Benutzerin:JakobVoss/Wikipedia als soziales System

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Versionsgeschichte des Ursprungsartikel siehe http://meta.wikimedia.org/w/index.php?title=Artikel_Open_Innovations&oldid=350477


Wikipedia als offenes Wissenssystem[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Zusammenfassung: Der vorliegende Artikel behandelt die Online-Enzyklopädie Wikipedia. Nach einer kurzen Darstellung des Wiki-Prinzips und der wesentlichen Charakteristika wird erklärt, wie es mit einem offenen System gelingen kann, gemeinsam erfolgreich Wissen aufzubereiten. Anschließend wird die anhaltende Verbreitung des Prinzip der Kollaboration in anderen Bereichen aufgezeigt und dargelegt, wie sich die gesamte Wissenschaft darauf aufbauend weiterentwickeln kann.

Der Artikel ist eine überarbeitete und erweiterte Version des Artikels Wikipedia - kreative Anarchie für den freien Informations- und Wissensaustausch, der bereits im Sammelband Die wunderbare Wissensvermehrung (Heise-Verlag, 2006) erschienen ist. Der Text steht unter den Bedingungen der GNU-Lizenz für Freie Dokumentation und der Creative-Commons Lizenz CC-BY-SA zur Verfügung.

Sammlung des Wissens[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

„Imagine a world in which every single person on the planet is given free access to the sum of all human knowledge. That's what we're doing.“ Jimmy Wales in einem Interview auf slashdot vom 28.7.2004 http://interviews.slashdot.org/interviews/04/07/28/1351230.shtml?tid=146&tid=95&tid=11

Jimmy Wales, der Gründer der Wikipedia, ist nicht der erste, der die Idee hatte, das Wissen der Welt zusammen zu tragen; er steht damit in einer sehr langen Tradition. Zu nennen sind hier allgemein die Tradition der Bewahrung und Weitergabe des Wissens durch Bibliotheken und Universitäten und seine Formulierung und Ordnung in Nachschlagewerken, wie der Encyclopédie. Auch diese hatten den Anspruch das Wissen zu sammeln:

„... damit die Arbeit der vergangenen Jahrhunderte nicht nutzlos für die kommenden Jahrhunderte gewesen sei; damit unsere Enkel nicht nur gebildeter, sondern gleichzeitig auch tugendhafter und glücklicher werden, und damit wir nicht sterben, ohne uns um die Menschheit verdient gemacht zu haben.“

so Denis Diderot im Vorwort zu dem wegweisenden Nachschlagewerk der französischen Aufklärung (Diderot, 1969:79).[1] Während dieses Werk allerdings nur einem kleinen Teil der Bevölkerung zugänglich war, scheint eine umfassende und vor allem für alle frei zugängliche Wissenssammlung mit dem Internet in den Bereich des Möglichen gerückt. Einer der Versuche, eine solche Internet-Enzyklopädie zu erstellen war das 2000 gegründete Nupedia-Projekt. In der Nupedia sollten Wissenschaftler freiwillig Artikel erstellen, deren Qualität in einem aufwändigen Peer-Review-Prozess sichergestellt werden sollte. Die Nupedia entwickelte sich jedoch nur sehr schleppend. Gleichzeitig verbreitete sich im Internet eine völlig neuartige Software, die das Projekt in eine völlig neue Richtung bewegen sollte. Das Wiki.

Das Wiki-Prinzip[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Das erste Wiki wurde 1995 als einfaches Werkzeug zum Wissensmanagement entwickelt und in Anspielung auf das World Wide Web (WWW) und die hawaiianische Bezeichnung „wiki wiki“ für „schnell“ von seinem Erfinder Ward Cunningham das WikiWikiWeb genannt (Cunningham und Leuf, 2001).[2] Am 16. März 1995 teilte er einem gewissen Steve in einer Email mit:

„Steve - ich habe eine neue Datenbank auf meinem Web-Server installiert und bitte Dich, mal einen Blick darauf zu werfen. Es ist ein Web von Menschen, Projekten und Mustern, auf das man über ein cgi-bin-Skript zugreifen kann. Es bietet die Möglichkeit, ohne HTML-Kenntnisse mit Formularen Text zu editieren. Es wäre schön, wenn Du mitmachen oder wenigstens Deinen Namen in der Liste der RecentVisitors eintragen könntest. Die URL ist http://c2.com/cgi-bin/wiki - danke schön und beste Grüße.“ (Siehe http://c2.com/wiki/mail-history.txt. Übersetzung von Erik Möller)

