Benutzer:Schneid9/welcher

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Manche Wikipedia-Autoren legen eine besondere Vorliebe für das altertümliche, schwerfällige Relativpronomen welche(r/s) an den Tag. Es erscheint ihnen offenbar „vornehmer“ und „gehobener“ als das einfache der/die/das, und sie versuchen sich einer Anpassung ihrer Texte an die geläufige Gegenwartssprache zu widersetzen. Die nachstehende Zitatensammlung zeigt, dass ich bei entsprechenden Änderungen nicht nur meiner Privatmeinung folge, sondern einem breiten Konsens von Grammatiken und Stilratgebern (chronologisch geordnet, Fettdruck hinzugefügt):

Anstelle von der, das, die können auch die Relativpronomen welcher, welches, welche gebraucht werden. […] Da diese Relativpronomen schwerfällig und veraltet wirken, werden sie im heutigen Deutsch nur noch selten gebraucht. Manchmal benutzt man sie, um zu vermeiden, daß die Relativpronomen der, das, die mit den gleichlautenden Artikelformen zusammentreffen: (1) Die, welche (für: die) die Spielregeln verletzen, werden bestraft.

Wolf Dietrich Zielinski: ABC der deutschen Nebensätze. Einführung und Übungen. Hueber, München 1981. S. 54.

Auch welcher, welche, welches kann – wie der, die, das – relativisch gebraucht werden […]. Es gilt jedoch als schwerfällig und stilistisch unschön und wird allenfalls gebraucht, um bei einer Häufung von Relativsätzen zu variieren oder um das Zusammentreffen des Relativpronomens der, die, das mit dem Artikel zu vermeiden

Günther Drosdowski (Hrsg.): Duden: Grammatik der deutschen Gegenwartssprache. 5., völlig neu bearbeitete und erweiterte Auflage. Dudenverlag, Mannheim u.a. 1995. S. 340.

Wie der, die, das wird welcher, welche, welches als Relativpronomen gebraucht, und dies auch substantivisch. Allerdings wird es meist als ein wenig gespreizt empfunden und nur da eingesetzt, wo es gilt, zu variieren oder das Aufeinandertreffen von gleichlautendem Relativpronomen und Artikel zu vermeiden

Klaus Mackowiak: Grammatik ohne Grauen. Keine Angst vor richtigem Deutsch! Beck’sche Reihe 1286. Beck, München 1999. S. 61f.

Das Relativpronomen welcher, welche, welches ist veraltet und wird selten gebraucht.

Hilke Dreyer, Richard Schmitt: Lehr- und Übungsbuch der deutschen Grammatik. Neubearbeitung. Hueber, Ismaning 2000. S. 181.

Als Relativpronomen kann auch welcher, welche, welches gebraucht werden. In der geschriebenen Sprache wird es aus stilistischen Gründen verwendet, um bei einer Häufung von Relativsätzen variieren zu können. Es gilt allerdings allgemein als schwerfällig oder gestelzt, so dass die Verwendung dieser Formen im jeweiligen Einzelfall überprüft werden sollte.

Ulrike Pospiech u.a.: Der Schreibtrainer. Wissenschaftliches und berufliches Schreiben. Fachbereich Geisteswissenschaften, Universität Duisburg-Essen, Essen 2006. Abschnitt 6.10.5.2.

Statt der üblichen Relativpronomen ‚der, die, das‘ werden häufig ‚welcher, welche, welches‘ verwendet. Als Fragewörter sind sie zulässig, als Relativpronomen sind sie aber veraltet und sollten vermieden werden.

Lutz und Heike Hering: Technische Berichte – verständlich gliedern, gut gestalten, überzeugend vortragen. 5., überarbeitete und erweiterte Auflage. Vieweg, Wiesbaden 2007. S. 141.

Das Relativpronomen welcher, welche, welches erscheint in gleicher Verwendung wie der, die, das. Es gehört eher der geschriebenen Sprache an; in der Stilistik wird es als schwerfällig angesehen.

Duden: Die Grammatik. Unentbehrlich für richtiges Deutsch. 8., überarbeitete Auflage. Dudenverlag, Mannheim/Zürich 2009. S. 1031.

In der geschriebenen Sprache wird welcher/welche/welches vor allem verwendet, um eine Folge von mehreren gleichklingenden Pronomen- oder Artikelformen zu vermeiden. Die Verwendung des immer ein wenig schwerfällig wirkenden Relativpronomens welcher ist jedoch nicht unbedingt als stilistisch besser zu werten als die Folge mehrerer gleichlautender Wörter. Anstelle von welcher/welche/welches kann also auch hier ebenso gut der/die/das stehen

Sabine Krome (Hrsg.): Wahrig: Richtiges Deutsch leicht gemacht. wissenmedia, Gütersloh/München 2009. S. 431.

