ihrer Kader zeigten, kam es im Laufe der Vollversammlung zur Gründung des USTA:

„Als die besonders militante KHG (Kommunistische Hochschulgruppe) zweimal das Mikrophon okkupierte, obwohl die Versammlung eine andere Reihenfolge der Rednerliste beschlossen hatte bzw. die Redezeit des KHG-Sprechers abgelaufen war, drängten unorganisierte Studenten die KHG-Gruppe vom Mikrophon. Es kam zu einer Schlägerei. Sprechchöre wie ‚KHG in die Spree‘ und ‚Stalinisten raus‘ wurden laut.“

Uwe Schlicht: Der Tagesspiegel. 14.12.1976

Im weiteren Verlauf des Streiks verloren vor allem die maoistischen Organisationen jeden Einfluss, da sie in den Räten aufgrund des geringen Zuspruchs nicht mehr präsent waren. Vertreter sich moderater gebender Gruppen wie die SEW-orientierten ADSen (Aktion von Demokraten und Sozialisten) oder die trotzkistische GIM (Gruppe internationaler Marxisten) wurden akzeptiert, so lange sie nicht versuchten, eine Mehrheit zu dominieren.

In der Öffentlichkeit, den Medien und der Politik wurde diese Veränderung allmählich erkannt - zwar schien diese Differenzierung den Boulevardblättern, die lange noch „kommunistische Drahtzieher“ im Hintergrund vermuteten, zu kompliziert, - doch die Leserschaft bürgerlicher Zeitungen wie Der Tagesspiegel, Der Abend und letztlich auch der Berliner Morgenpost erwarteten qualifiziertere Analysen. Hatte der Tagesspiegel schon früh erkannt, „... daß die in früheren Diskussionen dominierenden kommunistischen Gruppen [...] nicht mehr den Ton angeben.“ (Zitat), so machte auch schon bald das Wort von der „Neuen Studentenbewegung“ allgemein die Runde.

Reaktion von Politik und Öffentlichkeit

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Die Verkennung der tatsächlichen Situation - der Wechsel in der politischen Aktivität - hielt zuerst in der Politik von Senats von Berlin weiter an: In einem Interview erklärte Wissenschaftssentor Gerd Löffler:

„Diejenigen, die jetzt Anführer der militanten Aktion sind, die sogenannten Roten Garden, die Marxisten-Leninisten und die KPD, werden erkennen müssen, daß der Rechtsstaat sich nicht erpressen läßt“

SFB: Berliner Stimme vom 4. Dezember 1976.

Am 7. Dezember veranstaltete der "Presseauschuß des Zentralen Streikrates" eine Pressekonferenz, zu der "... u.a. Vertreter von SFB (Sender Freies Berlin), Rias (Rundfunk im amerikanischen Sektor), der Morgenpost und der dpa(Deutsche presseagentur) erschienen sind. Der Streikkurier kommentierte: "Der Zusammenhang zwischen den Verhaftungen und der Kriminalisierung des Streiks von Seiten der Obrigkeit ist den fragenden Journalisten hoffentlich klar geworden."<5 - 8.12. - S.6> Nach Angaben der Rechtsanwälte soll sich ein verhörender Kriminalbeamter vor allem auf die Suche nach den ‚Hintermännern‘ konzentriert haben. In der Pressekonferenz des Zentralen Streikrates - so Der Tagesspiegel, „... der sich aus gewählten Vertretern von fachbereichen und Istituten zusammensetzt, wurde deutlich, daß dieser Rat zu drei Vierteln aus unorganisierten Studenten besteht.“[14]

Am 8. Dezember fand im Schöneberger Abgeordnetenhaus eine Fragestunde zum Thema Streik statt, in der Senator Heinrich Lummer (CDU) erklärte, „... FU-Präsident Lämmert sei von Kommunisten gewählt und fühle sich seinen Wählern verpflichtet. Deshalb könne er nicht hart durchgreifen. [...] Ein Vertreter der SPD [...] konstatierte soziale Probleme im Hochschulbereich, stellte aber grundsätzlich fest, daß es ein Fehler der Politiker sei, diese Fragestund anzusetzen und somit dem Streik öffentliche Bedeutung zuzumessen. [...] Der FDP-Vertreter stellte sich hinter Lämmert.“[15]

"Neue Studentenbewegung?" ...

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Über die Ursachen der Unruhe und den Antrieb der plötzlich aktiv gewordenen 'schweigenden Mehrheit' der Studenten, die noch nicht als Teil einer 'neuen Jugendgeneration' erkannt worden war, (Zitat) versuchte sich Medien, Politik und Universitätsführung Klarheit zu verschaffen.

„Düstere Zukunftsperspektive [...] Existenzangst [...] jedoch auch die moralische Entrüstung über die Form der Überprüfung zur Verfassungstreue ...“ macht Uwe Schlicht im Tagesspiegel als Motive aus, doch „... völlig neue Gesichter [...] bei öffentlichen Reden Nervosität [...] spontaner Aufbruch von Versammlungen gegen jede Planung von Veranstaltungsleitern [...] - das alles zeugt von der Breite dieser Bewegung und der Schwierigkeit von kommunistischen Gruppen, die Unruhe in ihrem Sinne auszunutzen. [...] Versäumen die Politiker die Chance, den suchenden Studenten Antworten zu geben und bleiben sie den Hochschulen wie in den sechziger Jahren fern, dann werden sie diese Studentengeneration erneut verlieren ...“[16]

Auch der sozialistischen Linken „... erscheint (es), als hätten wir es mit einer neuen Studentenbewegung zu tun und als spiele sich im Zusammenhang damit vor unseren Augen der Konstitutionsprozeß einer neuen sozialistischen Opposition an den Hochschulen ab.“ [17]

Am 16. Dezember verweist Otto Jörg Weis in der Frankfurter Rundschau mit Blick auf Berlin ebenfalls auf sozialen und bürokratischen Druck, auf die Empörung über politische Überprüfungsmaßnahmen - die aktuell weniger die Studenten selbst, sondern ihre Dozenten betreffen - und auch auf das Unkonventionelle, auch die Gesprächsbereitschaft der Streikenden. Dem würde begegnet mit Überlegungen wie der „Festnahme aller Streikräte durch die Polizei [...], die Auslagerung der meisten Lehrveranstaltungen in polizeilich gesicherte Schulgebäude, [...] (dem) Hochschulpräsidenten das Hausrecht zu nehmen, und dieses zwecks besserer polizeilicher 'Operationsmöglichkeiten' an den Wissenschaftssenator zu übertragen.“ Der Autor zitiert zum Schluss den Präsidenten Lämmert: „Ich bin mir sicher, daß es zu fortgesetzten Unruhen kommt, wenn es bei unverbindlichen Floskeln oder bei der Diskussion von Ordnungsmaßnahmen bleibt.“[18]

Abgesehen von materiellen Nöten und sozialen Problemen wird erst nach und nach erkannt, dass die „neuen Studenten“ nicht nur unter den vermeintlichen und tatsächlichen Bedrängnissen leiden - „... ein tiefes Gefühl der Ohnmacht, Isolierung, Verunsicherung und Angst [...] verstärken die lähmende Passivität ...“[19], sondern aus ihrer Sozialisation ein anderes Lebensgefühl und eine unbefangenere Verhaltensweisen einbringen und dass es ihnen nicht mehr nur um politische Agitation und die Forderung nach gesellschaftlicher Veränderung geht, sondern dass sie auch bereit sind, andere "Lebens- und Arbeitsformen" zu erproben und praktizieren.