Das WikiWikiWeb wuchs erfolgreich und das Wiki-Prinzip wurde bald von Anderen aufgegriffen. Allgemein sind Wikis Webseiten, die nicht zwischen Schreib- und Lesezugriff differenzieren: Wer sie lesen kann, der darf auch Seiten bearbeiten und anlegen. Dazu enthält jede Seite eines Wikis einen Link, durch den ein Textfenster geöffnet wird, in dem sich der Inhalt der Seite bearbeiten lässt. Dies geschieht in einer vereinfachten Syntax, die es auch ohne Kenntnisse von HTML erlaubt, Formatierungen und Links zu anderen Seiten des Wikis oder ins Internet anzulegen. Alle Bearbeitungsschritte werden gespeichert, so dass jede Änderung nachvollzogen werden kann. Anstatt Änderungen und Neueinträge zunächst von einem Herausgeber oder Experten begutachten zu lassen findet die Kontrolle in Form von Kommentaren und weiteren Änderungen im Nachhinein statt.

Durch das Prinzip, die Bearbeitung und Verlinkung von einzelnen Seiten so einfach wie möglich zu machen, eignen sich Wikis hervorragend, um in Gruppen semistrukturierte Text- und Wissenssammlungen zu erarbeiten. Während kleine, oft auch nur in Intranets zugängliche Wikis beispielsweise zur Dokumentation und Projektplanung eingesetzt werden, wächst auch die Zahl von öffentlichen Wikis, in denen sich Communities austauschen und gemeinsam Informationen zu einem bestimmten Thema sammeln (Guy, 2006).[3] Im Gegensatz beispielsweise zu Mailinglisten und Weblogs artet die Diskussion in einem Wiki weniger leicht in Beliebigkeit aus; stattdessen ist immer direkt ein aktueller Stand sichtbar. Deutlich wird dies in dem wohl bekanntesten Wiki, der Wikipedia, wo jeder Artikel immer mölichst den aktuellen Stand der Wissenschaft zu einem Thema darstellen soll.

Wie Wikipedia funktioniert[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die Wikipedia ist ein eher zufälliges Kind ihres Vorläuferprojektes, der Nupedia. In diesem, ebenfalls der GNU-Lizenz für Freie Dokumentation (GFDL) stehende Projekt sollte eine freie Enzyklopädie zwar im Internet aber doch auf herkömmliche Weise geschaffen werden: durch anerkannte wissenschaftliche Experten. Aufgrund der hohen Einstiegshürde für die Mitarbeit an Nupedia, gab es die Idee das schon damals unter durch einen offeneren Bereich zu ergänzen. Nachdem sie Anfang Januar auf das Wiki-Konzept gestossen worden waren, erweiterten Jimbo Wales und Larry Sanger, der damalige Chefeditor von Nupedia und Angesteller von Bomis Inc., die Nupedia um ein Wiki und riefen somit am 15. Januar 2001 die Wikipedia ins Leben.

Wikipedia entwickelte sich bald ungleich besser als die Nupedia selbst: bereits nach einem Monat konnten mehr als 1000 und Anfang September 2001 mehr als 10.000 Artikel verzeichnet werden. Im September 2004 überschritt das Projekt insgesamt die Millionen-Artikel-Marke und wächst beständig. Eine weltweite Community von mehreren Tausend Freiwilligen arbeitet gemeinsam daran, das „Wissen der Welt“ zu sammeln und frei verfügbar zu machen. Innerhalb von vier Jahren ist die Wikipedia zu einer der 100 populärsten Webseiten weltweit angewachsen (laut Seitenstatistik von http://www.alexa.com). Die häufige Berichterstattung über das Projekt trägt zu einem weiteren Wachstum bei, so dass die Anzahl an Autoren und Artikeln zu weiten Teilen exponentiell zunimmt.

Alle Artikel der Wikipedia werden in einem Wiki verwaltet, das auf Servern der Wikimedia-Foundation, einer Stiftung nach US-amerikanischem Recht, gehostet wird. Die Stiftung wird allein mit Hilfe von Spendengeldern und der Arbeit von Tausenden Freiwilligen auf der ganzen Erde betrieben. Ursprünglich als englischsprachiges Projekt gegründet, existieren inzwischen Ableger in mehr als 200 Sprachen. Die deutschsprachige Wikipedia ist nach der englischen mit etwa einer halben Millionen Artikeln die umfangreichste.

