Benutzer:MishRa/Bücher/Buchname/Deutscher Zollverein

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Im Gegensatz zum Auftrag der Bundesakte gelang es dem Deutschen Bund nicht, die wirtschaftlichen Verhältnisse in den deutschen Ländern zu vereinheitlichen. Insbesondere die zollpolitische Zersplitterung behinderte die industrielle Entwicklung. Wichtige Anstöße zu Veränderungen in diesem Bereich kamen von außen. Mit der Aufhebung der Kontinentalsperre standen deutsche Gewerbetreibende in direkter Konkurrenz zur englischen Industrie. Ein Allgemeiner Deutscher Handels- und Gewerbeverein verlangte nach zollpolitischem Schutz. Sein Sprecher, der Nationalökonom Friedrich List, forderte in einer weit verbreiteten Petition darüber hinaus einen Abbau der innerdeutschen Zollschranken. Zwar beschäftigte sich der Bundestag auf Initiative Badens bereits 1819 und 1820 mit einer möglichen Zolleinigung, ohne dass es dabei jedoch zu einer Einigung gekommen wäre. Die Überwindung der innerdeutschen Zölle vollzog sich daher außerhalb der Bundesorgane auf der Ebene der beteiligten Staaten selbst.

Der Deutsche Zollverein zum Zeitpunkt der Gründung (blau), mit Gebietserweiterungen bis 1866 (grün) sowie nach 1866 (gelb).

Die Initiative dazu ging in erster Linie von Preußen aus. Die Regierung dieses Staates hatte angesichts des zersplitterten Staatsgebiets ein Eigeninteresse daran, die Zollgrenzen zu überwinden. In Preußen selbst waren 1818 alle innerstaatlichen Handelsschranken gefallen. Nach außen hin wurde ein nur mäßiger Schutzzoll erhoben. Damit konnten sowohl die am Freihandel interessierten Großgrundbesitzer, als auch die von der ausländischen Konkurrenz bedrohte gewerbliche Wirtschaft leben. Die Nachbarstaaten Preußens erhoben sofort Protest gegen die Behinderung ihrer Wirtschaft durch die hohen preußischen Durchgangszölle. Davon ging erheblicher Druck aus, sich dem preußischen Zollsystem selbst anzuschließen. Als erstes schloss sich das Fürstentum Schwarzburg-Sondershausen dem System an, ihm folgten verschiedene weitere der kleinen thüringischen Staaten. In anderen Staaten löste die preußische Zolloffensive heftige Gegenreaktionen aus. Bereits 1820 plante Württemberg einen Zollverbund des „Dritten Deutschlands“ zu gründen, also der Staaten des Deutschen Bundes ohne Österreich und Preußen. Allerdings scheiterte das Vorhaben an den unterschiedlichen Interessen der angesprochenen Länder. Während das relativ hoch entwickelte Baden für Freihandel eintrat, verlangte die bayerische Regierung einen Schutzzoll. Immerhin kam es später zu einer Einigung zwischen Württemberg und Bayern und der Gründung eines Süddeutschen Zollvereins. Als Gegengründung zu den preußischen Aktivitäten entstand außerdem 1828 aus Hannover, Sachsen, Kurhessen und weiteren Staaten ein von Österreich geförderter Mitteldeutscher Handelsverein. Die Staaten verpflichteten sich, nicht dem preußischen Verbund beizutreten, bildeten selber aber keine Zollunion.

Die preußische Regierung, vor allem Finanzminister Friedrich Christian Adolf von Motz, verstärkte angesichts dieser Gründungen daraufhin ihre Bemühungen. Der erste größere Staat, der sich dem preußischen Zollgebiet anschloss, war 1828 das Großherzogtum Hessen-Darmstadt. Bereits 1829 begann der mitteldeutsche Zollverein auseinander zu brechen, als Kurhessen ihn verließ. Im selben Jahr kam es zu einem Vertrag zwischen dem preußischen und dem süddeutschen Zollverbund. Damit war der Weg zur Gründung eines größeren Deutschen Zollvereins frei. Im Jahr 1833 schlossen sich der preußische und der süddeutsche Zollbereich offiziell zusammen. Sachsen und die thüringischen Staaten kamen noch im selben Jahr dazu. Am 1. Januar 1834 trat dann der Deutsche Zollverein in Kraft. In den folgenden Jahren wurden Baden, Nassau, Hessen und die Freie Stadt Frankfurt Mitglieder. Es fehlten vorerst noch Hannover und die norddeutschen Stadtstaaten, die teilweise erst während der Reichsgründungsära beitraten; Hamburg ließ sich bis 1888 Zeit.

Um den Souveränitätsanspruch der kleineren Staaten zu schützen, wurde bei den Verhandlungen über die Strukturen des Vereins versucht, das Prinzip der Gleichberechtigung zu wahren. Oberstes Organ war die Zollvereinskonferenz, für deren Entscheidungen Einstimmigkeit vorgeschrieben wurde. Diese Beschlüsse mussten dann aber auch noch von den Einzelstaaten ratifiziert werden. Gleichwohl war mit dem Beitritt zum Bund die Aufgabe von Hoheitsrechten an eine zwischenstaatliche Institution verbunden. Der Vertrag wurde zunächst auf acht Jahre abgeschlossen. Er verlängerte sich automatisch, wenn er nicht von einem der Mitglieder gekündigt wurde. Bei aller theoretischen Gleichberechtigung hatte Preußen doch ein Übergewicht, insbesondere der Abschluss von Handelsverträgen mit anderen Staaten lag in seiner Hand.

Die wirtschaftlichen Wirkungen sind allerdings nicht ganz eindeutig. Zwar konnten in einigen Staaten die direkten Steuern gesenkt werden, aber der Zollverein war kein zielgerichtetes Instrument zur Förderung der Industriewirtschaft. Vielmehr waren die wirtschaftlichen Leitvorstellungen der meisten maßgeblichen Politiker noch von einem mittelständisch-vorindustriellen Gesellschaftsbild geprägt. Vom Zollverein wurde die industrielle Entwicklung zwar erleichtert, es gingen aber keine entscheidenden Wachstumsimpulse von ihm aus. Auch die später immer wieder betonte Funktion des Vereins als Motor der deutschen Einheit lag nicht in der Absicht der Politiker der Einzelstaaten. Einigen Zeitgenossen, wie dem preußischen Finanzminister von Motz, war die politische Dimension jedoch durchaus bewusst. Er sah den geplanten Zollverein bereits 1829 als Werkzeug zur Durchsetzung eines kleindeutschen Nationalstaats unter preußischer Führung. Metternich wiederum sah in ihm 1833 eine Bedrohung des Deutschen Bundes.[1]

Anmerkungen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Botzenhart, Reform, Restauration, Krise, S. 95–104, Siemann, Vom Staatenbund zum Nationalstaat, S. 337–342.