Benutzer:Hawobo/Poe

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Edgar Allan Poe - - - - - Sturz in den Mahlstrom - 1841 -

Harry Clarke's Illustration eines Mahlstroms für Edgar Allan Poe's Geschichte "Sturz in den Mahlstrom", 1919

Nie werde ich das Empfinden von Grauen, Schrecken und Bewunderung vergessen, mit dem ich um mich sah. Das Schiff schien wie durch Magie auf halber Höhe an der Innenfläche eines Trichters von riesigem Umpfang und fürchterlicher Tiefe zu hängen, dessen vollkommen glatte Wandung man leicht hätte für Ebenholz halten können, wäre nicht die bestürzende Geschwindigkeit gewesen, mit welcher sie im Kreise wirbelte, und der schimmernd geisterhafte Schein, der davon ausging, als die Strahlen des Vollmonds durch jenes Loch in den Wolken, welches ich bereits beschrieb, in einer Flut von goldenem Glanz an den schwarzen Wänden hinabströmten, hinab bis in den innerstuntersten Schlund des Abgrunds.

Anfänglich war ich viel zu verwirrt, um zu irgendeiner präzisen Beobachtung zu kommen. Der allgemeine Ausbruch schreckenerweckender Größe war alles, was ich wahrnahm. Als ich mich jedoch ein wenig wieder gefangen, fiel mein Blick ganz wie von selbst nach unten. Bei der Lage, in welcher die Schmack an der schiefen Wasserwand des Kraters hing, hatte ich in dieser Richtung ungehinderte Sicht. Wir fuhren noch immer auf glattem Kiele - das heißt, das Deck bildete eine parallele Ebene zum Wasserspiegel - doch dieser letztere hatte eine Neigung von mehr denn fünfundvierzig Grad, so daß die Deckbalken unmittelbar auf dem Wasser zu ruhen schienen. Gleichwohl konnte ich nicht umhin, die Feststellung zu machen, daß ich unter diesen Umständen kaum mehr Schwierigkeiten hatte, meinen Halt mit Händen und Füßen zu behaupten, als da wir uns noch in normaler Schiffslage befunden hatten. Und dies, so nehm' ich an, lag in der Geschwindigkeit begründet, mit welcher wir uns im Kreise drehten.

Die Strahlen des Mondes schienen den innersten Grund des tiefen Schlundes zu suchen, doch immer noch vermochte ich mit Bestimmtheit nichts zu erkennen, denn alles dort unten ward eingehüllt von einem dichten Nebelschleier, über dem sich - der schmalen und schwankenden Brücke gleich, von welcher die Muselmänner sagen, sie sei der einzige Pfad zwischen Zeit und Ewigkeit - ein herrlicher Regenbogen wölbte. Dieser Nebel, oder Sprühgischt, ward ohne Zweifel vom Zusammenprall der gewaltigen Wände des Trichters verursacht, denn auf dem Grunde trafen sie sich alle. Doch den Gellschrei, der aus diesem Nebel zu den Himmeln aufstieg, wage ich gar nicht zu beschreiben, schon der Versuch geht über meine Kräfte.

Unser erstes Abgleiten droben vom Brandungsgürtel in den Schlund hatte uns eine beträchtliche Strecke an der Wasserwand niederfahren lassen, doch dann sanken wir keineswegs in der selben Weise weiter. Wir rasten herum und immer wieder herum - doch nicht in gleichförmiger Bewegung, sondern in schwindelnden Schwüngen und Zuckungen, welche uns manchmal nur ein paar hundert Ellen weit - manchmal aber nahezu um den ganzen Wirbelkreis herumtrieben. Nach unten gerieten wir bei jeder Umdrehung zwar nur langsam, doch immerhin sehr merklich.

Als ich um mich blickte auf die weite Wüste aus flüssiger Ebenholzmasse, von der wir dahingetragen wurden, erkannte ich, daß unser Schiff nicht der einzige Gegenstand in der Umarmung des Wirbels war. Über wie unter uns waren Schiffstrümmer sichtbar, große Mengen Bauholz und Baumstämme, dazu viele kleinere Artikel wie etwa Stücke von Hausrat, zerbrochene Kisten, Fässer und Stabholz. Ich habe bereits die unnatürliche Neugierde beschrieben, welche an die Stelle meines ursprünglichen Entsetzens getreten war. Sie schien in mir gar noch zu wachsen, je mehr ich mich meinem furchtbaren Verhängnisse näherte. Ich begann jetzt, mit absonderlichem Interesse die zahlreichen Gegenstände zu betrachten, die in unserer Gesellschaft mit dahintrieben. Ich muß einfach irrsinnig gewesen sein, denn es kam so weit, daß ich eine Art amüsante Kurzweil darin suchte, Spekulationen über die verschiedenen Geschwindigkeiten anzustellen, mit denen sie dem Gischtpfuhl tief dort unten zutrudelten. Dieser Föhrenstamm, so fand ich mich einmal reden, wird gewiß das nächste Ding sein, das den grausigen Sprung tut und verschwindet, - und dann war ich geradezu enttäuscht, als ich sah, wie das Wrack eines holländischen Kauffahrers ihn überholte und vor ihm hinabging. Nachdem ich mich schließlich mit einer ganzen Reihe Mutmaßungen dieser Art abgegeben und jedesmal geirrt hatte, brachte mich diese Tatsache - die Tatsache meiner beständigen Fehlschätzung - auf einen Gedankengang, der meine Glieder erneut erzittern und mein Herz wie rasend schlagen ließ.

Es war nicht etwa ein neuer Schrecken, der mich so befiel, sondern vielmehr - und weit erregender - ein Dämmerschein von Hoffnung. Diese Hoffnung stieg zum Teil aus der Erinnerung auf, zum Teil aus meinen gegenwärtigen Beobachtungen.............!