Für die Wikipedia wurde anfänglich die Wiki-Software UseModWiki von Clifford Adams verwendet und später durch ein von Magnus Manske eigens für die Wikipedia entwickeltes Programm ersetzt. Inzwischen ist die Wikipedia das mit Abstand größte Wiki. Ihre Software „MediaWiki“ wird von einem Team von Entwicklern als freie Software weiterentwickelt und auch von anderen Projekten genutzt (Zur Einrichtung von Wikis mit MediaWiki siehe Ebersbach, 2005 und Lange, 2006).[4][5]

Geregelte Anarchie[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Im Gegensatz zur klassischen Aufklärung, bei der Vernunft und Objektivität die alleinigen Maßstäbe bilden, gibt es in der Wikipedia als einzig feste Regel den so genannten Neutralen Standpunkt (auch NPOV für „Neutral Point of View“). Der neutrale Standpunkt besagt, dass ein Artikel alle wesentlichen Sichtweisen enthalten soll. Dies schließt auch Positionen ein, die nicht dem „Stand der Wissenschaft“ entsprechen oder kontrovers sind. Die verschiedenen Sichtweisen sollten von einem neutralen Standpunkt aus dargestellt und ihren Anhängern zugeschrieben werden - es dürfen also keine eigenen Wertungen vorgenommen werden. In diesem Punkt unterscheidet sich die Wikipedia wesentlich von anderen Enzyklopädien. Der Anspruch von Neutralität führt jedoch oft auch zu Problemen - insbesondere bei politischen Themen und bei Themen der Pseudowissenschaften; Aber auch bei so allgemeinen Begriffen wie bspw. „Information“ ist es nicht leicht, sich zu einigen. Diese Vorgehensweise ist allerdings nicht grundsätzlich anders als in der Wissenschaft und der durch die Versionsgeschichte offenliegende Bearbeitungsprozess weisst Parallelen zum wissenschaftlichen Diskurs auf.

Neben dem Neutralen Standpunkt und dem Anspruch, eine freie Enzyklopädie zu erstellen, gibt es grundsätzlich keine festen Regeln in der Wikipedia. Dennoch haben sich mit der Zeit einige allgemein akzeptierten Verfahrensweisen herauskristallisiert. Wenn sie verschriftlicht werden, dann eher um den vermuteten Konsens innerhalb der Community darzustellen und Anhaltspunkte für neue Teilnehmer zu geben, als um als Gesetzes- oder Regelwerk zu dienen. Da Wikis dem Nutzer viele Rechte zum Verändern der Inhalte geben, würden sich diese Regeln nicht durchsetzen lassen, wenn sie von einer Mehrheit abgelehnt würden. Unter http://de.wikipedia.org/wiki/Wikipedia:Richtlinien gibt es eine Auflistung solcher Richtlinien. Als Grundprinzipien werden genannt:

  • Der Neutrale Standpunkt
  • Halte dich an geltendes Recht - insbesondere das Urheberrecht
  • Wikipedia ist eine Enzyklopädie
  • Respektiere die anderen Benutzer („Wikiquette“)

Gleichzeitig gibt es allerdings den Hinweis „Ignoriere alle Regeln!“. Dies bedeutet nicht, dass Regeln gebrochen werden sollen, sondern dass man nicht alle Richtlinien auswendig gelernt haben muss, um an der Wikipedia mitzuarbeiten. Die Regeln sollten im Idealfall so beschaffen sein, dass man als vernünftig handelnder Mensch - auch ohne sie im einzelnen zu kennen - nicht mit ihnen in Konflikt kommt. Bei Bedarf können die verschiedenen Richtlinien, wie beispielsweise Stilvorlagen zur einheitlichen Formatierung, jederzeit diskutiert und geändert werden.

Neue Wege der Texterstellung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

„Wie ihr seht, kann ich hier einfach so eure Seite bearbeiten. Achtung: ich mach das nur, um euch auf eure Sicherheitslücke hinzuweisen.“ (aus einer Email an info@wikipedia.de)

Völlig neu ist der Ansatz, dass man andere, einem meist völlig unbekannte Personen, an seinen Texten mitschreiben lässt, womit letztlich das klassische Konzept der Autorenschaft an einem Text aufgeweicht wird und die Trennung zwischen Rezipent und Produzent verschwindet. Dieses Prinzip wirkt auf Menschen, die zum ersten mal auf die Wikipedia treffen, oft befremdlich, wie das Zitat zeigt.

