Benutzer:Von Brandt/Artikelname

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Nakam = Organisation Rache

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[Auch: Nokmim = he Rächer bzw. DIN = he Urteil, Richtspruch und Akronym für Dam Israel Nokeam = Das Blut Israels wird Rache nehmen (vgl. Tobias und Zinke S. 28)]

  • Gründung, Geschichte, Ziel
  • Mitglieder
  • Tochnit Aleph - Plan A
  • Tochnit Beth - Plan B
  • Individuelle Vergeltung
  • Strafverfahren
  • Ausgewählte Literatur


Gründung, Geschichte, Ziel
Die Organisation Nakam wurde Ende 1944 in Lublin unter Führung von Abba Kovner und Pascha Reichman gegründet (Tobias und Zinke S. 25; Harmatz 1998a:115). Sie bestand im Unterschied zu anderen jüdischen Rächergruppen vornehmlich aus ehemaligen jüdischen Ghetto-Kämpferinnen und -Kämpfern, Partisanen sowie KZ-Überlebenden. Die Organisation umfasste ca. 50 Kämpferinnen und Kämpfer im Alter von 20-25 Jahren und ca. 250 weitere Unterstützerinnen und Unterstützer, die geprägt waren durch den Terror der Shoa und des Untergrundkampfes gegen die Nazis (Tobias und Zinke 15, Cohen S. 190 ff, Elkins S. 169 ff).

Die Organisation verwandte den Namen Nakam (=Rache) und stellte sich damit in die Tradition einer starken jüdischen Partisanen-Einheit, die unter Führung von Abba Kovner unter diesem Namen gegen die Nazis in Litauen kämpfte. Die Nakam-Kämpferinnen und Kämpfer vereinte der bei Kriegsende unter Überlebenden weitverbreitete Wunsch nach Rache. Sie wollten Vergeltung üben für den im Nachkriegs-Europa weitgehend ungesühnten Massenmord an den Juden Europas durch die Deutschen und ihre Verbündeten.

Unterschiedliche Pläne für Massenvergeltung wurden entwickelt und zum Teil umgesetzt, sowie möglicherweise einzelne Nazi-Mörder exekutiert. Während zwei Versuche Massenvergeltung zu üben als weitgehend erforscht gelten (siehe Plan A und Plan B), bleibt es ungeklärt, wann und in welchem Umfang die Nakam-Gruppe individuelle Vergeltung übte. Das im angelsächsischen Bereich weit verbreitete Buch „Forged in Fury“ von Michael Elkins beschreibt zwei Perioden der gezielten Jagd nach Nazis: eine in den letzten Kriegsmonaten und unmittelbar nach dem Krieg; eine zweite beginnend 1952 und bis in die Sechziger-Jahre andauernd (Elkins 257ff). Tobias und Zinke bezweifeln die von Elkins beschriebenen individuellen Liquidationen und auch, dass es zu einer Wiedervereinigung der Nakam-Gruppe in den Fünfziger-Jahren kam (Tobias und Zinke S. 93ff). Auch Harmatz berichtet, dass Abba Kovner in den 1950er-Jahren vergeblich versucht habe, ihn für eine erneute Jagd auf die ungeschoren davon gekommenen Massenmörder zu gewinnen (Harmatz 1998a: 152).


Nakam-Mitglieder
Laut Tobias und Zinke waren neben dem Dichter und Partisanen-Kommandanten Abba Kovner (1918-1987) und Pascha Reichmann (später genannt Yitzak Avidor) folgende Personen Nakam-Mitglieder: Leipke Distel, Joseph Harmatz, Toshia Benslowicz, Michael Dessler, Shimek Lustgarten, Leizer Lidowski, Yitzak Dattner, David Glücksmann, Jaschek Blustowicz, Ruven Schneider, Willek Schwezreich, Idek Friedman, Dina Maroduiki, Mira Schwedka, Bartek Lubranitsky, Manik, Anja, Itka, (alle S. 20, bzw. S. 38); Dov Shenkal (ehemals Bernhard Schenkel S.144), Yitzak Ratner , Dobka Debeltor, Simcha Roten (S. 42-44), Chaim Miller (S. 149), Ollie Giveon (150). Unter anderem laut Cohen hatte auch Vitka Kempner, Kovners Partnerin, eine führende Stellung in Nakam inne (Cohen S. 191).


