Benutzer:Projektautor/Die Zukunft von Wikipedia

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Bemerkung: war ursprünglich als Beitrag zum Schreibwettbewerb konzipiert. Ich ging dabei von der falschen Voraussetzung aus, dass dieser Wettbewerb, den Autoren die Gelegenheit geben sollte, auch mal unabhängig von den Rahmenbedingungen des Artikelraumes Gedanken zu äußern.

Die Zukunft von Wikipedia[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Wie komme ich dazu, etwas zur Zukunft von Wikipedia zu sagen. Unter den Wikipedianern gibt es eine Menge kluger Leute, die sich über die Zukunft nicht nur Gedanken machen, sondern aktiv an ihr arbeiten. Seit drei Tagen erst bin ich aktiver Benutzer bei Wikipedia, aber ich kann auf dreißig Jahre aktiver Mitarbeit an der Entwicklung neuer Medien zurückblicken. Jetzt habe ich noch drei Stunden, um drei Tage der Analyse von Wikipedia in begründeten Hypothesen darzustellen. Mein Werkzeug ist die Semiotik.

Zur Geschichte und zum Konzept von Wikipedia brauche ich nichts auszuführen, will aber keinen Hehl aus meiner Bewunderung für diese Gemeinschaftsleistung machen. Alles, was ich an Kritischem zu sagen habe, tut dem keinen Abbruch. Am Beginn steht eine sympathische Anarchie, aus der heraus - ganz wie im wirklichen Leben - Regeln entstehen, sich eine Gemeinschaft bildet. Wikipedia hat sich mit ungeheurer Dynamik entwickelt, genau in dieser Dynamik liegt aber auch die Gefahr. Eine Gefahr, die zwar erkannt wurde, aber damit noch lange nicht gebannt ist.

Wikipedia ist ein soziales System und kann daher mit den Instrumenten der Soziologie, speziell auch der Systemtheorie behandelt werden. Für jedes soziale System gibt es ein Innen und ein Außen, intern muss die Integration gesichert werden, nach außen ist die Anpassung an die Umwelt zu gewährleisten, die Einordnung in übergeordnete Systeme wie das Recht und die Wirtschaft. Beides muss gelingen, wenn über die Selbsterhaltung hinaus auch Ziele erreicht werden sollen. Dabei entstehen immer wieder typische Konfliktsituationen, die jedes Unternehmen - denn Wikipedia ist nicht zuletzt auch ein Unternehmen, ob dies den Anhängern der Anarchie gefällt oder nicht - in tiefe Krisen stürzen, die mit dem Wachstum zusammenhängen und nur durch neue Stufen der Entwicklung bewältigt werden können, also eben nicht in einem kontinuierlichen Prozess. In der Betriebswirtschaftslehre spricht man von Wachstumskrisen (Larry E. Greiner). Diese erkennt man von außen erst, wenn es bereits zu spät ist, intern deuten sie sich jedoch mit vielen Zeichen an. Bei Wikipedia ahne ich mindestens zwei Krisen, die erfolgreich bewältigt wurden.

Für die weitere Entwicklung nur ein kleines statistisches Experiment: Die Zahl der Benutzer des deutschen Wikipedia, also derjenigen, die sich angemeldet und mindestens einen Beitrag geleistet haben, entwickelte sich ungefähr so (Angaben immer für Ende des Jahres)

  • 2005 2200
  • 2006 4800
  • 2007 7400
  • 2008 10500

Daraus lässt sich folgende Prognose ableiten:

  • 2009 14000
  • 2010 18000
  • 2011 22500
  • 2012 27000
  • 2013 31000

Danach könnte man die Sättigungsgrenze in 2020 bei etwa 50.000 Benutzern ansetzen. Wenn dies zuträfe, müsste man bei 2011 bereits den Wendepunkt annehmen. Ob man ihn erkennen würde, ist eine andere Frage. Entscheidend für den Bestand von Wikipedia ist aber die Frage, wie man die mit solchem Wachstum verbundenen Krisen rechtzeitig erkennt und bewältigt. Wobei ich die technischen Probleme bei den damit verbundenen Abrufzahlen noch am ehesten für beherrschbar halte.

Ich will aber weder eine soziologische noch eine betriebswirtschaftliche Analyse vorlegen. Ich betrachte Wikipedia als Kommunikationssystem und will mit der semiotischen Analyse nicht nur Probleme aufzeigen, sondern auch Lösungskonzepte.