Der Erfolg der Wikipedia ist nicht nur durch ihre Inhalte bedingt, sondern lässt sich auch dadurch erklären, dass sich unter den Beteiligten sehr schnell eine große Community gebildet hat. Über Mittel wie die Versionsgeschichten und die Diskussionsseiten bekommt man schnell mit, wer an bestimmten Artikeln arbeitet und erhält dadurch Kontakt zu Autoren mit ähnlichen Interessen. Durch die intensive Zusammenarbeit und das gemeinsame Ziel, eine möglichst gute Enzyklopädie im Rahmen des Neutralen Standpunkts zu erstellen, wird ein Zusammengehörigkeitsgefühl hergestellt. Da die große Mehrzahl der Teilnehmer konstruktiv mitarbeitet, werden mutwillige Entstellungen von Artikeln („Vandalismus“) in der Regel schnell wieder entfernt. Dieser Selbstheilungprozess ist jedoch nicht so zu verstehen, dass den normalen Autoren eine Gruppe von Korrektoren gegenüber steht - stattdessen sorgt jeder mit in dem ihn interessierenden Bereich für eine Verbesserung der Artikel. Abgesehen von offensichtlichem Unsinn, der sich schnell aufdecken lässt, hängt es von den Beteiligten ab, wie schnell Fehler aufgedeckt und Artikel ausgebaut werden.

Unter den Autoren bilden sich nicht nur Arbeitsgemeinschaften um WikiProjekte und Portale, sondern es findet auch häufig eine Spezialisierung statt. So kontrollieren einige Nutzer Texte auf Rechtschreibung, andere stellen sicher, dass die Artikel vernünftig mit anderen verlinkt sind und wieder andere ordnen die Artikel in die verschiedenen Kategorien ein. Viele Autoren beginnen mit solch kleinen Änderungen und entdecken auf diese Weise wie einfach es ist, sich produktiv zu beteiligen.

Im Laufe der Zeit haben sich viele Mechanismen herausgebildet, mit deren Hilfe die Gemeinschaft versucht, die Entwicklung der Artikel zu beobachten und zu steuern. In so genannten „WikiProjekten“ organisieren Autoren einzelner Themenbereiche ihre Zusammenarbeit. Hier werden grundsätzliche Diskussionen, bspw. zum Aufbau von Artikeln oder zur Strukturierung einzelner Gebiete geführt. Wenn auch ungleich offener und weniger verbindlich lassen sich diese Arbeitsgruppen teilweise durchaus mit einzelnen Fachcommunities oder Redaktionen wissenschaftlicher Zeitschriften vergleichen. Ergänzt werden viele WikiProjekte durch so genannte WikiPortale, die einerseits einen nach unterschiedlichen Kriterien gegliederten Einstieg in verschiedene Themenbereiche bieten, andererseits aber auch Hilfestellung für die aktive Teilnahme am Projekt geben.

Zunehmend an Bedeutung gewinnt der Prozess der Auswahl so genannter „exzellenter Artikel“. Hält ein Teilnehmer einen Artikel für exzellent, so kann er ihn auf einer dafür vorgesehenen Seite eintragen und damit die übrigen Teilnehmer zu Kommentaren auffordern. Diese legen daraufhin dar, ob auch sie den Artikel für exzellent halten, bzw. aus welchen Gründen sie dies nicht tun, und machen ggf. Vorschläge zur Verbesserung. Bildet sich nach etwa 20 Tagen ein Konsens unter den Kommentierenden heraus, so wird der Artikel in die Reihe der Exzellenten aufgenommen. Die Anforderungen an einen Artikel, der das Prädikat der Exzellenz erhalten soll, sind seit Einführung dieses Auswahlprozesses stetig gestiegen. Ende 2006 werden in der deutschsprachigen Wikipedia knapp 1.000 Artikel als „exzellent“ geführt, durchschnittlich kommen pro Monat etwa 25 Artikel hinzu. Mit Auslobungen von Preisen können Anreize und Belohnungen für gute Artikel geschaffen werden - Hauptmotivation ist jedoch in der Regel die Motivation, gemeinsam etwas Gutes geschafft zu haben.