Ein deutliches Zeichen dieser neuen Einstellung „... waren nicht nur die Theater- und Musikgruppen, die Feten und Kulturveranstaltungen. Es ist auch ein deutliches Bekenntnis, mit und durch die gesellschaftliche Veränderung sich selbst zu verändern.“[20] Einen großen Anteil daran hatten die im Vergleich zu früheren Zeiten zunehmend aktiv gewordenen Frauen, die sich auf allen Ebenen einzubringen begannen und auch eigene Gruppen zu ihrer besonderen Situation bildeten und eine eigene Vollversammlung durchführten.

Chronik des Streiks in Berlin 1976

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  • Anfang November 1976: Am FB Germanistik der FU wurde das drohende Berufsverbot gegen Professor Bauer und Assistenzprofessor Rothe bekannt,
  • 10. November: In einer Urabstimmung entschieden sich von 3.300 eingeschriebenen Studenten 1.255 für Streik (80 dagegen).
  • 17. November: Die Vollversammlung der Germanisten beschloss mit 700 Teilnehmern die Weiterführung des Streiks.
  • 24. November: Uni-Vollversammlung der Studentenschaft der Freien Universtität (FU) mit allgemeinem Streikbeschluss. Im Anschluss ging die VV über in eine Solidaritätsveranstaltung für den aus der DDR ausgebürgerten Liedermacher Wolf Biermann. Die Teilnehmerzahl wuchs auf 5.000 an.
  • 25. November bis etwa 6. Dezember: Versammlungen und Urabstimmungen in den Instituten Der FU.
  • 29. November, Montag: Allgemeiner Beginn der Streikaktivitäten, weitere Hochschulen schlossen sich an.

Demonstration gegen Berufsverbote und politische Disziplinierung am 1. Dezember 1976

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Der vom Zentralen Streikrat der FU, der bis dahin die Aufgabe eines Regionalen Streikrates (RSR) wahrgenommen hatte, organisierte Umzug wuchs zu einer der grössten Demonstrationen seit der 68er-Bewegung an - mit überraschend hoher Beteiligung von Schülern und Jugendlichen. Nach einer Angabe des Tagesspiegel waren 16.000 Personen beteiligt[21], die Veranstalter sprachen von 22.000 Teilnehmern.
„Ohne Zwischenfälle verlief [...] eine Demonstration in der Berliner City, mit der nach Polizeiangaben zirka 15.000 Studenten und vorwiegend Jugendliche gegen den Abbau demokratischer und sozialer Rechte und gegen Berufsverbote demonstrierten.“[22]

  • 2. Dezember: Nach dem Beschluss am Vortag zum Vorlesungsboykott an den drei humanmedizinischen Fachbereichen der FU, kommt es zu einem vom Präsidialamt angeforderten Polizeieinsatz vor dem Anatomischen Institut, um Hörwilligen den Zugang zu verschaffen.[23]

Verhaftung von Christoph und Peter

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Am Donnerstag, den 2. Dezember kam es am U-Bahnhof Thielplatz zur Festnahme zweier Studenten der FU anlässlich einer Rangelei mit Flugblatt-Verteilern der C.A.R.P., einer Organisation der sogenannten Moon-Sekte.[Anm 5]. Nach ihren Aussagen und der Mitteilung ihres Anwaltes H.C. Ströbele gegenüber der Tonbandgruppe der IfP-Studenten wurden beide von Polizisten in Zivil überwältigt. Die Studenten wurden wegen „Verdachts des Landfriedensbruchs, der Körperverletzung, der Gefangenenbefreiung und des Widerstandes ...“[24] gegen Vollstreckungsbeamte angeklagt und zwei bzw drei Wochen in Untersuchungshaft gehalten. Der Vorfall war von zahlreichen Kommilitonen beobachtet worden und seine Konsequenzen löste unter den Studenten eine Welle der Empörung aus. Schon am Nachmittag fand eine Solidaritätsveranstaltung statt und 400 Leute demonstrierten vor dem Ort des Haftprüfungstermines. Am Abend kamen ca. 1000 zu einer Veranstaltung in der TU. Am Freitag, den 3. Dezember versammelten sich 700 Unterstützer vor der U-Haftanstalt in Moabit.[25] Nach einem Prüfungstermin am 15. Dezember, der die Fortdauer der Haft angeordnet hatte, besetzten Studenten am 16. Dezember eine Kirche in Moabit und erreichten damit deutschlandweite Aufmerksamkeit für den Vorgang.[26] Zur Haftprüfung hatte „sich bereits der in Tübingen lebende Philosoph Professor Ernst Bloch [...] geäußert ...“, der erklärte:

„Die beiden Studenten würden trotz des Nachweises eines festen Wohnsitzes und der Immatrikulation an der FU in Haft gehalten, während Mitglieder einer rechten Wehrsportgruppe, die dort eine Schlägerei mit Studenten an der Universität mit mehreren Verletzten verursacht hätten, innerhalb weniger Stunden aus der Untersuchungshaft entlassen worden seien.“

Der Tagesspiegel. 15. Dezember 1976.[Anm 6]

Peter Wietheger kam wenig später frei, Christoph Dreher erst am 23. Dezember gegen eine Kaution von 10.000 DM.[27] Am 8. März 1977 wurde P. Wietheger wegen Nötigung, Widerstand gegen die Staatsgewalt und Körperverletzung zu 800 DM und C. Dreher wegen Widerstand und versuchter Gefangenenbefreiung zu 600 DM Strafe verurteilt. Das Solidaritätskomitee war der Auffassung, dass „die Anklage in der Hauptversammlung zusammengebrochen ist [...] der Aufwand (aber) seine Wirkung nicht verfehlte [...]. Trotzdem: das Urteil wäre mit großer Wahrscheinlichkeit schärfer gewesen, hätte es nicht die umfassende Solidarität gegeben.“ ... Der „Sinn dieser Sache war ...“ - so die Wertung - „... die unmittelbare Einschüchterung und Kriminalisierung der streikenden Studenten.“[28]

  • 4. Dezember: Polizeieinsatz am FB Humanmedizin der FU.
  • 6. Dezember: Aufruf des Präsidenten der Freien Universität (FU), Eberhard Lämmert, „... an alle Studierenden, ... den Streik selbst umgehend zu beenden.“

Vollversammlung am 6. Dezember 1976 und Debatte mit FU-Präsident Lämmert

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Die nach Angaben des Streikkurier Nr. 3 vom 7.12. von 4000 Teilnehmern frequentierte Versammlung, die als Tagesordnungspunkte neben dem Streik noch die Gründung des USTA aufwies, kam über ihr Anfangsstadium nicht hinaus. Als die Versammlungsleitung bekannt gibt, dass soeben „ein Polizeikommando wehrlose Medizinstudenten vom Eingang der (unweit entfernten) Physiologie weggeprügelt habe“, wird die Versammlung unterbrochen und die Mehrzahl der Teilnehmer zieht zu dem Institut und kreist die Beamten ein, die angesichts der Übermacht ihren Abzug aushandeln. Auf einen Vorschlag hin ziehen die Studenten weiter zum ebenfalls in der Nähe gelegenen Präsidialamt, um den dort zutreffend vermuteten FU-Präsidenten Lämmert zu einer Stellungnahme herauszufordern. Da der Präsident nicht reagierte und Polizeieinheiten die umliegenden Straßenkreuzungen besetzten, drang eine Gruppe in das Gebäude ein, während der Einsatz begann. Es kam zu einem umfangreichen Schlagstockeinsatz, doch gelang es den Studenten, in ihren Reihen eine Panik zu vermeiden. Während die 2 bis 3000 Studenten wieder zu ihrem Versammlungsort, dem Audimax, zurückkehrten, sagte Präsident Lämmert sein Erscheinen auf der Veranstaltung zu. Es kam dort zu einer hektischen, zwischen Konfrontation und Verständigungsbereitschaft wechselnden Diskussion. Während in der Gewaltfrage beide Seiten unversöhnlich blieben - zwischendurch wurde mit positivem Resultat darüber abgestimmt, ob Lämmert weiterreden dürfe -, sagte der FU-Präsident zu, sich gegen jede Kriminalisierung studentischer Aktivitäten einzusetzen. Auszüge der Debatte sind dokumentiert im Streikkurier Nr. 4, S.3 und - im Originalton (aufgenommen von der Tonbandgruppe) - in der Dokumentation der Streikfilmgruppe am Institut für Publizistik der FU.<ANM> Nachdem der Präsident die Veranstaltung wieder verlassen hatte, verabschiedete diese Versammlung eine Resolution:

„Die Studenten verurteilen, daß der Präsident seit 2 Wochen Polizei an der FU einsetzt und einen brutalen Einsatz vor dem Präsidialamt durchführen ließ. Die Studenten lassen sich nicht in radikale Führer und dumme Masse spalten. Die Aktion ist ein Resultat der von uns einheitlich geführten Streikbewegung. Wir identifizieren uns mit ihr aus diesem Grund und analysieren sie von dort her. Wir unterstützen die Aktion insgesamt, ohne sie in Einzelteile aufzulösen.“

Streikkurier Nr. 6, S. 7.

Die ursprünglich beabsichtigte Gründung des Unabhängigen Studenten Ausschusses (USTA) war bei dieser Veranstaltung nicht mehr möglich.

Demonstration gegen das Hochschulrahmengesetz (HRG) am 10. Dezember 1976

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Die Veranstaltung des Regionalen Streikrates und der Schulen des Zweiten Bildungsweges fand eine breite Unterstützung. Die GEW-Berlin und weitere gewerkschaftliche Organisationen unterzeichneten den Aufruf. Der Zug führte vom Fehrbelliner Platz zum Wittenbergplatz. Die Veranstalter schätzten die Teilnahme auf 22.000 Personen, der Tagesspiegel nennt 16.000.[29]

  • 13. Dezember: Vollversammlung im Audimax der Freien Universität (FU) mit Gründung des Unabhängigen Studentenausschusses (USTA)

Winterpause und Regelungen zur Fortsetzung des Streiks

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Dem ‚Problem Weihnachtsferien‘ begegnete die VV an der FU am 7. Dezember mit der Empfehlungung einer ‚Aussetzung‘ des Streiks vom 13. Dezember 1976 bis zum 13. Januar 1977.

„Eine Versammlung an der Pädagogischen Hochschule (PH) entschied sich am 9. Dezember mit 845 gegen 225 Stimmen für eine Aussetzung des Boykotts der Lehrveranstaltungen verbunden mit Forderrungen nach einer Rücknahme aller Disziplinaruntersuchungen und det Entlassung aus politischen Gründen. nach dem Beschluß der Vollversammlung an der PH soll der Boykott wieder aufgenommen werden, wenn die Forderungen bis zum Januar nicht erfüllt sind.“

Tagesspiegel v. 10.12.76.

Die FU-Vollversammlung am 13. Dezember an der FU bestätigte diese Regelung. Entscheidend in dieser Angelegenheit war nun die Vollversammlung der Technischen Universität (TU), auf der am 14. Dezember "... von bis zu 2000 Studenten [...] beschlossen wurde, [...] wie an der FU und PH die Aussetzung des 'Streiks' mit einer Forderung an den Senat nach Rücknahme aller politischen Disziplinarverfahren zu verbinden und bei Nichtannahme im Januar über einen weiteren Unterrichtsboykott zu beschließen.[30]

Damit stand im Sinne der Streikenden die 'Streikfront', man konnte in Ruhe in die Weihnachtsferien fahren und auf den ab dem 10. Januar 1977 angesetzten neuen Versammlungen die Reaktion der Gegenseite bilanzieren und über die Fortsetzung des Streiks beraten.

Wiederaufnahme des Streiks im Januar 1977

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Im Vorfeld des Semesterbeginnes hörte der Wissenschaftsausschuß des Abgeordnetenhauses Hochschulvertreter, d.h., die Präsidenten und Rektoren der Fachhochschulen und die Präsidenten der Freien Universität und der Technischen Universität sowie deren Fachbereichsvorsitzenden an. Einigkeit herrschte über eine Verschlechterung der sozialen und materiellen Lebens- und Arbeitsbedingungen sowie der Zukunftsperspektiven für Studenten und auch der wissenschaftliche Mitarbeiter, die so den Streikenden auch kaum Widerstand im vom Staat geforderten Sinne entgegensetzten, der mit seiner wachsenden Einflussnahme zudem die Probleme eher verstärke (Lämmert). Ähnlich verliefen Diskussionen im Akademischen Senat der FU und auf der Landeskonferenz der Rektoren und Präsidenten der Berliner Hochschulen, die sich am 6. Januar „... der Erklärung Lämmerts im Grundsatz angeschlossen (hat).“[31]


Auf ähnlichem Niveau wie er vor den Weihnachtsferien geendet hatte, begann der Streik auch wieder. Während sich die Studenten auch mit Selbstkritik zur Wirksamkeit ihrer Aktivitäten befassten,[32], befasste sich der Präsident der Freien Universität vor dem Akademischen Senat der FU „mit den Ursachen der studentischen Protestaktionen. [...] Die bisherigen Bildungspolitik habe zu einer rapiden Ausweitung des Hochschulbereichs geführt, der Finanzspielraum sei jedoch [...] nicht in ausreichendem Maße gewachsen [...] Die einseitige Betonung der Lehre“ führe zu prekären Lagen und zur Vernachlässigung der Forschung. Die Studenten seien nicht ausreichend materiell abgesichert. „Die Praxis der Überprüfung der politischen Treue [...] habe zur Folge, daß verständliches politisches Engagement während des Studiums zu schweren Nachteilen bei der Berufswahl führen kann.“ Der Staat lege „seine Kompetenzen in zunehmendem Maße extensiv aus, was die Rechtsaufsicht in eine Fachaufsicht überführe.“ Der Akademische Senat nahm die Erklärung zur Kenntnis, die Landeskonferenz der Rektoren und Präsidenten der Berliner Hochschulen schloss sich ihr im Grundsatz an. Vor dem Wissenschaftsausschuss des Abgeordnetenhauses erklärte Wissenschaftssenator Löffler, „das ‚Ultimatum‘ der sogenannten Streikräte ... sei nicht erfüllbar.“[33]


Pünktlich zu Semesterbeginn erschien eine grosse Zahl von Studenten in ihren Lehranstalten und nahmen die Streikaktivitäten wieder auf.