Voranstellen möchte ich die Konsequenzen aus der Pragmatischen Maxime von Charles S. Peirce: Wirklich ist, was Wirkung hat. Insofern ist die virtuelle Realität des Internet für Wikipedia, wie für andere Teilnehmer auch, eine harte Wirklichkeit. Als Kommunikationssystem ist es doppelt in die Gesellschaft eingebunden: einerseits bildet es als Enzyklopädie die Teilsysteme der Gesellschaft ab, andrerseits ist es selbst Objekt dieser Systeme, wie an den Beispielen Recht, Wirtschaft und Politik am deutlichsten zu sehen ist.

Nach Luhmann kann die gesamte Gesellschaft als ein System sich gegenseitig beeinflussender Kommunikationen gesehen werden. Wenn dem so ist, dann muss sie als ein System, das auf Zeichen beruht, auch in einer triadischen Struktur beschreibbar sein (siehe Semiotik).

Die Kunst ist dem Bereich der Möglichkeit zuzuordnen, die Wirtschaft gehört zur alltäglichen Wirklichkeit, die Wissenschaft ist nur in einem geschlossenen System der Notwendigkeit behandelbar. Jedes der Teilsysteme teilt sich nach der gleichen Struktur in immer weitere Teile. So ist das Geld in der Wirtschaft eine Möglichkeit, ein Mittel, es wird erst durch die Arbeit zur Wirklichkeit, einem Obkjekt, einem Produkt. Das Ganze findet im Rahmen des Rechts statt, das als System fester Regeln eine Notwendigkeit ist. Das Recht wiederum besteht aus der Gesetzgebung, der Politik, die man auch die Kunst des Möglichen nennt, aus der Verwaltung, die dem Bürger als Wirklichkeit gegenübersteht und aus der Justiz, die den Rahmen, das notwendige System, bildet.

Dieses Modell ist auch auf Wikipedia anwendbar: die Autoren sind das Potential, sie haben die Möglichkeiten, etwas darzustellen; verwirklicht wird es im Netz, das die Wikipedia Foundation zur Verfügung stellt. Der rechtliche Rahmen, der dafür notwendig ist, wird durch die Organisationsstruktur gesetzt.

Viele der Probleme, mit denen diese Organisation zu kämpfen hat, hängen damit zusammen, dass man bisher nicht oder nur unzureichend realisiert hat, dass die Artikel, die man in diesem Rahmen erstellt und bearbeitet, grundverschiedene Objekte haben und damit auch im Regelwerk unterschiedlich behandelt werden müssen. So ist die Kunst grundsätzlich frei, kann und muss Dinge erfinden, ist nicht an eine existierende Realität gebunden. Ganz anders verhält es sich mit Gegenständen, die der Wirklichkeit des Alltags - und damit meistens auch dem Kreislauf der Wirtschaft - zuzuordnen sind. Da sich die Wirklichkeit immer auf konkretes Handeln bezieht, kommt das Kriterium der Wahrheit ins Spiel. Menschen sind in ihrer realen Existenz betroffen, nicht selten auch bedroht. Damit ist der rechtliche Rahmen viel enger zu ziehen. Erschwerend kommt hinzu, dass es die Wahrheit nicht gibt, wie der Begriff des Interpretanten in der Semiotik erklärt. Eine noch einmal andere Qualität hat die "Wahrheit" im Bereich der Wissenschaft. Hier ist in erster Linie die Einordnung in ein geschlossenes System von Definitionen und Beweisen gefordert, die nur vom Fach her beurteilt werden können.

Dieser Beitrag kann nur ein Seiten-Einstieg in die grundlegende Diskussion sein, die an vielen Stellen in der beeindruckenden Organisation des Wikipedia schon geführt wird. Denn man ist sich offensichtlich durchaus klar darüber, das Wikipedia sich zwischen Skylla und Charybdis bewegt, auf der einen Seite bedroht von einem überbordenden Apparat - der leider auch Apparatschiks anzieht -, auf der anderen Seite in seiner ganzen Existenz abhängig von Glaubwürdigkeit und Zuverlässigkeit, ohne die die Nutzer des Internet Wikipedia auch links liegen lassen können und werden.