Benutzerin:ATheise/Swinebad

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Zur Navigation springen Zur Suche springen
Titelblatt “Swinemünder Bade-Anzeiger.” 6. Juni 1910

Der Swinemünder Bade-Anzeiger  informierte in seinen zwei- bis sechsmal wöchentlich erschienenen Ausgaben die Kurgäste im damaligen drittgrößten deutschen Ostseebad (Kaiserbad seit 1824) auf Usedom darüber, welche bedeutenden Familien und Persönlichkeiten in den Hotels und mondänen Villen während der Badesaison von Juni bis September zu Gast waren. Auf den ersten ein bis drei Seiten des Anzeigers ist immer das „Verzeichnis der ankommenden Fremden“ (enthält zwischen ca. 1.000 Einträgen, z.B. Jg. 1910, und ca. 200 Einträgen, z.B. Jg. 1922, pro Ausgabe) abgedruckt. Das ist eine Tabelle, die „Name und Stand“ der Kurgäste auflistet, deren „Wohnort“ und die „Wohnung“ in Swinemünde (heute: Świnoujście). In den Sommermonaten erschien der Badeanzeiger sogar täglich.[1]

Kur- und Badelisten bzw. Fremdenlisten wie der Swinemünder Badeanzeiger gibt es für verschiedene deutsche Kurorte in gedruckter Form bereits seit dem 17. Jahrhundert. Vermutlich wurden zuvor schon handschriftliche Listen geführt und verbreitet.[2]. Das Interesse an Personen- und Lokaldaten aus den Badesaisons Swinemündes, eines der bedeutendsten deutschen Ostseebäder des 19. bis zur ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts mit seiner wechselvollen deutsch-polnischen Geschichte insbesondere im 20. Jahrhundert, dürfte sowohl auf wissenschaftliches als auch öffentliches Interesse stoßen. 1910 wurden ca. 14.000, 1913 über 40.000 Badegäste, 1938 über 435.000. Gästeübernachtungen verzeichnet. Von Anfang an stammte etwa die Hälfte der Badegäste aus Berlin.[3]

Hinter den Personennamen verbergen sich zum Teil hochinteressante Persönlichkeiten und Familien, die wirtschafts-, gesellschafts-, sozial- und kulturpolitisch zu jenen Zeiten eine wichtige Rolle spielten. Das soziale Kommunikationsmedium des Badeanzeigers bildet Netzwerke dieser Persönlichkeiten ab, insgesamt aber auch politische, soziale, künstlerische oder religiöse Communities. Neben dem Kaiser und seinen Gefolgsleuten war Swinemünde beliebtes Reiseziel für die Literaten Theodor Fontane (der einen Teil seiner Kindheit dort verbrachte und immer wieder kehrte), Maxim Gorki, Leo Tolstoi und die Mann-Brüder.

Stichprobenartige Recherchen in den Ausgaben des Swinemünder Badeanzeigers aus dem Jahr 1910 haben erste Personendaten und das Auffinden von Nachfahren und weiterführendem Quellenmaterial ergeben, die den historischen Namenstabellen quasi eine Lebendigkeit geben, so dass diese Basis und Ausgangspunkt für weitere Forschungen sein können. Dazu gehört z.B. die Familiengeschichte der Berliner Fabrikbesitzerfamilie Hetschingk und Werner mit einem weiterführenden Blick auf die Rolle der Frauen. Außerdem regen die Nachforschungen zu sozialen Netzwerken (wer ist mit wem in welchem Hotel abgestiegen etc.) und zur Veränderung der Badegesellschaften auch Fragen zu Auswirkungen des in dieser Zeit wachsenden Bäder-Antisemitismus sowie des Ersten Weltkrieges und der Wirtschaftskrisen aufkommen.


  1. In der "Digitalen Bibliothek Mecklenburg-Vorpommern" liegen 4.227 Scans des Badeanzeigers aus den Jahren 1910-1932.
  2. vgl. Kurlisten im Museum im Schloss Bad Pyrmont
  3. Dies wurde durch eine erste Datenextraktion während des von der UB Rostock in Kooperation mit der UB Greifswald und dem [IuK-Wissenschaftsverbunds] der Universität Rostock organisierten Rostocker Kulturhackathons [Code Expedition] bestätigt.