Benutzer:Kruschel18/Flach-Clinchen

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Eine Verbindungstechnologie, die die Vorteile des Flachpunktfügens und matrizenlosen Clinchens vereint, ist das an der Technischen Universität Chemnitz entwickelte Flach-Clinchen.

Mithilfe dieses Verfahrens ist es möglich, einseitig ebene form- und kraftschlüssige Clinch-Verbindungen zwischen gleichartigen sowie unterschiedlichen Materialien herzustellen. Durch die Wahl geeigneter Prozessparameter wird der Werkstofffluss während der Umformung gezielt beeinflusst, sodass sich der Hinterschnitt innerhalb der Gesamtblechdicke ausbildet. Somit kann diese Sonderform des Clinchens erstmalig auch für die Verwendung im Bereich von Sicht- und Funktionsflächen eingesetzt werden[1].

Schematische Darstellung einer Flach-Clinch-Verbindung
Schematische Darstellung einer Flach-Clinch-Verbindung

Verfahrensprinzip

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Der Werkzeugaufbau für das Flach-Clinchen besteht aus Stempel, Niederhalter und ebenem Amboss. Analog zum konventionellen Clinchen werden zu Beginn des Fügeprozesses die Bleche positioniert und durch das Aufsetzen des Niederhalters in ihrer Lage zueinander fixiert. Die Niederhalterkraft beträgt für konventionelle Metall-Metall-Verbindungen typischerweise ca. 40 kN. Diese vergleichsweise hohe Kraft bewirkt, dass der axiale Materialfluss während des Fügens, welcher beim matrizenlosen Clinchen zur Ausbildung einer ambossseitigen Überhöhung führt, minimiert wird. So kann beispielsweise beim Flach-Clinchen zweier Bleche aus EN AW 1050A mit einer Ausgangsblechdicke von jeweils 1,0 mm eine maximale ambossseitige Erhebung von lediglich 20 µm erzielt werden. Für das Flach-Clinchen verschiedener Werkstoffkombinationen wurden Niederhalter mit speziellen Stirnflächenkonturen entwickelt, die an die Anforderungen beim Fügen der jeweiligen Materialpaarungen angepasst sind. Hierbei ist zu beachten, dass der Werkstoff mit der höheren Festigkeit stempelseitig angeordnet wird.[1]

Niederhalterformen beim Flach-Clinchen
Niederhalterformen beim Flach-Clinchen: a) Materialflussbegrenzer, b) Ringzacke, c) Kantenradius, d) Innenbohrung

Durch eine spezielle Konturierung des Niederhalters ist es möglich, beim Fügen von Blechen aus demselben Werkstoff den Werkstofffluss während des Prozesses gezielt zu steuern und auf diese Weise einen vergleichsweise großen Hinterschnitt zwischen den Blechen zu realisieren. Hierfür wurde der Niederhalter mit einem umlaufenden Absatz – auch Materialflussbegrenzer genannt (Abbildung 2.9a)– versehen, sodass in diesem Bereich kein axialer Druck auf die Bleche aufgebracht wird und das Material ungehindert entgegen der Fügerichtung fließen kann [null [BEYE12]]. Abbildung 2.10 zeigt den Werkstofffluss während des Flach-Clinchens unter Verwendung des Niederhalters mit Materialflussbegrenzer. Aus Gründen der Übersichtlichkeit sind jeweils die rechten Hälften der Querschnitte in vergrößerter Darstellung zu sehen.

[null Abbildung] 2.10:    Werkstofffluss beim Flach-Clinchen (Materialflussbegrenzer)

Mit dem Aufsetzen des Stempels beginnt das ambossseitige Blech radial nach außen zu fließen, während das stempelseitige Blech im Übergangsbereich zwischen Stempel und Niederhalter entgegen der Stempel­vorschubbewegung steigt (Abbildung 2.10a). Aufgrund der hohen Niederhalterkraft wird der radiale Material­fluss des ambossseitigen Blechs zunehmend behindert. Da im Übergangsbereich zwischen Stempel und Niederhalter kein axialer Druck auf die Bleche wirkt, kann auch das ambossseitige Blech in diesem Bereich entgegen der Stempelbewegung steigen (Abbildung 2.10b, c). Beim Auftreffen des stempelseitigen Blechs auf die obere Anlagefläche des Materialflussbegrenzers wird das axiale Steigen beider Bleche gestoppt (Abbildung 2.10d). In [1] wird dieser Zeitpunkt als Moment der Fließrichtungsumkehr bzw. Beginn der Hinterschnittausbildung gekennzeichnet. Charakteristisch für diesen Zustand ist der vertikale Verlauf der Trennlinie zwischen den Blechen im Halsbereich der Verbindung. Weiterhin sollte sich die Stempelstirnfläche zu diesem Zeitpunkt unterhalb dieses vertikalen Trennlinien-Bereiches befinden. Mit zunehmender Stempeleindringtiefe wird das Material unterhalb des Stempels weiter radial verdrängt und es kommt zur Ausbildung eines Hinterschnittes zwischen beiden Blechen (Abbildung 2.10e, f).

Die Analyse des Materialflusses zeigt, dass durch eine frühzeitige Fließrichtungsumkehr der Hinterschnitt signifikant vergrößert wird [1]. Daraus ergibt sich der Vorteil, dass für den Prozess eine höhere Restbodendicke gewählt werden kann. Dies führt zu einer geringeren Abstreckung des stempelseitigen Blechs im Halsbereich und somit zu einer Reduzierung der Gefahr des Halsrisses bei einer Belastung der Verbindung. Zusätzlich sinken aufgrund der geringeren Umformung die erforderlichen Fügekräfte und die ambossseitige Überhöhung wird ebenfalls minimiert.