Während viele Fachbereiche und Institute ihre Versammlungen planmäßig am Montag, den 10. Januar 1977 abgehalten hatten und den Empfehlungen der Zentralen Streikräte von FU und TU auf Wiederaufnahme der Streikaktivitäten bereits intern folgten[34], gab Wissenschaftssenator Löffler am selben Tag eine Pressekonferenz, in der er einen „Maßnahmenkatalog“ vorstellte, der insbesondere die Auslagerung vieler Seminare in Schulen vorsah sowie polizeilich geschützte „Einlasskontrollen“. Auf studentische Forderungen wie die Einstellung aller Ordnungsverfahren solle nicht eingegangen werden, da dies einer „Kapitualation des Rechtsstaates gleichkäme“.[35]

Auftaktveranstaltung im Audimax der Technischen Universität (TU)

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Am Dienstag, dem 11. Januar 1977 fand im Audimax der TU eine Großveranstaltung mit 3500 Besuchern statt, die keine praktischen Streikfragen, sondern die allgemeine Lage der Studenten in der Gesellschaft thematisierte.[Anm 7] Hauptredner waren Professor Gerhard Bauer, dessen Wiedereinstellung in den Universitätsdienst Teil der Streikforderungen war und Rechtsanwalt Hans-Christian Ströbele. Während Professor Bauer seinen Fall als Teil einer Entwicklung zur politischen Unterdrückung in der Bundesrepublik Deutschland und Westberlins betrachtete, die auf dem Weg zur Angleichung an die Zustände in der DDR sei, erörterten anschliessend zwei Redner konträr die Möglichkeiten, mittels des Grundgesetzes die Berufsverbote zu bekämpfen. Rechtsanwalt Ströbele sprach über politische Maßregelungen im Bereich der Justiz und ging auf die Berufsperspektive von Juristen ein. Christoph Dreher, einer der beiden Anfang Dezember verhafteten Studenten, beschrieb seine Verfahren, begrüsste die Weiterführung des Streiks und bedankte sich für die umfangreiche Solidarität. Nach der Pause folgten Redebeiträge zu verschiedenen universitären Themen. Die Veranstaltung wurde ein positiver ‚Mobilisierungseffekt‘ zugesprochen.[36]

Am 12. Januar 1977 erschien der Streikkurier Nr. 9 mit der erstmalig bekannt gegebenen Auflage von 5000 Exemplaren. Da die Erkenntnis der Bedeutung einer besseren Information der Bevölkerung über die eigenen Gründe und Motiv in der Studentenschaft gewachsen war, wurde die Einrichtung einer zentralen Öffentlichkeits-AG bekannt gegeben.[37]

Vollversammlung an der Freien Universität (FU) mit Teilnahme von Wissenschaftssenator Gerd Löffler

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Am 12. Januar 1977 fand die Vollversammlung der FU mit 3.000 Teilnehmern im Audimax statt. Die Teilnehmer stimmten fast geschlossen der Empfehlung an Fachbereich und Institute zur sofortigen Wiedraufnahme des Streiks zu.

„Zur Überraschung der Versammelten kam Wissenschaftssenator Löffler in das übefüllte Auditorium, um durch seine Gegenwart wie auch schon durch seine Briefaktionen deutlich zu machen, daß er bereit zur Diskussion über die Probleme der Studenten ist. ... Der Streikrat rief ausdrücklich dazu auf, den Senator ausreden zu lassen und ihn nicht anzufassen oder zu bewerfen. ... (Zum Fall) Professor Bauers erklärte er, ... daß ein unabhängiges Gericht über die Konsequenzen entscheiden solle. ... Zum Fall des Assitenzprofessors Rothe erklärte Löffler, er werde sich an die in Kürze ergehende Entscheidung des Arbeitsgerichtes über die Frage einer Dienstverlängerung oder Entlassung halten.“

Tagesspiegel, 13.1.77.

Zur Frage einer Festnahme von Streikräten betonte er, dass nur im Falle des Aufrufes zu gewaltsamen Aktionen diese sich vor Gerichten rechtfertigen sollten. Der Tagesspiegel schliesst den Bericht mit der Bemerkung, dass „... der Senator unbehelligt das Auditorium verlassen (konnte).“ Da durch diesen Besuch wiederum - wie im Falle des Zuges zum Präsidialamt und der folgenden Diskusiion mit FU-Präsident Lämmert - die Versammlung ihre Tagesordnung nicht abarbeiten konnte, wurde eine weitere Vollversammlung zum 14. Januar 1977 einberufen.

Auf dieser Versammlung mit ca. 1.000 Teilnehmern wurden Berichte aus Fachbereichen und Instituten eingebracht, juristische Maßnahmen wie der angedrohte Bafög-Entzug für Aktivisten besprochen - es gibt „höchstrichterliche Entscheidungen, nach denen das Bafög ohne weiteres nicht entzogen werden könne.“ - und diskutiert, „auf welche Forderungen der Streik zugespitzt werden solle.“[38]

Es streikten an der FU aufgrund der Beschlüsse von Vollversammlungen (Psychologisches Institut, OSI, Theaterwissenschaftler, Ethnologen, Religionswissenschaftler, Politologen, Publizisten, WISO, LAI, OAS, Erziehungswissenschaften), nach Urabstimmungen die Germanisten, Juristen, Theaterwissenschaftler (383:76), Sportler (60% von 340), Rosenberg-Institut und den Wirtschaftswissenschaftlern (922:548), an der TU der FB 2, IBG, die PH (VV) mit 868 gegen 173 Stimmen, VHS Schöneberg, FHSS. An der EFHSS (Evangelische Fachhochschule für Sozialarbeit und Sozialpädagogik) kommt es zu einem Hungerstreik von 56 Studenten „gegen die verschärften Repressionen, denen die Studenten schon seit Jahren, speziell aber seit dem Streik vor Weihnachten, ausgesetzt sind.“ Bemerkenswert war, dass die Studenten der Hochschule der Künste, HdK, die im Dezember noch weitgehend passiv waren, nun mit ihren Fachbereichen 1, 4, 6, 7 (Instrumentalisten, Dirigenten, Komponisten, Tonmeister und Kirchenmusiker), 8 (Musikerzieher) und 9 (Schauspieler, Oper, Bühne und Kostümbild) in den Streik gingen. Abgelehnt wurde der Streik von den Mediziner mit 934 für und 1059 dagegen, bei Anglisten, Romanisten und Historikern.[39] Die Angaben, insbesondere für die TU, sind unvollständig.

Erfolge der Streiks

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Die Auslagerung von Lehrveranstaltungen an Schulen bringt nur wenige Hörwillige zum Besuch - zudem solidarisieren sich Schüler mit den Streikenden und Streikposten. Der CDU-Fraktionsvorsitzende Lummer war darauf hin dem Wissenschaftssenator Löffler "unverantwortliche Fahrlässigkeit und Entscheidungsschwäche vor. Der Senator habe durch die Auslagerung des Studienbetriebes in Schulen einen weiteren Freiraum für Extremisten geschaffen und trage die Verantwortung dafür, daß Minderjährige jetzt in Gewaltanwendung einbezogen und straffällig würden.[40].

Am 21. Januar kann der Streikkurier Nr. 11 titeln: „Bauer und Rothe bleiben drin.“:

„Der auf Anordnung Senator Löfflers entlassene Assistenzprofessor Dr. Rothe [...] muß nach einer Entscheidung des Berliner Arbeitsgerichts bis zum 30. Juni 1978 als Wissenschaftlicher Angestellter von der Freien Universität weiterbeschäftigt werden. [...] Mit der Entscheidung des Arbeitsgerichtes als auch mit der am Vortag getroffenen Entscheidung der Personalkommission der FU, kein förmliches Disziplinarverfahren gegen Professor Bauer einzuleiten sind zwei Hauptanlässe für die Wiederaufnahme des Boykotts entfallen.“

Tagesspiegel, 21. Januar 1977.

Eine Anhebung des Bafög-Satzes um durchschnittlich 100 DM wurde vom Bundeskabinett am 1. Februar 1977 mit Wirkung zum 1. April 1977 beschlossen.[41]

„1. frauen-uni-vv in berlin“

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Am 25. Januar 1977 fand im Audimax der FU die erste Uni Frauen-Vollversammlung statt.