Tochnit Aleph - Plan A
Die Gruppe Nakam liquidierte nicht nur einzelne Nazis sondern plante auch Massenvergeltung. Ihr Plan A (=Tochnit Aleph) bestand darin, die Wasserversorgung von mehreren deutschen Großstädten und damit Millionen Deutsche zu vergiften (ursprünglich geplant in Hamburg, Frankfurt, Nünberg, München -Tobias und Zinke S. 31):
„Da die Deutschen bei ihren Morden nicht unterschieden haben, sondern alle umbrachten, Männer, Frauen, Säuglinge, Kinder und Greise, durften auch wir keine Unterschiede machen. Bei unserer Aktion handelte es sich um eine historische Vergeltungsaktion“ (Harmatz, zitiert nach Tobias und Zinke S. 26)
„Die Juden schrieben mit Blut an die Wände der Gaskammern: Rächt uns! Es ist die Pflicht von uns Übriggebliebenen, diese Rache durchzuführen. … Wir müssen der Welt zeigen, dass niemand so viel Blut vergießen kann, ohne dafür entsprechend zu zahlen. Deshalb muss die Rache dieselbe Dimension wie der Nazi-Massenmord haben“ (Abba Kovner 1945 in Bukarest, zitiert nach Tobias und Zinke, S. 26)
Obwohl die Vorbereitungen schon weit entwickelt waren und Nakam-Mitglieder u.a. bereits als Angestellte in den Wasserwerken von Hamburg und Nürnberg arbeiteten, wurde der Plan letztlich vereitelt:
Als Abba Kovner im August 1945 nach Palästina reiste, um das Gift zu beschaffen und die moralische Unterstützung durch die jüdische Führung in Palästina zu erhalten, wurde er auf der Rückreise verhaftet. Denn obwohl die oberste Haganah-Führung zunächst Kovner half das Gift zu beschaffen, war sie es wohl auch, die ihn letztlich durch die Briten auf der Rückreise nach Europa verhaften- und für ein halbes Jahr einsperren ließ. Damit war Plan A der Massenvergeltung endgültig gescheitert, welcher auch vorher schon durch maßgebliche Kräfte in Palästina als den jüdischen Interessen –der Errichtung des eigenen Staates- zuwiderlaufend kritisiert wurde (vgl. Tobias und Zinke S. 31-41, Harmatz 1998a:138).


Tochnit Beth - Plan B
Plan B der Massenvergeltung bestand daraus, Tausende SS-Angehörige in den Gefangenenlagern in Nürnberg und Dachau zu vergiften. Während die Dachau-Aktion im letzten Moment von dem Nakam-Kommandanten Pascha Reichman gestoppt wurde, (er vermutete, dass die Amerikaner Hinweise erhalten hatten), wurde der Plan in Nürnberg ausgeführt: Ein Nakam-Kommando unter Führung von Leipke Diestel bestrich in der Konsum-Genossenschaftsbäckerei 3.000 Brote für die 12-15.000 SS-Häftlinge mit Arsen. Doch auch hier half die Haganah nicht nur bei der Beschaffung des Giftes, ihr Gewährsmann innerhalb der Nakam-Gruppe Dov Shenkal sorgte auch dafür, dass es so verdünnt wurde, dass es nur zu 2.200 Erkrankungen - wohl aber keinen Toten führte (Tobias und Zinke, S. 11-20 und S. 42-50).