Ursachen für den Erfolg[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die Erstellung freier Inhalte mit einem Wiki weist viele Gemeinsamkeiten mit der Entwicklung von Open Source Software auf, deren bekanntestes Projekt das Betriebssystem Linux ist. Eric S. Raymond beschreibt in seinem einflussreichen Essay The Cathedral and the Bazaar die Gründe für den Erfolg des Open-Source- Modells (Raymond, 1999).[6] Viele davon lassen sich auf die gemeinsame Erstellung freier Inhalte übertragen. Frei nach Raymond können folgende Ursachen und Regeln für die Erstellung freier Inhalte festgestellt werden:

1. Jeder guter Text beginnt mit der Motivation eines Autors.

2. Gute Autoren wissen, welche Texte sie neu schreiben sollen. Großartige Autoren wissen, welche Texte sie umschreiben (und recyclen) können.

3. Die Leser als Mitschreiber zu sehen ist der Weg zur schnellen Verbesserung und Fehlerbehebung, der die geringsten Umstände macht.

4. Das zweitbeste nach eigenen guten Ideen ist das Erkennen von guten Ideen von Anderen. Manchmal ist letzteres sogar das bessere.

5. Früh publizieren. Oft überarbeiten. Seinen Kritikern zuhören.

Als weitere Regeln, die nicht nur in Wikis, sondern in jedem hochgradig kollaborativen freien Projekt zu beachten sind:

6. Transparenz schaffen!

Transparenz ist wichtig für die Offenheit des Projekts. Sie schafft Vertrauen, erleichert die Einarbeitung von neuen Mitarbeitern und sorgt dafür, dass offene Aufgaben und Probleme leichter gefunden und bearbeitet werden. Ein wesentlicher Teil der Arbeit besteht deshalb in der Dokumentation, Begründung und Zusammenfassung von Vorschlägen und Entscheidungen.

7. Organisches Wachstum fördern, Hierarchien wachsen von alleine

Entscheidungsstrukturen und Verantwortlichkeiten lassen sich in einer offenen Gemeinschaft von Freiwilligen nicht von oben festlegen, sondern bilden sich mit der Zeit heraus und können sich schnell ändern.

8. Möglichkeiten schaffen, Reputation zu sammeln

Die Nennung von Autoren dient ist ein wichtiges Zeichen der Anerkennung und Motivation. Über seine Beiträge kann sich jeder der Beteiligten innerhalb der Gemeinschaft Anerkennung und Vertrauen erarbeiten. Dabei zählt nicht, was jemand ist und welche formalen Qualifikationen er vorzuweisen hat, sondern was er zum Projekt beiträgt.

Eine Idee setzt sich durch[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Der Erfolg der Wikipedia hat auch dazu beigetragen, die Anwendung von Wikis weiter zu verbreiten. Inzwischen gibt es viele verschiedene Projekte, die das Wiki für sich entdeckt haben; von Fanprojekten wie so zum Beispiel Fan-Enzyklopädien wie der Perrypedia [1], in der alles über das fiktive Perry-Rhodan-Universum zu finden ist, über http://wikipes.com/, einem Kochbuch auf Wikibasis, bis zur Anwendung von Wikis im Projekt- und Wissensmanagement in Unternehmen.

Während in anderen IT-Systemen eine Benutzerverwaltung mit restriktiven Rechten die Mitarbeit oft hemmt, haben in einem Wiki die Nutzer so viele Rechte wie möglich. Diese Idee findet auch in anderen Gebieten unter dem Begriff „Soziale Software“ Anwendung - zum Beispiel in der gemeinsamen Verwaltung von Bookmarks. In einem Social Tagging-System (Hammond, Hannay, Lund, Scott 2005 und Guy, Tonkin 2006)[7] wie beispielsweise bei http://del.icio.us können die persönlichen Lesezeichen öffentlich abgespeichert und mit Schlagworten versehen werden. Wie man diese vergibt ist jedem völlig frei gestellt. Auch hier funktioniert das System durch Selbstregulierung. Den nächsten Schritt dieser Entwicklung bilden unter anderem Dienste, die es Wissenschaftlern erlauben ihre Bibliothek gemeinsam zu verwalten. Bei http://de.citeulike.org und http://www.bibsonomy.org können Teilnehmer ihre bibliographischen Angaben speichern, mit Schlagworten versehen und frei zur Verfügung stellen. Mit Angeboten wie http://diigo.com können Notizen und Anmerkungen zu Webseiten geteilt werden. Gleichzeitig ist es möglich, sich in virtuellen Forschungsgruppen zu organisieren. Möglicherweise werden sich in Zukunft öffentliche und private Informationssammlungen, nach ähnlichen Prinzipien anreichern lassen und auf die konstruktive Zusammenarbeit einer Community bauen.[8][9]