„Warum eine autonome Organisierung von Frauen an der Universität“ notwenig sei, begründeten mehrere Rednerinnen in einem gemeinsamen Beitrag: „Zunächst heißt Autonomie Ausschluß von Männern, um sich als Frauen gemeinsam zu erfahren und Gedanken zur eigenen Situation und zur Veränderung dieser Situation äußern zu können, ohne sofort Sanktionen unterworfen zu sein. [...] Selbstbestimmung zu wollen, heißt aber auch, sich bewußt zu machen, wodurch sie bisher verhindert wurde. Dabei ist unbestritten, daß auch Männer in dieser Gesellschaft sich nicht voll verwirklichen können. Dennoch läßt sich feststellen, daß Männer auf Grund ihrer gesellschaftlichen Stellung ganz andere Voraussetzungen haben, sich ihrer Situation bewußt zu werden, als es Frauen bisher haben. [...] Als breite Bewegung werden Frauen nur dann erwähnt, wenn sie entweder gemeinsam mit Männern oder mindestens im Sinne von Männern sich verhalten haben; [...] Frauen sollen weiterhin einzig auf den privaten Bereich festgelegt sein, und sie sollen unfähig gemacht werden, weder im privaten noch im öffentlichen Bereich sich im eigenen Interesse zu verhalten. [...] Es soll verhindert werden, daß Frauen die männlichen Normen, die diese Gesellschaft stützen, in Frage stellen. Frauen, die sich mit der männlichen Interpretation der Welt identifizieren, sollen auch wir werden. [Unsere] Identität ist von männlicher Anerkennung abhängig. Nur kollektiv als Frauen können wir uns dieser Unterdrückung bewußt werden und gegen sie kämpfen. [...] Autonome Organisation heißt deshalb vorrangig nicht gegen Männer, sondern für uns, um bewußter unser Leben wahrzunehmen und verändern zu können.“

Praktisch: „Aus den Frauenfachbereichsgruppen entstanden viele Studienkollektive, die versuchen, die Trennung zwischen wissenschaftlicher Arbeit und eigener Betroffenheit zu überwinden.“ Im Streikbericht Germanistinnen hieß es: „Wir haben auch keine Lust, Frauenveranstaltungen zu Informationsveranstaltungen für Männer umzufunktionieren oder in mühevoller Kleinarbeit auf individueller Ebene Männer auf den neusten Stand der Bewegung zu bringen.“[42]

Abflauen des Streiks Ende Januar 1977

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In allen Universitätsbereichen, deren Studiengang durch scheinpflichtige Veranstaltungen eng geregelt war, beschlossen die Versammlungen nach den als Erfolg gewerteten Vertragsverlängerungen der beiden Dozenten Gerhard Bauer und Friedrich Rothe die Beendung des Streiks: „An den meisten der 20 Fachbereiche der Freien Universität läuft wieder der Lehrbetrieb“.[43] In der Einschätzung der ‚streikaktiven‘ Studenten, die auf der einen Seite die Wiederaufnahme des Studienbetriebes akzeptierten, zum andern die begonnenen Gruppenaktivitäten fortsetzten, zeichnete sich bereits die Lösung praktischer Tätigkeiten aus dem „Uni-Betrieb“ ab. Es folgte zwar kein „heißes Sommersemester“ 1977, wie es politische Gruppen voreilig verkündeten, doch es kam zu einer Aufarbeitung der gemachten Erfahrungen, u.a., durch Ausstellungen, Filmvorführungen und Theaterauftritte der Streikinitiativen in zahlreichen Veranstaltungen.

  • 28. Januar 1977: 5000 Demonstranten beteiligten sich [...] an einem Aufzug, zu dem der ‚USTA‘ aus Anlass des fünfjährigen Bestehens des Extremisten Beschlusses aufgerufen hatte.[44]
  • 3. Februar 1977: Die Unorganisierten erringen bei den FU-Konzilswahlen auf Anhieb 11 der 40 Studentenmandate.[45]

„An der Freien Universität Berlin (FU) ist der Anfang Januar auf einer Vollversammlung empfohlene Vorlesungsboykott weitgehend beendet worden.“ Eine Vollversammlung mit nur 400 Teilnehmern hatte „keinen Beschluß gefaßt, aber auch kein Interesse an einer Fortsetzung des Boykotts gezeigt“.[46]

Sommersemester 1977 und Streik Wintersemester 1977/78

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Sommersemester 1977

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Wiederaufnahme des Streik im Wintersemester 1977/78

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Die Frage, die nun gestellt wurde, war, wie ein Neubeginn - oder eine Wiederholung? - des Streiks aussehen werde und wie er verlaufen würde. Im Gegensatz zum Vorjahr wurde nun von der Politik, den Verwaltungen der Universitäten und den Medien jede Aktivität und Versammlung mit Argusaugen beobachtet und kommentiert. Fast täglich erschienen, oft umfangreiche Berichte über die Lage.

Mittlerweile war der <Deutsche Herbst> verflossen –

„Als die Studenten im November aus den Semesterferien in die Hörsäle zurückkehrten, waren sie geprägt von Ereignissen wie der Ermordung von Generalstaatsanwalt Buback, […] der Entführung Schleyers und seiner Ermordung, der Kaperung der Lufthansa-Maschine und der Geiselbefreiung, dem Kontaktsperregesetz und der Großfahndung. Mit Wut reagierten viele auf die von konservativen zeitungen und der CDU/CSU inszenierten Suche nach sogenannten Sympsthisanten und Verharmlosern des Terrorismus, ob sie nun Willy Brandt heißen, Böll, Grass oder Professor Gollwitzer. Der Sympathisantensumpf des Terrorismus an den Hochschulen wollte die CDU austrocknen – die Voraussetzungen für ein Semester des Aufruhr schienen gegeben zu sein. Dennoch wurde es […] ein Semester der fairsten Diskussionen seit Jahren.“

Uwe Schlicht in: Der Tagesspiegel, 23. Dezember 1977

Die Idee, die Kontinuität der im vorigen Wintersemester begonnenen Aktivitäten zu erhalten, wie sie insbesondere von den USTA-Gruppen vertreten wurde, führte zwar wiederum zu Vollversammlungen, Urabstimmungen und zu neuen Streikplanungen, doch hielten sie sich im begrenzten Rahmen.[Anm 8] Am 29. November konnte der Tagesspiegel mit „Ruhiger Beginn des 'Streiks'“ titeln und „an vielen Orten normaler Lehrbetrieb“ bilanzieren - auch in Westdeutschland.</ref>. Wichtige Fachbereiche wie Medizin an der FU oder die meisten Fachbereiche der TU fehlten. Die Überzeugung selbst der Aktivisten, in der Wiederholung viel bewirken zu können, nahm ab. Uni-Verwaltung, Politik und Polizei waren vorbereitet - so schrieb der neue Wissenschaftssenator Peter Glotz, der auch angab, „daß er im Lauf der letzten Wochen etwa zwanzigmal Diskussionen [mit studentischen Versammlungen] geführt habe ...“[47], einen Brief an die Medizinstudenten. Auch politische Gruppen wie die Jusos oder die SEW-nahen Aktionsgemeinschaften plädierten für eine Beendung: „Eine Verlängerung würde keine neue Qualität bringen. Es sei unsinnig und illusionär, auf einen Konfrontationskurs mit Polizei und Senat zu gehen.“[48]. Es drohte eine Situation der Ratlosigkeit auf Seiten der „Neuen Studentenbewegung“.