Individuelle Vergeltung
Elkins behauptet , die Nokmim hätten eine ganze Reihe von Nazis gezielt liquidiert (u.a. Elkins S. 183-187, 192-194). So seien schon Mitte 1945 140 sogenannte Werwölfe und der SS-Mann Erwin Weinmann durch 11 Nakam-Rächer bei einer geheimen Zusammenkunft in der Nähe von Ulm exekutiert worden (Elkins S. 174ff). Im Nachgang zu dieser Exekution soll von Nakam-Kommandos auch SS Obersturmführer Hubert Schwartz und Dr. Ernst Wetzel liquidiert worden sein (Elkins S. 177). Zahlreiche weitere Exekutionen werden von Elkins genannt, die aber nicht alle der historischen Überprüfung standhalten. Möglicherweise durch Rächer getötete Nazis: Einsatzgruppenkommandeur Karl Jäger (laut Wikipedia erhängte dieser sich in U-Haft 1959), Krooger, Heinrich Seetzen (laut Wikipedia Selbstmord nach Verhaftung durch brit. Militärpolizei), Bruno Müller, Alois Persterer (laut Wikipedia 1945 in Salzburg unter ungeklärten Umständen getötet). Nach einer angeblichen Wiedervereinigung der Nakam-Gruppe 1952 sollen laut Elkins weitere Nazis liquidiert worden sein, wobei die Tötungen auch hier oft als Unfälle oder Selbstmorde getarnt worden seien (Elkins 257ff): u.a. Otto Abetz (im AA verantwortlich für die Deportation von Juden aus Frankreich - laut Wikipedia 1958 bei einem Verkehrsunfall verunglückt -vgl. auch Tobias und Zinke 96); Theodor Danneker (Mitarbeiter des Judenrefereats, laut Enzyklopädie Holocausts brachten sich TD schon 1945 im US-Gefangenenlager Bad Tölz um, vgl. Tobias und Zinke S. 96); Odilo Globcnik (Hauptverantwortlicher für die Ermordung der Juden im Generalgovernement Polen, laut der Enzyklopädie Holocausts beging OG 1945 in britischer Gefangenschaft Selbstmord, vgl. Tobias und Zinke S. 96); Hans Grotner 1953 und Laak 1960 in Winnipeg, Canada. Auch seien bei der Jagd auf Adolf Eichmann Nakam-Kommandos beteiligt gewesen und verschiedene Nokmim bei der Jagd auf Nazis umgekommen.


Strafverfahren
Als Ende des 20. Jahrhunderts verstärkt Berichte über die Nokmim publiziert wurden, nahm die Staatsanwalt-schaft beim Oberlandesgericht Nürnberg 1999 ein Ermittlungsverfahren gegen die Rächer Joseph Harmatz und Leipke Distel wegen versuchten Mordes auf. Dieses Verfahren wurde am 8. Mai 2000 wegen „Verjährung auf-grund außergewöhnlicher Umstände“ eingestellt (Tobias und Zinke S.139).


Literatur
Jim G. Tobias und Peter Zinke, 2003. Nakam. Berlin: Aufbau Tb Verlag Rich Cohen, 2002. Nachtmarsch. FaM (In diesem Artikel wird zitiert nach der engl. Ausgabe: Rich Cohen, 2000. The Avengers. London: Vintage) Eike Geisel, 1995. Ende der Schonzeit. KONKRET Mai 1995 Raul Hilberg, 1982. Die Vernichtung der europäischen Juden. Westberlin

Englische Literatur:
David Cohen, 2006. Transition Justice in Divided Germany After 1945, in: Jon Elster (Hg.), 2006. Retribution and Reparation in the Transition to Democracy. Cambridge: CUP Michael Elkins, 1971. Forged in Fury. A True Story of Courage, Horror and Revenge. London: Judy Piatkus Publishers Joseph Harmatz, 1998b. Interview, im OBSERVER. 15. März 1998, London. Joseph Harmatz, 1998a. From the Wings. A Long Journey: 1940-1960. Sussex: The Book Guild Ltd. Raul Hilberg, 1961. The Destruction of the European Jews. Chicago Bar-Zohar, 1968. The Avengers, London.

Facts-based Fiction:
Sam Bourne, 2010. Tag der Abrechnung. Scherz Verlag (gut recherchierter Krimi eines Guardian-Journalisten unter seinem Pseudonym. Engl. Originaltitel: The Final Reckoning).

Film (Auswahl)

  • Aufgezählter Listeneintrag

David Setton, 1996. Revenge. BBC Documentary, Israel/UK SPIEGEL TV 1996,