Weiterentwicklung der Wissenschaft[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Während in der institutionellen Wissenschaft der Austausch zum einen öffentlich in durch Fachkollegen begutachteten Publikation und zum anderen nicht-öffentlich in fachlichen Gesprächen stattfindet, gibt es in Wikipedia eine solche Trennung nicht. Alle Beiträge erscheinen direkt im System und sind für andere referenzierbar. Lediglich eine Trennung zwischen dem Artikel und der Diskussion über den Artikel ist durch die Diskussionsseiten gegeben, die zu jedem Artikel existieren. Herkömmliche Fachpublikationen haben jedoch den Nachteil, dass sie sehr langsam sind. Von der Einreichung bis zur Veröffentlichung eines Fachartikels vergehen nicht selten mehrere Monate. Hinzu kommt die so genannte Zeitschriftenkrise, durch deren Kostendruck viele Zeitschriften nicht mehr zur Verfügung stehen und so auch nicht rezipiert werden können.

Antworten auf die Probleme des herkömmlichen Publikationswesens sind elektronische Publikationen und Open Access. Es ist jedoch unsicher, ob diese Methoden angesichts der exponentiell steigenden Menge an Wissens ausreichend sind. Weiter gehen offene Peer-Review-Verfahren und fachliche Weblogs.[10] In Ihnen können öffentlich Anmerkungen und Kommentare abgegeben werden, worauf wiederum andere antworten können – sozusagen als Marginalien des elektronischen Zeitalters.[11] Die Offenheit des Systems sorgt nebenbei dafür, dass Fälschungen und Plagiate, die im Wissenschaftsbetrieb eher unter den Teppich gekehrt werden, leichter aufgedeckt werden können.

Noch weiter gehen Wikis, bei denen nicht nur der Begutachtungsprozess und das Kommentieren offen liegen. Statt in jeder Publikation von neuem den Stand der Forschung zusammenzufassen, gibt es einen gemeinsamen Text, in den neue Erkenntnisse eingearbeitet werden können. Neben Wikipedia als allgemeine Enzyklopädie ist hier Platz für fachbezogene Wikis in einzelnen Disziplinen, wie zum Beispiel in der Genforschung.[12]

Das Prinzip der Wikipedia für die wissenschaftliche Kommunikation zu nutzen ist bereits von verschiedener Seite vorgeschlagen worden[13]

Gleichzeitig erkennen Bibliotheken, dass das reine Sammeln und Bewahren nicht mehr ausreicht und sie den gesamten Publikationsprozeß unterstützen müssen. So wird es in Zukunft eine mögliche Aufgaben von Bibliotheken sein, die nötige Infrastrucktur wie Forschungswikis und Forschungsweblogs bereitzustellen.[14] Bibliotheken haben diesen Trend bereits erkannt uns diskutieren ihn in Anlehnung an die Werkzeuge, die unter dem Schlagwort Web 2.0 zusammengefasst werden, unter der Bezeichnung „Bibliothek 2.0“.[15] Damit die wissenschaftliche Arbeit mit Wikis oder in der Wikipedia zu einer allgemeinen wissenschaftlichen Anerkennung führt (vgl., Danowski 2006, S. 77) braucht es in Zukunft nicht nur e-Science sondern einen grundlegenden Paradigmenwechsel zur „Wissenschaft 2.0“.