Dennoch kommt es zu zahlreichen Aktionen - zumeist in den vom VDS ab dem 28. November 1977 angesetzten bundesweiten Streik. Eine Reihe von Hochschulen in Westdeutschland, an denen es im Vorjahr relativ ruhig geblieben war, traten nun in Aktion – so an der Hamburger Universität, an der sich von den „nicht beurlaubten“ Studenten 52,5% beteiligten und sich 14.190 für einen Streik und 5.215 dagegen entschieden.[49] In Berlin waren die Studenten der Pädagogischen Hochschule und der Technischen Fachhochschule (TFH) auffallend aktiv – an letzterer gab es eine Beteiligung von 54% an der Urabstimmung mit 1207 gegen 449 Stimmen für einen unbefristeten Streik.[50]

Der erste Streikkurier des Zweiten Jahrganges meldet am 30. November 1977 aus 12 von 24 Fachbereichen der FU einen unbefristeten und aus 8 Fachbereichen der TU einen unbefristeten und aus 7 [von insgesamt 21] Fachbereichen einen befristeten Streik. In vorsichtiger Einschätzung der Dynamik wird jedoch bereit auf eine Demonstration am 12. Dezember 1977 orientiert, nach der der Streik „ausgesetzt oder vorläufig beendet wird“. In dieser Ausgabe des Streikkuriers wird der erste Teil der Rede des Germanistik-Studenten auf der Vollversammlung der FU vom 18. November abgedruckt, die damit allgemein bekannt wird.

Vollversammlung im Audimax der Freien Universität am 18. November 1977

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Nach verschiedenen Beiträgen, die dem Auditorium bekannte Positionen vortrugen, erschien ein Redner der Unorganisierten, ein Germanistik-Student, auf dem Podium und ihm gelang es, die ungeteilte Aufmerksamkeit seiner Zuhörer zu gewinnen: Er stellte jedoch sofort klar: „Ich rede nicht für die Germanisten, sondern für mich. Ich fange mal an mit einem Brecht-Zitat: ‚Deutet nicht alles darauf hin, daß es Nacht wird und nichts, daß eine neue Zeit beginnt? Soll man also nicht eine Haltung einnehmen, die sich für Leute schickt, die der Nacht entgegen gehen?‘ [...] wenn wir von Streik reden, denken wir schon an die Fluchtmöglichkeiten danach und hoffen während des Streiks, daß es uns mit den Ordnungsverfahren nicht erwischt. [...] Ich weiß nicht, ob ihr das schon miterlebt habt, wie oft hier von Auswandern gesprochen wird. Viele von uns kennen die Stadt vor allem als Dahlem und einen Wust von linken Kneipen und Wohngemeinschaften. Diese Stadt wie die Uni gehören nicht uns, noch nicht einmal zu uns. [...] ich will nicht in ein paar Büchern zuhause sein, auch wenn ich gern lese. Ich will nicht mehr die zehntausend Betonklötze zwischen Dahlem und Kreuzberg übersehen. [...] Ich will wissen, wo und wie und für wen und mit wem ich das anwenden kann, was ich lerne. Ich will mit diesen Menschen zu tun haben. [...] Wir haben uns an der Uni über die Linie gestritten, habe noch was gemacht, aber geändert haben wir nichts mehr. [...] Links sein heißt für uns in die Uni fahren. So sehen wir auch kaum noch Erfolge. Wir werden erfolglos streiken, ein wenig diskutieren, aber im großen und ganzen nicht weiterkommen. [...] Wir müssen unseren Lebenszusammenhang nicht mehr in Dahlem, sondern in Berlin sehen. Wenn uns nicht mehr nur das HRG beschäftigt, sondern auch die Frage nach unserer Miete und der unserer Nachbarn und damit auch die Frage, für wen wir ausgebildet werden sollen. Dann können wir verändern ...“ [51]

Auflösung der Streikbewegung

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Das Bild in der Öffentlichkeit wird durch viel Lob und Anerkennung der sozialdemokratischen und liberalen Führungspersönlichkeiten – dem neuen Wissenschaftssenator Peter Glotz (SPD), dem FDP-Bundestagsabgeordneten Professor Dittberner, den Universitätspräsidenten Eberhard Lämmert (FU) und Roland Berger (TU), auch dem Bundesbildungsminister Rohde (SPD) – geprägt, die den Studenten auch auf Großveranstaltungen Diskussionsbereitschaft, einen „wirklichen Dialog“, Ernsthaftigkeit und Sachkunde bescheinigen und hervorheben, dass der „Vorlesungsboykott gewaltloser und kontrollierter“ als vor einem Jahr verlaufe. Störaktionen werden einigen „Profilneurotikern der kommunistischen Gruppen, die zur Zeit als Wanderprediger zwischen FU, PH und TU herumziehen“, zugeschrieben.[52] Doch hatte auch der Germanistikstudent in seiner Rede nach seiner Kritik an Hochschule und Gesellschaft ausgeführt:

„Glotz' Einbindung der Hochschule in die Gesellschaft meint ja nicht, daß diese Gesamtsituation sich bessern soll. Wir sollen bloß noch besser in ihr eingefangen werden. Wir sollen weniger Hofnarren, sondern nur noch Narren sein. Nicht in einer Gesellschaft, die uns Möglichkeiten bietet, uns in der Arbeit und im Zusammenhang mit anderen Menschen weiter zu entwickeln, sollen wir stärker eingebunden sein, sondern in einer Gesellschaft, die uns noch weniger Zusammenhang und noch mehr Fremde bietet.“

Streikkurier, Nr. 2/77, 2. Dezember 1977.

Der Streikkurier Nr. 3/77, der auch das Info 5 des Regionalen Streikrates beinhaltet und 24 Seiten umfasste, beschäftigte sich mit der Frage, wie die Öffentlichkeitsarbeit verbessert werden kann und die Demonstration am 10. Dezember so vorbereitet wird, dass der Bevölkerung vermittelt wird, "um was es bei der Demo wirklich geht." (S. 4).

Abschluss des Streiks

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„Der zweiwöchige Boykott des Studienbetriebs an zahlreichen deutschen Hochschulen ist gestern in den meisten Universitätsstädten zu Ende gegangen.“[53]

Berlin: Die Demonstration am Samstag, den 10. Dezember 1977 geriet zur Abschlussveranstaltung der Streikphase, denn bereits am 9. Dezember beschloss die zentrale Vollversammlung an der FU, den Streik ab 14. Dezember auszusetzen; ein Beschluss, dem sich zahlreiche Fachbereiche anschlossen. Gleichzeitig beendete die PH den Streik, an der TU verlief der Lehrbetrieb wieder „regulär“, ebenfalls an der TFH; an anderen Fachhochschulen sollte er bis spätestens 17. Dezember beendet werden.[54]

Von studentischer Seite war beabsichtigt, im Januar 1978 auf Versammlungen über die Wiederaufnahme des Streiks zu beschließen, doch sprachen sich diese Versammlungen entweder dagegen aus oder sie waren so schwach besucht, dass die Teilnehmer keine Entschlüsse fassten. TU-Präsident Berger meinte dazu, „daß im vergangenen Jahr das Potential an den Universitäten zur Meinungsbildung ausgeschöpft sei und durch einen neuen Boykott nicht erweitert werden könne.“ Konsequenzen seien, „daß die Universitätsangehörigen für eine Stärkung der Selbstverwaltung gegenüber dem Staat einträten“ und auch der DGB wünsche, „sich stärker an den Hochschulen zu engagieren, ... [um] zu einer stärkeren Arbeitnehmerorientierung des Studiums bei(zu)tragen ...“ Der Präsident gab auch bekannt, „daß bisher keine Ordnungs- oder Strafverfahren von der TU im Zusammenhang mit dem Boykott im vergangenen Jahr beantragt worden seien.“[55] Am 24. Januar berichtet der Tagesspiegel, dass Gerichte zahlreiche universitäre Ordnungsbescheide aufgehoben hätten und titelt im konkreten Fall: „Gericht rügt Verfahrensmängel und zweifelt an der Verhältnismäßigkeit“.