Relativpronomen sind der, die, das, welcher, welche, welches und wer und was. Der, die, das kommt am häufigsten vor; welcher, welche, welches wirkt veraltet.

Monika Hoffmann: Deutsch fürs Studium. Grammatik und Rechtschreibung. Schöningh, Paderborn ²2010. S. 28.

Relativsätze werden normalerweise mit der, die, das, dem, den, dessen, deren eingeleitet. Viele Autoren benutzen im Schriftlichen welch-, das aber in vielen Fällen hölzern und übertrieben klingt

Monika Weissgerber: Schreiben in technischen Berufen. Der Ratgeber für Ingenieure und Techniker: Berichte, Dokumentationen, Präsentationen, Fachartikel, Schulungsunterlagen. 2., überarbeitete und erweiterte Auflage. Publicis, Erlangen 2011. S. 128.

Ein anderes Beispiel für gestelzten Sprachgebrauch ist die Neigung, in schriftlichen Arbeiten die Relativpronomen ‚der‘, ‚die‘ und ‚das‘ flächendeckend durch ‚welcher‘, ‚welche‘, ‚welches‘ zu ersetzen, in der irrigen Annahme, dies sei schriftsprachlicher oder einfach stilistisch ‚gehobener‘. Diese verbreitete ‚Marotte‘ führt zu Sätzen wie ‚Der Autor, welchem wir diesen Roman verdanken …‘ oder ‚Die Theorie, welche erstmals 1995 publiziert wurde …‘. Zu Recht meint der Duden Band 9 ‚Richtiges und gutes Deutsch‘ dazu: ‚Das Relativpronomen welcher, welche, welches wirkt im Allgemeinen schwerfällig und sollte gemieden werden.‘

Hans P. Krings u.a.: Der Bremer Schreibcoach. Ratgeber für wissenschaftliches Schreiben im Studium und darüber hinaus. Fachbereich Sprach- und Literaturwissenschaften, Universität Bremen 2012. S. 175.

Übrigens erhöht sich Ihr Stil nicht automatisch um eine Etage, wenn Sie die Relativpronomen die, der, das durch welche, welcher, welches ersetzen. So etwas wirkt peinlich.

Damaris Nübling, Antje Dammel, Mirjam Schmuck: Anleitung zum Verfassen wissenschaftlicher Arbeiten und von Referaten. Deutsches Institut, Universität Mainz o.J. S. 3.

Das Relativpronomen welche ist ein bisschen antiquiert und sollte nur verwendet werden, wenn unmittelbar darauf ein gleichlautendes Demonstrativpronomen folgt (…, die die …)

Roland Schimmel: Juristendeutsch? Ein Buch voll praktischer Übungen für bessere Texte. UTB 5451. Ferdinand Schöningh, Paderborn 2020. S. 118.

Der Hundertjährige, welcher aus dem Fenster stieg.
Klingt […] geschraubt und altmodisch

Sven Hinz: Grundkurs Linguistik. Band I. Klangsignal-Verlag, Freiburg ²2022. S. 112.

Ich spreche von jenen Unbeholfenheiten und Archaismen, welche die Sprache in der Wissenschaft auch prägen.
Das war gerade so eine Form: das Fragepronomen welcher/e/es als Relativpronomen. Ein Demokratieverständnis, welches … – ja, welches denn? Warum nicht ‚ein Demokratieverständnis, das …‘? Mag sein, dass auch hier die ständige Lektüre amerikanischer Forschungsliteratur durchschlägt (‚which‘). Ich vermute aber eher, dass wir hier unreflektierten und seit Generationen im Deutschunterricht weitergeschleppten Stilidealen anhängen, die sich längst überlebt haben. Vielleicht soll diese Ausdrucksweise auch besonders ‚elaboriert‘ wirken. Tatsächlich wirkt sie nur umständlich und gestrig. Welcher als Relativpronomen hat sich vermutlich zur Zeit Martin Luthers nach lateinischem Muster (qui) im Deutschen verbreitet. Und in der Sprache des Reformators und Bibelübersetzers klingt diese alte Form als Botschaft aus alter Zeit ja auch durchaus schön: ‚Denn euch ist heute der Heiland geboren, welcher ist Christus, der Herr, in der Stadt Davids.‘ Das wirkt weihnachtlich vertraut. Aber so können wir doch heute nicht mehr schreiben. ‚Stilistisch unschön‘ und ‚Papierdeutsch‘ vermerkt das Duden-Stilwörterbuch zu den Versuchen, welcher/e/es als Relativpronomen in der Moderne weiterleben zu lassen.

Die Relativpronomen welcher – welche – welches können ebenfalls verwendet werden, klingen in einem Text aber meist etwas holprig.

Claus Gigl u.a.: PONS Schulwissen XXL Deutsch. Der komplette Lernstoff zum Nachschlagen. 5.–10. Klasse. PONS Langenscheidt, Stuttgart 2024. S. 175.

