Biwa hōshi

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Biwa hōshi (1501)

Biwa hōshi (jap. 琵琶法師) waren wandernde Künstler in Japan vor der Meiji-Zeit, die – auf einer Biwa spielend – Erzählungen, häufig militärische Epen, rezitierten.

Sie waren blind oder sehbeeinträchtigt,[1] gehörten zur niedersten sozialen Klasse, wie Priester gekleidet, aber wahrscheinlich nur in seltenen Fällen tatsächlich Priester oder mit einem Tempel verbunden. Der Begriff hōshi besitzt einen abwertenden Charakter. Dennoch variierte der Bereich von gesellschaftlicher Anerkennung der biwa hōshi stark. So waren einige nur wenig mehr als Bettler, andere dagegen auch in aristokratischen Kreisen hochgeschätzte Musiker. Während der Kamakura-Arä fest etabliert, wurden sie in den Nambokuchō- und Muromachi-Perioden von den monogatari sō verdrängt. Dass Blindheit zum Erlernen eines Musikinstruments führte, war in Japan ein verbreitetes Phänomen.[2] Als Vertreter der verschiedenen umherziehenden „preacher-entertainers“ waren sie Teil des Bildes der religiösen Landschaft des mittelalterlichen Japans. So gab es weiterhin unter anderem: etoki hōshi (Bildererklärer), Kumano bikuni (Nonnen von Kumano), kanjin hijiri (spendensammelnde Priester), Kōya hijiri (Priester vom Berg Kōya), shōmonji (Sänger) oder miko (weibliche Mediums[3] bzw. Schamanen).[4]

Die biwa hōshi stehen in Verbindung mit den Heike-Zyklen, welche von den „quasi-priests“ in syllabischen Gesängen bis hin zu hoch melismatischen erweiterten Melodien vorgetragen wurden – ursprünglich um die Seelen der Gefallenen zu besänftigen.[5] In diesem Kontext ist anzunehmen, dass ihnen schamanistische Fähigkeiten zugeschrieben wurden.[6] Weitere Stücke waren beispielsweise Hogen monogatari, Heiji monogatari und Shokyu kassen ki. Eine maßgebliche Wirkung besteht damit in der Verbreitung und Popularisierung verschiedener Geschichten in eine volkstümliche Tradition, die zum Teil Elemente ihres speziellen Gesangs aufnahm.[7]

Trotzdem sich im Laufe der Zeit das künstlerische Interesse der Gesellschaft in Richtung und kabuki entwickelte, konnten die biwa hōshi eine gewisse Bedeutung beibehalten. Der rasche Niedergang setzte aufgrund der Schwächung von Sozial- und Sicherheitsstrukturen (wie der Gilde Tōdō, welche vorher noch vom Shōgun unterstützt worden war) infolge der Machtwechsels vom Shōgun auf den Meiji-Kaiser ein.[8]

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • David T. Bialock: From "Heike to Nomori no kagami": Onmyōdō and the Soundscapes of Medieval Japan. In: Cahiers d'Extrême-Asie.21, Nr. 1 2012, S. 165–199.
  • Hugh Ferranti: The Last Biwa Singer. A Blind Musician in History--Imagination and Performance. Cornell University Press, Ithaca, NY 2010, ISBN 978-1-942242-43-7.
  • Heike Hoffer: Blind Musicians and Supernatural Worlds: Animated Representations of Japan's Mysterious Biwa Hōshi. In: Mechademia.13, Nr. 2 2021, S. 47–62.
  • Anastasiya R. Sadokova: Japanese Traditions of Oral Storytelling in the Middle Ages. In: Studia litterarum.6, Nr. 3 2021, S. 282–303. (russisch)

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Siehe auch[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Hugh Ferranti: The Last Biwa Singer. A Blind Musician in History--Imagination and Performance. Cornell University Press, Ithaca, NY 2010, ISBN 978-1-942242-43-7, S. 20–22.
  2. Barbara Ruch: Origins of The Companion Library: An Anthology of Medieval Japanese Stories. In: The Journal of Asian studies. 30, Nr. 3 1971, S. 593–610, hier S. 599, 601.
  3. Keller Kimbrough und Hank Glassman: Editors' Introduction. Vernacular Buddhism and Medieval Japanese Literature. In: Japanese journal of religious studies. 36, Nr. 2 2009, S. 201–208, hier S. 202.
  4. David T. Bialock: From "Heike to Nomori no kagami": Onmyōdō and the Soundscapes of Medieval Japan. In: Cahiers d'Extrême-Asie.21, Nr. 1 2012, S. 165–199, hier S. 172.
  5. Alison Tokita: Interlude : Katari narrative traditions: from storytelling to theatre. In: Jonah Salz (Hrsg.). A history of Japanese theatre. Cambridge University Press, Cambridge 2016, ISBN 978-1-107-03424-2, S. 20–23, hier S. 21.
  6. Hugh Ferranti: The Last Biwa Singer. A Blind Musician in History--Imagination and Performance. Cornell University Press, Ithaca, NY 2010, ISBN 978-1-942242-43-7, S. 25.
  7. Barbara Ruch: Origins of The Companion Library: An Anthology of Medieval Japanese Stories. In: The Journal of Asian studies. 30, Nr. 3 1971, S. 593–610, hier S. 599.
  8. Heike Hoffer: Blind Musicians and Supernatural Worlds: Animated Representations of Japan's Mysterious Biwa Hōshi. In: Mechademia.13, Nr. 2 2021, S. 47–62, hier S. 51.
  9. Heike Hoffer: Blind Musicians and Supernatural Worlds: Animated Representations of Japan's Mysterious Biwa Hōshi. In: Mechademia.13, Nr. 2 2021, S. 47–62, hier S. 57.