Wirkungsgeschichte

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Unmittelbare Folgen des Streiks waren verschiedene Massnahmen, die sich studentischen Forderungen anpassten, etwa die Erhöhung des Bafög-Satzes um 100 DM und die Abschwächung rigider Regelungen des neuen HRG sowie das Aussetzen von Sanktionen. Kurios erschien schließlich, daß „die Wissenschaftsminister und -senatoren der SPD und FDP [feststellten], daß eine Änderung des Hochschulrahmengesetzes zur Zeit im Bundesrat an der Mehrheit der CDU/CSU regierten Länder scheitern werde.“[56] Es ist nicht zu ermitteln, ob in staatlichen und universitären Hierarchien erkannt wurde, dass die aufbegehrenden Studenten nicht ‚beruhigt‘ wurden – so stellte das Institut der Deutschen Wirtschaft im Januar 1978 fest, daß „eine Neuauflage der Studentenbewegung der Jahre 1967/68 [...] unwahrscheinlich [sei]“.[57] –, sondern daß der die Streikbewegung tragende Teil der Generation nach der 68er-Bewegung sich vom Engagement an den Universitäten zurück zog, um sich im Umweltschutz, der Energiepolitik (Anti-AKW-Bewegung) oder in sozialen Projekten zu engagieren oder das Konzept einer neuen Lebens- und Arbeitsweise in eigenen Läden, Werkstätten und Firmen umsetzte oder Produktionsgruppen auf dem Lande gründete.

Die Wirkungsgeschichte kann vorerst nur eine Geschichte von Beobachtungen sein. So ist zu beobachten, dass ab 1978 zahlreiche Projekte in den Berliner Stadtteilen gegründet wurden, vor allem in Kreuzberg. Ende Januar 1978 fand in Foyer und Audimax der Technischen Universität (TU) der Tunix-Kongress statt, der in erster Linie von universitären Intitiativen organisiert und im Nachhinein auch schon als „Geburtsstunde der Alternativbewegung“ bezeichnet wurde.[58]Die dort vertretenen Ideen und der Unistreik standen nicht nur in einem räumlichen Zusammenhang. „Alternativen schaffen“ hiess damals, sich nicht mehr auf die gesellschaftlichen, vor allem staatlichen Einrichtungen zu stützen oder sie individuell zu „unterwandern“ - wie es die 68er-Bewegung propagiert hatte -, sondern auf allen Ebenen einen Gegenentwurf aufzubauen. Diese Strategie galt im Gegensatz zu den Kommandos der RAF oder den lautstarken K-Gruppen als ‚sanft‘ und damit auch ‚unauffällig‘, was zur Folge hatte, dass sie in der ‚großen Öffentlichkeit‘ als auch in der Historie kaum beachtet wurde. Zudem kam es schon zwei Jahre später – 1979/80 – zu den ersten Instandbesetzungen und der Hausbesetzer–Bewegung, die alle Aufmerksamkeit auf sich zog. Diese konnte sich – wieder in Berlin–Kreuzberg − auf eine entwickelte Infrastruktur und vielerlei Medien der Alternativen stützen. Die „Neue Studentenbewegung“ hatte sich nicht an den Universitäten konstituiert, sondern war in die Stadtteile ‚umgezogen‘.

Rezeptionsgeschichte

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Die Streiks an den Universitäten 1976/77 bis 1978 sind trotz ihres Umfangs und der hohen Beteiligung sowie ihrer Bedeutung für die Geschichte der Neuen Sozialen Bewegungen weder in der Publizistik, noch in der Fachliteratur, in Kompendien oder auf den Webseiten von Universitäten erwähnt. Auch in (Asta-)Zeitschriften sind sie bis auf aktuelle Spuren nicht in Erinnerung. Meist wird in der Chronologie von Aktivitäten der Studenten nahtlos von 1968 zu 1988 übergegangen. (FOTO). [59] Die einzige - noch zeitgenössische - umfassende Betrachtung erschien im April 1977 in Der lange Marsch - Zeitung für eine neue Linke', Nr. 26, Sondernummer zur neuen Studentenbewegung, West-Berlin April 1977. Über 30 Jahre später, 2008, erschien anlässlich des Jahrestages "60 Jahre Freie Universität Berlin" in der Asta-Zeitung „zwei Tage vor Redaktionsschluss“ ein Beitrag unter fu60:Gegendarstellungen mit dem Titel: Der vergessene große Aufbruch.[60]

Und erst nachdem es anlässlich der Festlichkeiten zu „200 Jahre Berliner Universitäten“ zu intensiveren Nachforschungen kam, entdeckte eine studentische Vorbereitungsgruppe einen Film über den Streik 1976/77.[61] Der Streik fand daraufhin auch Eingang in den von den Studenten verantworteten Teil der Ausstellung 2011.

  1. Mit der Angabe der Konstituierung als oder durch Spontis wird übergangen, dass der Streik von Studierenden getragen wurde, die sich eher als „unorganisiert“ bezeichneten oder generell Kategorisierungen ablehnten; es waren sehr viele ‚frühe‘ Studenten und Erstsemester unter den Aktiven, während der Wikipedia-Artikel Sponti ein Selbstverständnis beschreibt, das auch schon recht prinzipienhaft bzw. zielgerichtet erscheint. Oft sind solche Deutungen Rückprojektionen.
  2. Eberhard Lämmert war erst am 18. November 1976 als FU-Präsident anstelle des scheidenden Präsidenten Kreibich berufen worden. Der Tagesspiegel, 19. November 1976.
  3. Diese Auflistung verifiziert den Umfang des Streiks nach wenigen Tagen. Auf eine weitere detaillierte Aufstellung für Berlin wird im Folgenden verzichtet
  4. In welchem Umfang diese Struktur funktionsfähig war, lässt sich kaum beurteilen, da der Streik trotz seines enormen Umfanges noch nicht reflektiert wurde und selbst in der Geschichtsschreibung der betroffenen Institutionen kaum vorkommt. In den Quellen ist keine gravierende Kritik an den Entscheidungsstrukturen bekannt.
  5. Die „Vereinigungskirche“ oder auch „Mun-Sekte“ war eine von fünf ‚Jugendreligionen‘, die in den 1970er-Jahren in Deutschland Fuß fassten. „Sun Myung Moon ...“ so der Spiegel, 33/1976, S. 62 ff. - „... genießt die volle Unterstützung des Park-Regimes in Südkorea, wo er mit Sektengeldern ein 30-Millionen-Imperium (Ginseng-Tee, Titanium, Draht, Handfeuerwaffen) aufgebaut hat. [...] Der Wert seiner US-Latifundien wird auf über 30 Millionen Mark geschätzt.“ Durch eine Vision habe er sich als Nachfolger des christlichen Messias erkannt: „Messias muß der Reichste sein ...“, so eine seiner Botschaften, die verschiedene Unterorganisationen verbreiten - „... auf Universitätsgelände (wirbt) die ‚Hochschulvereinigung für die Erforschung von Prinzipien‘ (C.A.R.P.)“. Der Spiegel berichtet über die Tätigkeit von Elterniniativen, um „... ihre Söhne und Töchter aus den Klauen des koreanischen Heilsbringers zu bringen.“ (S. 64) Die FR schreibt es einer Initiativgruppe zu, „... daß sich die CSU eindeutig von der 'Mun'-Sekte' und anderen Organisationen distanziert hat, obwohl diese der Partei massive Wahlhilfe haben angedeihen lassen.“ (Frankfurter Rundschau: Vor Seelenfängern wird gewarnt., 18. Oktober 1976.
  6. Es handelte sich um die Wehrsportgruppe Hoffmann aus Bayern, von der elf Mann vorübergehend festgenommen wurden. Von den sieben, zum Teil schwer verletzten Personen, gehörten sechs zu einer Gruppe von Studenten in Tübingen, die dort gegen eine Veranstaltung der rechtsgerichteten Tübinger Hochschulgruppe HTS demonstrierten. Nach: Frankfurter Rundschau, 6. Dezember 1976
  7. Im Vorfeld der Veranstaltung kam es zu einem Konflikt, als die Studentenschaft entdeckte (mitgeteilt in Flugblättern mehrerer Initiativen), dass die K-Gruppen „plötzlich“ die Mehrheit im höchsten beschlussfassenden Organ, dem Regionalen Streikrat (RSR) besaßen und die geplante Großveranstaltung an der Technischen Universität fast komplett mit Rednern ihrer Seite (und langen Redezeiten) bestellten. Nach heftiger Selbstkritik wegen eigener Unaufmerksamkeit, entzogen die Basisgruppen dem RSR die Legitimität und sorgten für die Ausgewogenheit der Veranstaltung.
  8. Die Vollversammlungen zum Streikauftakt an FU, TU und Pädagogischer Hochschule stimmten zwar mit Mehrheit für den vom VDS empfohlenen 14-tägigen Streik, doch waren sie nur halb so gut besucht wie im Vorjahr.[Tagesspiegel, 19. November 1977.]

