Benutzer:MaEr/Niederländische Dialekte

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Niederländische Dialekte sind (nach einer gängigen Definition) Dialekte, die mit dem Niederländischen verwandt sind, und dort gesprochen werden, wo das Niederländische die Kultursprache ist.

Was sind niederländische Dialekte?[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Der Begriff niederländische Dialekte ist nicht einfach zu definieren. Es gibt verschiedene mögliche Definitionen.

Verwandtschaft als Kriterium[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Ein mögliches Kriterium wäre die Verwandtschaft zwischen Dialekten und Sprachen. Dieses Kriterium führt allerdings zu folgendem Problem: Niederdeutsche und ostniederländische Dialekte sind sehr eng miteinander verwandt, aber Niederländer würden erstere nicht "niederländische Dialekte" nennen, die zweiten hingegen wohl. Außerdem ist es sehr schwierig, den Verwandtschaftsgrad zwischen Dialekten genau festzustellen. [1]

Überdachung und Verwandtschaft als Kriterium[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Der belgische Sprachwissenschaftler J. Goossens hat vorgeschlagen, den Grad der Verwandtschaft zu kombinieren mit der Überdachung durch das Niederländische. Nach dem kombinierten Kriterium sind die Dialekte niederländisch, die mit dem Niederländischen verwandt sind und die dort gesprochen werden, wo das Niederländische - und keine enger verwandte Sprache - die Kultursprache ist. Die Einschränkung "keine enger verwandte Sprache" in diesem Kriterium ist nötig, um die friesischen und die niederländischen Dialekte auseinander zu halten. Goossens geht davon aus, dass im größten Teil der niederländischen Provinz Friesland das Friesische die Kultursprache ist (neben dem Niederländischen). Da die dortigen Dialekte enger mit dem Friesischen verwandt sind als mit dem Niederländischen, handelt es sich um friesische, nicht um niederländische Dialekte. Die niederländischen Dialekte in Französisch-Flandern wären nach diesem Kriterium keine niederländischen Dialekte, weil in Französisch-Flandern das Niederländische keine Kultursprache ist. Goossens merkt dazu an, dass sein Kriterium nicht rein sprachlich, sondern eher soziolinguistisch ist. Er argumentiert, dass man mit einer rein sprachlichen Definition des Begriffs nicht vernünftig arbeiten kann. [1]

In den Niederlanden[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

In der Nachkriegszeit hat sich die Lage der niederländischen Dialekte stark verändert. Viele Dialektologen stellen fest, dass die Dialekte in fast allen Gebieten der Niederlande von der Standardsprache verdrängt werden. Gleichzeitig beeinflusst die Standardsprache die Dialekte stark. Die Ortsdialekte werden immer mehr durch Regiolekte ersetzt, also durch regionale Umgangssprachen, die zwischen Dialekt und Standardsprache angesiedelt sind. Dies hat verschieden Gründe:

  • der ländliche Raum wird immer städtischer (Urbanisierung)
  • die Bevölkerung wird immer mobiler, Arbeit und Freundeskreis außerhalb des Dorfes werden häufiger
  • die Massenmedien bekommen mehr Bedeutung
  • Frauen nehmen stärker an der Arbeitswelt teil, und die ist eher von der Standardsprache geprägt als von Dialekten
  • der soziale Aufstieg wurde leichter, auch für die Landbevölkerung, aber die Standardsprache blieb Bedingung dafür [2]

Auf dem Lande[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Im 19. Jahrhundert sprachen auf dem Lande die meisten Menschen fast nur Dialekt, auch wenn sie in der Schule das Lesen und Schreiben der Standardsprache lernten. Im 20. Jahrhundert gab es in den ländlichen Gegenden der Niederlande eine Diglossie, das heißt, dass Dialekt und Standardsprache neben einander existierten. Dabei gehörten sie in unterschiedliche Lebensbereiche und hatten unterschiedliche Aufgaben. Dialektgebrauch war an die mündliche Kommunikation gebunden, die Standardsprache an die schriftliche Kommunikation. [2]

In den Städten[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

In den Städten, besonders in den größeren, gab es keine Diglossie, also keine Aufgabenteilung von Dialekt und Standardsprache, sondern eher eine Konkurrenz zwischen den beiden. Die Standardsprache hatte ein hohes Ansehen. Sie war gleichzeitig ein Zeichen für sozialen Aufstieg und die Voraussetzung für sozialen Aufstieg. Die Standardsprache wurde maßgeblich, während der Dialekt zum Kennzeichen der Unterschicht wurde. Auf dem Lande gab es ein Nebeneinander von Standardsprache und Dialekt, in der Stadt ein Übereinander. Dies führte zu einem starken Einfluss der Standardsprache auf die Stadtdialekte. [2]

Regiolekte[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

In der Nachkriegszeit entstanden Regiolekte (Regionalsprachen), die die Ortsdialekte zunehmend verdrängen. Die Unterschiede sind nun nicht mehr geographisch, also zwischen zwei Dörfern oder Gegenden, sondern sie liegen im Abstand zur Standardsprache. Manche Sprachvarianten sind sehr nahe an der Standardsprache, andere weit davon entfernt. [2]