Als „Krönung“ schließlich noch zwei Zitate aus den Jahren 1890 und 1891. Sie belegen, dass welche(r/s) schon damals als unnatürlich empfunden werden konnte:

Auf die Gefahr hin, vom Leser zunächst für toll gehalten zu werden, behaupte ich, daß es mit dem Relativpronomen welcher, welche, welches genau dieselbe Bewandnis habe, wie mit derselbe, dieselbe, dasselbe: es gehört nur dem Papier- und Tintendeutsch, nicht der lebendigen Sprache an, es trägt die Hauptschuld mit an der breiten, schleppenden, langweiligen Ausdrucksweise unsrer heutigen Schriftsprache. […] Soviel ist sicher, daß es zu dem Haufen von Unrat gehört, der aus der Amtssprache stammt und von der unsre ganze heutige Schriftsprache – auch die besten populärwissenschaftlichen Bücher und die gefeiertsten Romane nicht ausgenommen! – durchtränkt ist. Immer getragen, immer feierlich, immer wichtig sich auszudrücken, darauf läufts doch schließlich auch hinaus, so gut wie derselbe.

Anonym (Gustav Wustmann): „Allerhand Sprachdummheiten (Fortsetzung)“. In: Die Grenzboten. Zeitschrift für Politik, Litteratur und Kunst 49 (1890), Heft 9, S. 412–423, hier 420, 423.

Ein Hauptübel unsrer ganzen Relativsatzbildung liegt zunächst nicht im Satzbau, sondern in der massenhaften Verwendung des langweiligen papiernen Relativpronomens welcher, welche, welches. Das Relativpronomen welcher gehört, wie so vieles, ausschließlich der Papiersprache an, und da sein Umfang und seine Schwere in gar keinem Verhältnis zu seiner Aufgabe steht, so trägt es ganz besonders bei zu der breiten, schleppenden Ausdrucksweise unsrer heutigen Schriftsprache. In der ältern Sprache war welcher (swelher) durchaus nicht allgemeines Relativpronomen, sondern nur indefinites Relativ, es bedeutete: wer nur irgend, jeder, der (quisquis); erst seit dem fünfzehnten Jahrhundert ist es allmählich zum gemeinen Relativum herabgesunken. Aber nur in der Schreibsprache, die sich so gern breit und wichtig ausdrücken möchte, zuerst in Übersetzungen aus dem Lateinischen; der lebendigen Sprache ist es immer fremd geblieben und ist es bis auf den heutigen Tag fremd. […] Wer einmal auf dieses Verhältnis zwischen der und welcher aufmerksam geworden oder aufmerksam gemacht worden ist, den verfolgt das welcher förmlich beim Lesen, er sieht es immer gleichsam gesperrt oder fett gedruckt, in wenigen Tagen schon ist es ihm unerträglich geworden; und wenn ers schreiben wollte, käme er sich entweder ganz schulknabenhaft vor, oder er sähe sich sitzen wie einen alten verschleimten Aktuarius mit Vatermördern, Hornbrille und Gänsekiel.

Gustav Wustmann: Allerhand Sprachdummheiten. Kleine deutsche Grammatik des Zweifelhaften, des Falschen und des Häßlichen. Ein Hilfsbuch für alle, die sich öffentlich der deutschen Sprache bedienen. Grunow, Leipzig 1891. S. 145, 147.

Warum gerade ungeübte Schreiber zu solcher „Papiersprache“ neigen, erklärt der Linguist Gerd Antos folgendermaßen:

Um unliebsame[n] Interferenzen zwischen mündlichen und schriftlichen Registern zu entgehen, nehmen sie zu einem Stil Zuflucht, der so weit vom Mündlichen entfernt ist, daß eine Vermischung (bei der Produktion) oder eine Verwechslung (bei der Rezeption) ausgeschlossen scheint: Sie schreiben ‚Papierdeutsch‘! […] Wer als Ungeübter einen mündlichkeitsnahen Stil schriebe, stände wegen der Kontrastarmut der Register in ständiger Gefahr zu schreiben, ‚wie ihm der Schnabel gewachsen‘ ist. […] Um soziale Diskriminierung daher zu vermeiden, kompensieren Schreiber dies durch die ‚Papierdeutsch‘-Strategie: Lieber unter Inkaufnahme von Schwerverständlichkeit stilistische Kontraste verstärken, als durch Interferenzen eine mangelnde schriftsprachliche Kompetenz verraten!

Gerd Antos: Laien-Linguistik. Studien zu Sprach- und Kommunikationsproblemen im Alltag am Beispiel von Sprachratgebern und Kommunikationstrainings. Reihe Germanistische Linguistik 146. Niemeyer, Tübingen 1996. S. 59.