Einzelnachweise

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  1. Artur Kritzler: Der vergessene große Aufbruch: Streik an der FU 1976/77, in: FU70: Gegendarstellungen, Asta-Magazin, Herausgegeben vom Allgemeinen Studierendenausschuss der FU Berlin, Oktober 2018, S. 62 f.
  2. „Der Aufstand einer neuen Studentengeneration in der ganzen Bundesrepublik und in Berlin kommt nicht unerwartet. Er kommt nur früher als erwartet.“ Eberhard Lämmert, Präsident der Freien Universität (FU) Berlin, in Der Tagesspiegel, 12. Dezember 1976.
  3. Streikkurier Nr. 0 vom 1. Dez.(1976), S. 2.
  4. Der Tagesspiegel, 30. November 1976.
  5. ??
  6. Streikkurier Nr. 6 v.9.12.76.
  7. Streikkurier Nr. 6, 9.12.76, S. 2.
  8. Tagesspiegel, 16. Dezember 1976.
  9. Frankfurter Rundschau, 3. Dezember 1976.
  10. Zitat aus: Streikfilm der Publizisten über die Streikformen
  11. Streikkurier Nr. 7, 10.12.76.
  12. Streikkurier, Nr. 2/77, S. 11.
  13. Uwe Schlicht im Tagesspiegel, 14.12.1976
  14. Der Tagesspiegel, 8.12.76
  15. SFB-Mittagsmagazin am 8.12., zitiert im Streikkurier Nr. 6 vom 9.12.1976., S. 1f.
  16. Der Tagesspiegel, 10.12.76
  17. Der lange Marsch, editorial, Nr. 26, April 1977, S. 2.
  18. Frankfurter Rundschau, 16.12.76.
  19. Der lange Marsch, Nr. 26, 1977, S. 3. Mit dieser Einschätzung projezierten die „Altlinken“ eher ihren eigenen Frust und ihre Situation auf die „Neuen“.
  20. Der lange Marsch, Nr.26, April 1977, S. 7.
  21. Tagesspiegel, 10. Dezember 1976.
  22. Frankfurter Rundschau, 3. Dezember 1976.
  23. Frankfurter Rundschau, 3. Dezember 1976
  24. Tagesspiegel, 16. Dezember 1976.
  25. Angaben zu den Veranstaltungen: Streikkurier, 6. Dezember 1976, S. 3.
  26. Südkurier, Fotomeldung: Demonstration in Gotteshaus, 18. Dezember 1976.
  27. Streikkurier Nr. 9, 12 Januar 1977
  28. Mitteilungsblatt des Komittee nach der Verurteilung, S. 2.
  29. Tagesspiegel, 10. Dezember 1976.
  30. Tagesspiegel, 15.12.76.
  31. Zusammenfassung nach zwei Berichten im Tagesspiegel, 7. Januar 1977
  32. Streikinfo Nr. 6 der Germanisten vom 5. Januar 1977.
  33. Tagesspiegel, 7. Januar 1977.
  34. Streikkurier Nr. 9, 12.1.77.
  35. Süddeutsche Zeitung, 11. Januar 1977.
  36. Zusammenfassung nach Beitrag im Streikkurier, Nr. 10, 18.1.77, S. 8.
  37. Streikkurier Nr. 9, 12.1.77, S. 7 u. 8.
  38. Streikurier Nr.10 vom 18. Januar 1977.
  39. Streikkurier Nr. 9, 12. Januar 1977, Nr. 10 vom 18. Januar 1977, Nr. 11 vom 21. Januar 1977 und Tagesspiegel, 13. Januar 1977 und 20. Januar 1977.
  40. Tagesspiegel, 20. januar 1977.
  41. Frankfurter Rundschau v. 3. Februar 1977.
  42. Langer Marsch, April 1977, S. 9 f.
  43. Tagesspiegel, 26. Januar 1976.
  44. Tagesspiegel, 29. Januar 1976.
  45. Tagesspiegel, 4. Februar 1977.
  46. Frankfurter Rundschau, 3. Februar 1977.
  47. Tagesspiegel, 3. Dezember 1977.
  48. Tagesspiegel, 9. Dezember 1977
  49. Tagesspiegel, 25. November 1977.
  50. Tagesspiegel, 24. November 1977.
  51. Die Rede wurde in den Streikkurieren Nr. 1, 30. November 1977, Nr. 2, 1. Dezember 1977 und Nr. 3, 8. Dezember 1977 unter dem Titel „Führt ein Weg aus dem linken, isolierten Uni-Eck?" ungekürzt abgedruckt. Originalaufnahme der Tonbandgruppe am IfP, Institut für Publizistik der FU. Die Rede wurde in grossen Teilen ebenfalls abgedruckt in: Der Tagesspiegel, Uwe Schlicht: Zurück zur Diskussion, 23. Dezember 1977.
  52. 'Tagesspiegel, 7. Dezember 1977
  53. Tagesspiegel, 10. Dezember 1977.
  54. Tagesspiegel, 13. Dezember 1977.
  55. Tagesspiegel, 11. Januar 1978.
  56. Tagesspiegel, 24. Januar 1978.
  57. Tagesspiegel, 24. Januar 1978.
  58. Arthur Kritzler in: asta fu: fu60:gegendarstellungen, Der vergessene große Aufbruch, Berlin 2008, 1. Oktober 2008.
  59. Out Of Dahlem: No. 8, Januar 2009 AStA FU, Öffentlichkeitsreferat, Berlin, S. 50.
  60. Arthur Kritzler: Der vergessene große Aufbruch. in: astafu-info, Okt 2008.
  61. Super8-Film Unistreik 1976/77, Streikfilmgruppe am IfP, Institut für Publizistik der FU, 49 min., In den 1980er-Jahren im Programm des Super8-Filmverleih Gegenlicht.