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Diderot, Denis: Enzyklopädie. Philosophische und politische Texte aus der Encyclopédie. München. dtv. 1969
  2. Cunningham, Ward; Leuf, Bo: The Wiki Way. Collaboration and Sharing on the Internet. Addison-Wesley. 2001
  3. Marieke Guy 2006: Wiki or Won't He? A Tale of Public Sector Wikis. In: Ariadne. Nummer 49, Oktober 2006. http://www.ariadne.ac.uk/issue49/guy/
  4. Ebersbach et al 2006: WikiTools.
  5. Christoph Lange (Hrsg.): Wikis und Weblogs. C&L, 2006
  6. Raymond, Eric S.: The Cathedral and the Bazar. O'Reilly, Beijing u.a. 1999 (Online: http://www.catb.org/~esr/writings/cathedral-bazaar/ (Originalfassung) und http://www.selflinux.org/selflinux-devel/html/die_kathedrale_und_der_basar.html (Deutsche Übersetzung))
  7. Tony Hammond, Timo Hannay, Ben Lund, Joanna Scott: Social Bookmarking Tools In: D-Lib Vol. 11 Nr. 4 URL: http://www.dlib.org//dlib/april05/hammond/04hammond.html und Marieke Guy, Emma Tonkin: Folksonomies Tidying up Tags? In: D-Lib Vol. 12 Nr.1 URL: http://www.dlib.org/dlib/january06/guy/01guy.html
  8. Jakob Voss Jakob: Wissenschaftliches Arbeiten und Wikipedia. In: Zeitenblicke. Dezember 2006, URL: http://www.zeitenblicke.de/
  9. Erik Möller: Die heimliche Medienrevolution. Wie Weblogs, Wikis und freie Software die Welt verändern. 2. erw. Auflage. Heise, Hannover, 2006
  10. Siehe http://www.copernicus.org/EGU/acp/ad_page.html (Zugriff am 3.10.2006)
  11. Siehe Jakob Voss: Mehr als Marginalien – das E-Book als gemeinsamer Zettelkasten. In: Libreas. Nr. 2, 2005, URL: http://www.ib.hu-berlin.de/~libreas/libreas_neu/ausgabe2/005zet.htm
  12. Kai Wang: Gene-function wiki would let biologist pool worldwide resources, in Nature 439, 534 (2006), URL: http://www.nature.com/nature/journal/v439/n7076/full/439534a.html
  13. siehe Patrick Danowski: Elektronisches Publizieren nach Wiki-Art. In: Maximilian Stempfhuber (Hrsg.): In die Zukunft publizieren. Herausforderungen an das Publizieren und die Informationsversorgung in den Wissenschaften. 11. Kongress der IuK-Initiative der Wissenschaftlichen Fachgesellschaft in Deutschland, Informationszentrum Sozialwissenschaften, Bonn 2006 URL: http://www.gesis.org/Information/Forschungsuebersichten/Tagungsberichte/Publizieren/IuK_Tagungsband_11_Danowski.pdf; Lambert Heller: Wikis for Scientific Publishing. Proceedings of the First Wikimania conference. URL: http://meta.wikimedia.org/wiki/Transwiki:Wikimania05/Presentation-LH1 ; Gerry McKiernan: Disruptive Scholarship (Weblog), URL: http://disruptivescholarship.blogspot.com/
  14. Andreas Köster: Tagebücher für die Forschung. In: duz Magazin. Nr. 7, 2005, URL: http://www.duz.de/docs/artikel/m_07_05tagebuecher.html
  15. Patrick Danowski, Lambert Heller: Bibliothek 2.0. Die Zukunft der Bibliothek? In: Bibliotheksdienst. Nr. 11, 2006, S. 1259-1271 URL Preprint: http://eprints.rclis.org/archive/00007618/

Über die Autoren[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Kurt Jansson ist Erster Vorsitzender des gemeinnützigen Vereins Wikimedia Deutschland - Gesellschaft zur Förderung Freien Wissens, und engagierte sich von Beginn an beim Aufbau der deutschsprachigen Online-Enzyklopädie Wikipedia. Wikimedia Deutschland ist eine Schwesterorganisation der US-amerikanischen Wikimedia Foundation. Kurt Jansson studiert Soziologie an der Freien Universität Berlin.
  • Patrick Danowski ist Diplom-Informatiker und wissenschaftlicher Bibliothekar. Momentan arbeitet er als wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Zeitschriftendatenbank der Staatsbibliothek zu Berlin. Seit Juni 2005 ist er im Vorstand von Wikimedia Deutschland e.V., wo er zur Zeit Schriftführer ist. Seine Arbeitsschwerpunkte sind Wikipedia und Bibliotheken, Open Access und Bibliothek 2.0. Zu dem letzen Thema schreibt er ein Weblog unter der Adresse http://bibliothek2.wordpress.com.
  • Jakob Voss stieß 2002 zur deutschsprachigen Wikipedia tätig und ist im Bereich der Wikipedia-Forschung aktiv (http://wm.sieheauch.de) und Beisitzer im Vorstand des Wikimedia Deutschland e.V. Momentan arbeitet er bei der Verbundzentrale des Gemeinsamen Bibliotheksverbund.