Benutzer:Swarmlost/Demokratische Unternehmen

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In Deutschland gilt seit 2015 die Begrifflichkeit Das demokratische Unternehmen durch eine gleichnamige Konferenz[1][2] als etabliert.[3] Als ursprünglicher Vorläufer des demokratischen Unternehmens gilt das Modell der Genossenschaft. Aber auch aus der 1968er-Studentenbewegung resultiert „die Idee der selbst verwalteten Betriebe“ als Gegenkonzept zu klassisch hierarchischen Unternehmensformen. Die aus dem Marxismus stammende Philosophie dabei war, „dass der Besitz von Kapital und das Einbringen von Arbeitskraft bei den gleichen Personen zusammenfallen.“ Ende der 1970er Jahre stellte Alvin Toffler das Konzept der „flexiblen Firma“ auch hinsichtlich stärkerer Mitarbeiterbeteiligung vor. Seit den 1990ern wird regelmäßig die „Zerstörung der Hierarchie“ in Unternehmen propagiert. Als vielversprechend galten/gelten die Demokratisierungsprozesse ab Ende der 1990er im Rahmen der neuen Ära New Economy.[4] Als positive Erscheinung aus dem demokratischen Wandel in Unternehmen werden üblicherweise schöpferisches Potenzial, also Kreativität und Motivation durch Partizipation angeführt. Probleme aus Demokratisierungsprozessen in Unternehmen werden häufig ausgeblendet.

Probleme[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Mehr Mitbestimmung bedeutet mehr Rechte und nur theoretisch auch mehr Pflichten. Praktisch entsteht in demokratischen Strukturen allerdings ein Ungleichgewicht zwischen Rechten/Pflichten der Einzelnen, also der Großteil strebt nach mehr Rechten ohne entsprechend mehr Pflichten auf sich zu nehmen, es läuft innerhalb unklarer Hierarchiestrukturen üblicherweise also auf Verantwortungsdiffusion unter den Beteiligten hinaus.[5] Reinhard K. Sprenger zufolge droht aus der Struktur des demokratischen Unternehmens „Macht ohne Verantwortung“ und „interne Abstimmungsprozesse binden viel Energie innen“, „man teamsitzt sich zu Tode“,[6] was freilich Entscheidungsprozesse, Reaktionsfähigkeit und damit Mitarbeitermotivation bei betriebswirtschaftlich erhöhtem Aufwand (Kosten) lähmt.

Stefan Kühl weist u. A. auf Politisierungsdilemma in Unternehmen mit flachen Hierarchien hin und Christoph Deutschmann innerhalb von Entwicklungen zu Intrapreneurship auf strukturellen Egoismus.

Kühl erklärt ferner: „Wenn Demokratisierung nicht lediglich ein Ornament auf der Schauseite der Organisation sein soll, dann bedeutet sie den Verzicht auf Hierarchie. Natürlich gilt: Auch die Wahl von Vorgesetzten durch ihre Mitarbeiter führt dazu, dass es eine Hierarchie gibt. Aber diese Hierarchie ist dadurch geschwächt, dass die Vorgesetzten ja jederzeit damit rechnen müssen, von ihren Mitarbeitern wieder abgesetzt zu werden. Das führt zwangsläufig dazu, dass gewählte Hierarchen und Hierarchinnen eine deutlich größere Zurückhaltung dabei zeigen, Erwartungen mit Hinweis auf ihre hierarchischen Weisungsbefugnisse durchzusetzen. Es herrscht die Vorstellung, dass in die Lücke eine verstärkte Steuerung über Verständigung und Vertrauen treten kann. Sicherlich – man darf die Bedeutung von Verständigung und Vertrauen in Organisationen nicht unterschätzen, aber die Steuerungsform, die durch Demokratisierung am stärksten an Bedeutung gewinnt, ist Macht! Das mag überraschen, weil Macht mit Hierarchie in dieser Diskussion häufig gleichgesetzt wird. Wenn die Hierarchie an Bedeutung verliert, dann müssten sich doch – so die Vorstellung – auch die Machtprozesse reduzieren. Wir wissen aber schon aus Studien über demokratische Staaten, dass der umgekehrte Effekt eintritt. Durch die Einführung von Demokratie kommt es in einem Staat nicht zu einer Abnahme, sondern zu einer Zunahme von Machtspielen.“[7]

Kritik am (Vorläufer-)Konzept Matrixorganisation[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

„Für Boltanski und Chiapello entstammt der neue ‚Geist‘, welcher den flexiblen neoliberalen Kapitalismus unserer Tage legitimieren half, der ‚künstlerischen‘ Kritik der Neuen Linken am staatlich organisierten Kapitalismus, die dessen Unternehmenskultur als grauen Konformismus anprangerte. Inspiriert vom Mai ’68 – so Boltanski/Chiapello – propagierten neoliberale Management-Theoretiker einen neuen, ‚konnexionistischen‘ Kapitalismus der ‚Projekte‘, in welchem an die Stelle rigider Organisationshierarchien horizontal operierende Teams und flexible Netzwerke treten sollten, um so die Potentiale individueller Kreativität freizusetzen.“ (Nancy Fraser 2009)[8].

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Einladungsflyer zur Konferenz am 12. Februar 2015, Technische Universität München: Das demokratische Unternehmen. Aufbruch in eine neue Humanisierung der Arbeitswelt? (PDF)
  2. Isabell M. Welpe, Andreas Boes, Thomas Sattelberger: Democratic Organization – Die Initiative zur Humanisierung der Arbeitswelt
  3. Vgl. Peter Laudenbach: Demokratie ist die langsamste Form des Wandels (PDF), S. 1.
  4. Vgl. Stefan Kühl (2015): Wie demokratisch können Unternehmen sein? (PDF), S. 3.
  5. Vgl. Boris Holzer: Rezeption von »The Tyranny of Structurelessness« (PDF; 150 kB). In: Schlüsselwerke der Organisationsforschung (Hg. Stefan Kühl), Wiesbaden 2015, S. 282 f.
  6. Reinhard K. Sprenger (2016): Das demokratische Unternehmen – die Illusion, Ideologie könnte über den Markt siegen
  7. Stefan Kühl (2015): Wie demokratisch können Unternehmen sein? (PDF), S. 6.
  8. Nancy Fraser (2009): Feminismus, Kapitalismus und die List der Geschichte (PDF), S. 9.