Verfahrensbedingt kommt es beim Flach-Clinchen zu einer Ausdünnung der Bleche im Bodenbereich der Verbindung. Für den Niederhaltertyp Materialflussbegrenzer ergibt sich ein Verhältnis der Rest­boden­dicke des stempelseitigen Werkstoffs (tbs) zur Restbodendicke des ambossseitigen Werkstoffs (tba) von tbs ≈ 3tba [1].

[null  ]

Vorteile gegenüber dem konventionellen Clinchen

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Das in [null [TECH09]] patentierte Flach-Clinchen bietet gegenüber dem konventionellen Clinchen eine Vielzahl von Vorteilen. Der wesentliche Vorteil ist die Ebenheit der ambossseitigen Oberfläche. Die maximale ambossseitige Überhöhung beträgt für Metall-Metall-Verbindungen zwischen 0,4 % und 1,3 % der Gesamtblechdicke [1]. Aufgrund der Ebenheit der Verbindung kann das Flach-Clinchen somit auch im Bereich von Sicht- und Funktionsflächen eingesetzt werden. Abbildung 2.11 zeigt die Nahaufnahme der Abdeckhaube eines Durchlauferhitzers. Die Ecken des Gehäuses wurden nach dem Abkanten mit jeweils zwei Flach-Clinch-Punkten gefügt. Auf der Außenseite (ambossseitiges Blech) sind die beiden Fügepunkte lediglich anhand der Veränderung der Oberflächenstruktur infolge des radialen Werkstoffflusses im Bereich der direkten Fügezone zu erkennen. Nach dem Lackieren des Gehäuses ist die Flach-Clinch-Verbindung nicht mehr sichtbar (Abbildung 2.12).

[null Abbildung] 2.11:    Gehäuseecke mit zwei Flach-Clinch-Punkten: Innenseite (links) und Außenseite (rechts) [null [DING15]]

[null Abbildung] 2.12:    Flach-Clinchen für die Herstellung einer Abdeckhaube [null [DING15]]

Ein weiterer Vorteil des Flach-Clinchens ergibt sich aus dem prozessinduzierten Spannungszustand während des Fügens. Beim konventionellen Clinchen wird das Material aus der Blechebene heraus in die formgebende Matrize gedrückt. Dabei entstehen im Fügepunkt in beiden Blechen hohe Zugspannungen, die beim Überschreiten der jeweiligen Zugfestigkeit zur Rissentstehung und damit zum Versagen der Verbindung führen können. Während des Flach-Clinchens treten im Bodenbereich jedoch ausschließlich Druckspannungen im Material auf (siehe Abbildung 2.13). Im Halsbereich der Verbindung entstehen Zugspannungen, die zur Ausdünnung des stempelseitigen Blechs führen. Aufgrund des axialen Steigens des ambossseitigen Blechs werden diese Zugspannungen jedoch von Druckspannungen überlagert, sodass die resultierenden Zugspannungen deutlich unterhalb der Zugfestigkeit des Werkstoffs liegen.

[null Abbildung] 2.13:    Spannungsverteilung beim Flach-Clinchen (Stempel im unteren Totpunkt)

Die dominierenden Druckspannungen beim Flach-Clinchen ermöglichen eine deutliche Erweiterung des Einsatzgebietes von Clinch-Verbindungen. Mit diesem Verfahren können nun auch zugspannungsempfindliche Materialien verbunden werden, die mittels konventionellen Clinchens nicht fügbar sind. Zusätzlich zu den klassischen metallischen Werkstoffen können beispielsweise auch die Paarungen Metall-Kunststoff, Metall-Holz/Holzwerkstoff und Kartonage-Kartonage umformend gefügt werden (siehe Abbildung 2.14) [null [AWIS09, BEYE12, GERS14a, LÜDE14]]. Diese Auswahl an Materialkombinationen mit einer maximalen ambossseitigen Überhöhung von 5 % der Gesamtdicke verdeutlicht das hohe Potential der Flach-Clinch-Verbindungen bezüglich eines Multimaterialdesigns.

[null Abbildung] 2.14:    Multimaterialdesign: a) Stahl-Aluminium, b) Aluminium-Polystyrol, c) Aluminium-MDF (mitteldichte Faserplatte), d) Kartonage-Kartonage

Wie beim matrizenlosen Clinchen gilt auch für das Flach-Clinchen die Vorgabe, dass – im Gegensatz zu konventionellen Clinch-Verbindungen – beim Fügen von Blechen mit unterschiedlicher Ausgangsdicke das dickere Blech ambossseitig angeordnet werden sollte. Weiterhin besteht ein genereller Vorteil bei der Verwendung eines ebenen Ambosses anstelle einer formgebenden Matrize im geringeren Fertigungsaufwand sowie den damit verbundenen niedrigeren Herstellungskosten. Beim konventionellen Clinchen müssen die Achsen von Stempel und Matrize exakt zueinander ausgerichtet sein, da bereits ein geringer Achsenversatz zu einer fehlerhaften Verbindungsausbildung oder gar zu einer Zerstörung der Werkzeuge führen kann [null [NEUG09]]. Für das Flach-Clinchen mit ebenem Amboss entfällt diese Koaxialitätsforderung zwischen Stempel und Gegenwerkzeug, der Prozess kann daher als unempfindlicher bezüglich eventueller Montagetoleranzen betrachtet werden.

  1. a b c d e f Beyer, Ulrike: Multi-Material-Fügen mittels Flach-Clinch-Technologie. Dissertation. Verlag Wissenschaftliche Scripten, 2012, ISBN 3-942267-39-X.