Erziehung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Seit Mitte der 1960er Jahre versuchen die meisten niederländischen Eltern, mit ihren Kindern in der Standardsprache zu sprechen, um die Kinder vor vermeintlichen oder tatsächlichen Nachteilen zu bewahren. Wenn die Eltern aber selber die Standardsprache nicht genügend beherrschen, kann das zu Problemen führen, wenn die Kinder diese Standardsprache in der Schule anwenden sollen. In manchen Gemeinden gibt es deshalb Versuche, in der Schule den Dialekt der Schulkinder besonders zu berücksichtigen und eine Zweisprachigkeit (Dialekt und Standard) herzustellen oder zu erhalten, z.B. in Kerkrade. [2]

Dialektrenaissance[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Eine Dialektrenaissance gibt es in den Niederlanden nicht (Stand: 1992). Zwar sagen viele Niederländer, dass die Dialekte erhalten werden sollen, aber das führt nicht dazu, dass mehr Dialekt gesprochen wird. [2]

Einfluss auf die Standardsprache[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die Regiolekte aus dem Westen der Niederlande üben einen immer größeren Einfluss auf die gesprochene Standardsprache aus. Regionale Sprachformen gelangen von den Regiolekten in die gesprochene Standardsprache von Menschen aus der Mittel- und Oberschicht. In Flandern stößt diese Form der Standardsprache auf viel Kritik. [2]

In Belgien[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Dialekt und Standard[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

In niederländischsprachigen Teil von Belgien gab es lange Zeit keine niederländische Kultursprache, sondern nur die Dialekte. Als Kultursprache diente das Französische. In den 30er Jahren des 20. Jahrhunderts wurde in Belgien die "doppelte Einsprachigkeit" eingeführt. Dies bedeutete, dass im Norden des Landes das Niederländische die alleinige Amtsprache und Schulsprache wurde, und im Süden des Landes das Französiche. Nach Einführung der "doppelten Einsprachigkeit" fing die Mittelschicht in Städten wie Antwerpen, Löwen oder Mechelen an, das Niederländische als Kultursprache zu benutzen. Dieses Niederländisch war allerdings von Dialekten geprägt, weil die Dialekte eine wichtige Rolle spielten. Außerdem klang es altertümlicher und schriftsprachlicher als die Standardsprache in den Niederlanden, weil viele Sprecher sich die Standardsprache aus Büchern beibrachten. Erst in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts wurde die niederländische Standardsprache in ganz Flandern bekannt (also nicht nur in der städtischen Mittelschicht). Dies bedeutet allerdings nicht, dass diese Standardsprache auch allgemein verwendet wird. Die niederländischsprachigen Belgier beherrschen die Standardsprache im Durchschnitt nicht so sicher wie die Niederländer. Die Dialekte sind im Alltag der meisten niederländischsprachigen Belgier wichtiger als die Standardsprache. Die Standardsprache im Norden von Belgien ist stärker von den Dialekten beeinflusst als in den Niederlanden. Bis in die frühen 70er Jahre den 20. Jahrhunderts wurde die niederländische Standardsprache von den meisten niederländischsprachigen Belgiern nur selten gesprochen, sondern nur geschrieben. Es gab also eine Diglossie, eine Aufgabenteilung zwischen Dialekt und Standardsprache. [2]

Sprachformen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Manche Sprachwissenschaftler unterscheiden beim Niederländischen in Belgien fünf Sprachformen, die allerdings fließende Übergänge haben:

  • Dialekt (A): Der "reine" Dialekt ist im Norden von Belgien nicht auf ländliche Gebiete und private Gelegenheiten beschränkt. Die allermeisten niederländischsprachigen Belgier beherrschen einen Dialekt, auch wenn sie ihn nicht immer verwenden.
  • Dialektvariante (B): Eine Dialektvariante ist ein Dialekt, der lautlich bewusst an die Standardsprache angepasst ist. Teilweise fließen auch Wörter aus der Standardsprache ein. Dialektsprecher, die die Standardsprache nicht ausreichend beherrschen (z.B. ältere Menschen mit geringer Schulbildung), benutzen diese Sprachform, wenn sie mit Menschen sprechen wollen, die den Ortsdialekt nicht verstehen.
  • Regionale Umgangssprache (C): Die regionale Umgangssprache ist etwas anderes als der Regiolekt in den Niederlanden. Die regionale Umgangssprache ist eine Mischung aus Standardsprache und Dialekt. Sie wird verwendet für die überregionale Kommunikation, auch in der städtischen Mittelschicht, auch von Menschen mit höherer Ausbildung, aber nur in familiären Situationen.
  • "Belgisch Beschaafd (Nederlands)", "Belgisches Standard-Niederländisch" (D): Das ist eine Sprachform, die der Standardsprache sehr nahe ist. Diese Sprachform ist im gesamten niederländischsprachigen Teil von Belgien gebräuchlich. Diese Sprachform ist nicht nur von Ortsdialekten beeinflusst. Außerhalb von Brabant gibt es auch brabantische regionale Einflüsse. Dies bedeutet, dass Brabant in gewissen Umfang in dieser Sprachform tonangebend ist. Andere Kennzeichen sind altertümliche Ausdrücke (Archaismen), Spuren von französischem Einfluss (Gallizismen) und Purismen. Außerdem hat diese Sprachform eine buchstabengetreue Aussprache und hyperkorrekte Formen (also fehlerhaftes Vermeiden von vermeintlichen Dialektformen). Auch Menschen, die die eigentliche Standardsprache beherrschen, benutzen in bestimmten Situaltion das "Belgische Standard-Niederländisch" an Stelle der Standardsprache, um nicht affektiert zu wirken.
  • Standardsprache (E): Die Standardsprache ist prinzipiell die gleiche wie in den Niederlanden, trotz einiger belgischer Besonderheiten. Im Rundfunk und im Fernsehen ist sie die übliche Sprachform. [2]

