Benutzer:Infrastrukturnenner/Post-Supranational

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Post-Supranationalität

Der Begriff der Post-Supranationalität beschreibt das Machtverhältnis der Nationalstaaten zu den supranationalen Institutionen, wie der Europäischen Kommission und dem Europäischen Parlament, und den Bürgern der 17 Euro-Staaten (der Wirtschafts- und Währungsunion) in der Euro-Krise. Während sowohl die Mitbestimmung der Legislativen der Nationalstaaten, und damit der Bürger, als auch der supranationalen Institutionen bei der Euro-Rettung auf ein Mindestmaß zurückgeht, konzentriert sich die Handlungsmacht, bzw. Souveränität, auf die Exekutiven der Geberländer. Es kommt zu einem Machtgefälle, welches die Autorin Eva Charlotte Proll als post-supranational bezeichnet.[1]

In der Handlungslogik der Euro-Krise besteht ein Spannungsverhältnis zwischen nationalstaatlicher Souveränität und europäischer Solidarität. Einerseits sind die einzelnen Nationalstaaten bestrebt, ihre eigenen Interessen in der Staatsschuldenkrise durchzusetzen. Andererseits sind diese eng mit der wirtschaftlichen Situation in den anderen Euro-Ländern verflochten. Im Rahmen der Euro-Krise wird immer wieder vor Ansteckungseffekt und unkalkulierbaren Risiken gewarnt, die beim Austritt eines Mitgliedstaates entstehen könnten. In Anlehnung an den Begriff der Postdemokratie von Colin Crouch[2] , bezeichnet die Post-Supranationalität zum einen die schwindende Macht der Wähler in demokratisch legitimierten Nationalstaaten durch die Euro-Krise: Diese ist durch ständige Brüche in der Logik nationalstaatlicher Souveränität geprägt. Dort, wo Parlamente ihre Hoheit über die Bestimmung des Haushaltsbudgets aufgeben müssen, weil sie auf die Hilfszahlungen anderer Staaten angewiesen sind, wird der Souveränitätsbegriff zur Fiktion. Einzelne Parlamente, v. a. in den finanzschwachen Mitgliedstaaten der Euro-Länder, können sich den, von den solventen Staaten geforderten Spar- und Reformbemühungen nicht widersetzen. Um ihre eigene Zahlungsfähigkeit mittels der Kredite der Geberstaaten aufrecht zu erhalten, müssen sie die Forderungen von außen umsetzen. Das Mitbestimmungsrecht der nationalen Parlamente und damit der Demokratie beschränkt sich auf die Zustimmung zu (bereits vorher ohne die Legislative ausgehandelten) Rettungspaketen oder der Möglichkeit eines Austritts aus der Euro-Zone[3]. Damit wird auch die bisherige Kritik am Exekutivföderalismus aufgegriffen.

Zum anderen verdeutlicht die Bezeichnung post-supranational die Machtlosigkeit supranationaler Institutionen. Weder die bereits existierenden Gremien vermögen in das Geschehen der Krise einzugreifen, noch stellen die neu geschaffenen Rettungsmaßnahmen langfristige und nachhaltige Mechanismen dar, um die Krise durch nationalstaatlich-übergreifende Maßnahmen zu bewältigen. Zudem wird das Verständnis von Solidarität so ausgehöhlt, dass sich alle Nationalstaaten zwar dazu verpflichten, sie letztlich jedoch unter Erhalt ihrer Souveränität wieder zurückziehen können. So besteht z. B. seit dem Vertrag von Lissabon eine Austrittsklausel für alle Mitgliedsländer, die als letzte Möglichkeit vor absolutem Souveränitätsverlust, und damit der Insolvenz, gewählt werden kann. Der Nationalstaat rückt in der Euro-Krise trotz jahrzehntelangen Bemühungen hin zu einer Europäisierung (Ausbau supranationaler Kompetenzen, Methode Monnet etc.) und Visionen der Vereinigten Staaten von Europa wieder ins Zentrum der Machtdebatte um die europäische Zukunft. Immer wieder treten Souveränität und Solidarität nebeneinander, die Souveränität der Nationalstaaten überwiegt jedoch im Spannungsverhältnis als Handlungsmaxime. Aufbauend auf der ideengeschichtlichen Einteilung der Euro-Krise in Rettungsmaßnahmen föderativer, organischer und distributiver Solidarität nach H. Kleger und T. Mehlhausen[4], lässt sich das Auftreten der Post-Supranationalität erst mit der Zahlung hoher finanzieller Mittel, in Form von Rettungspaketen oder Schuldenerlässen konstatieren. Die Bewältigungsmaßnahmen und neu geschaffenen Instrumente zur Krisenprävention entstammen nationalstaatlicher Souveränität und bewahren diese auch, insbesondere bei den Finanzstarken Ländern in der Euro-Zone.

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Proll, Eva-Charlotte. 2013. Post Supranational: das Spannungsverhältnis zwischen Souveränität und Solidarität in der Euro-Krise. Münster: MV-Wissenschaft.
  2. Crouch, Colin. 2011. Das befremdliche Überleben des Neoliberalismus. Postdemokratie II. Berlin: Suhrkamp. Sowie ergänzend: Crouch, Colin. 2008 Postdemokratie. Frankfurt am Main: Suhrkamp.
  3. Beck, Ulrich. 2012. Das deutsche Europa. Neue Machtlandschaften im Zeichen der Krise. Berlin: Suhrkamp.
  4. Kleger, Heinz/Mehlhausen, Thomas. 2013. Unstrittig und doch umstritten. Europäische Solidarität in der Eurokrise. Politische Vierteljahresschrift 54:1, S. 50-74.