Haltung gegenüber den Dialekten[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Umfragen in den 70er Jahren des 20. Jahrhunderts haben gezeigt, dass die meisten niederländischsprachigen Belgier den Dialekt für ungeeignet halten für den Gebrauch in Schule und Massenmedien. Ungefähr die Hälfte der Befragten hält ihn geeignet für die Kommunikation zwischen Eltern und Kinder. [2]

Beherrschung der Dialekte[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Ende der 70er Jahre wurde eine Umfrage an allen flämischen Universitäten durchgeführt. Dabei zeigte sich: nicht mit Dialekt aufgewachsen waren

  • 30% der Studierenden aus der Provinz Brabant
  • 16% der Studierenden aus der Provinz Limburg
  • 2% der Studierenden aus der Provinz Westflandern [2]

Bei einer Umfrage in der Provinz Westflandern im Jahre 1987 sagten 98% der Befragten, dass sie regelmäßig Dialekt sprechen. Ähnliche Umfragen in Brabant (1985) und Limburg (1987) zeigten, dass es dort große Unterschiede gibt bei den Fragen, wie gut man Dialekt beherrscht, wie oft man ihn spricht und wie man den Dialekt (gefühlsmäßig) bewertet. Das heißt, dass die Dialekte in Westflandern noch von sehr großen Teilen der Bevölkerung verwendet werden, während in anderen Provinzen bestimmte Teile der Bevölkerung andere Sprachformen vorzieht. [2]

Gliederung der Dialekte[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die niederländischen Dialekte sind immer wieder unterschiedlich gegliedert worden. Es hat sich gezeigt, dass eine gute Gliederung nicht einfach zu finden ist.

Am Ende des 19. und am Anfang des 20. Jahrhunderts spielten die alten germanischen Stämme eine wichtige Rolle. So kam man zu Einteilungen in fränkische, sächsische und friesische Dialekte, wobei die feineren Unterteilungen nach Provinzen benannt wurden. Man erkannte allerdings, dass die Dialektgrenzen keine alten Stammesgrenzen sind. Man behielt die alten Begriffe fränkisch, sächsisch und friesisch bei, verzichtete aber darauf, sie mit den alten Franken, Sachsen und Friesen in Verbindung zu bringen. Man benutzte sie nur noch als Namen in der Grobgliederung. [1]

Später zeichnete man Dialektkarten auf Grundlage von Isoglossen. Das heißt, man untersuchte z.B. in welchen Gegenden ein bestimmter Laut als Monophthong oder als Diphthong ausgesprochen wurde und zeichnete zwischen den beiden Gegenden eine Linie (Isoglosse) ein. Allerdings hat diese Methode den Nachteil, dass derjenige, der die Karte zeichnet, selber entscheidet, welche sprachlichen Unterschiede er für wichtig hält und einzeichnet, und welche er für unwichtig hält und weglässt. [1]

Eine andere Methode, Dialekte einzuteilen, beruht auf der Einschätzung der Sprecher. Man befragt Dialektsprecher, welche anderen Dialekte dem eigenen ähnlich sind. Falls ein gewisses Maß an Ähnlichkeit besteht, zeichnet man einen Pfeil von einem Dialekt zu anderen, daher der Name pijltjesmethode ("Pfeilmethode"). Allerdings ist nicht sicher, ob die so erhaltenen Informationen verlässlich sind. In der Praxis muss der Forscher diese Informationen noch überprüfen, und zwar auf Grund eigener Erfahrungen oder mit Hilfe anderer Forscher. [1]

Quellen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. a b c d e H. Entjes, "Dialecten in Nederland", Knoop & Niemeijer, Haren (Gn) 1974, ISBN 90-6148-258-5
  2. a b c d e f g h i j k l Herman Vekeman und Andreas Ecke, "Geschichte der niederländischen Sprache", Bern 1992, ISBN 3-906750-37-X