Der Bockerer

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Der Bockerer ist ein Theaterstück von Ulrich Becher und Peter Preses.

Inhalt[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Mit dem Anschluss Österreichs beginnt das Deutsche Reich auch das Leben des einfachen Fleischhauers Karl Bockerer durcheinanderzubringen. Sein Sohn Hansi ist der Faszination der Nazis bereits erlegen, seine Frau Binerl zieht es zu deren Aufmärschen hin. Plötzlich muss auch sein Freund und Tarockpartner Rosenblatt Wien Hals über Kopf verlassen. Als Freund bleibt nur der Herr Hatzinger über.

Die Menschlichkeit verschwindet, der Krieg ist unausweichlich. Bockerer versteht die Welt nicht mehr. Aber er behält seinen scharfen Verstand, seinen bissigen Humor und seine Schlagfertigkeit. Schelmisch und gleichzeitig besonnen beginnt der Bockerer den passiven Widerstand gegen das „Tausendjährige Reich“.

Zur Entstehung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Friedrich Torberg kreierte schon sehr früh die Figur eines „Herrn Neidinger“, nach einem angeblich realen, regimekritischen Fleischhauer aus Wien. Er publizierte szenische Skizzen (mit Zeichnungen des nach Paris geflüchteten Bil Spira) in der, in Paris erscheinenden und von emigrierten österreichischen Schriftstellern und Künstlern gestalteten, monarchistischen Zeitschrift Die österreichische Post (1938 bis 1939).

Im österreichischen Exilkabarett „Laterndl“ in London tauchte um 1940 ebenfalls die Gestalt eines „Herrn Neidinger“ auf. Eine Personifizierung des „Wiener Volkscharakters“, die sich listig-schlau-dümmlich durch die Fallstricke der NS-Herrschaft schlägt. Eine dieser Szenen trägt den Titel „Der verhängnisvolle Geburtstag“ und könnte als eine der „Urszenen“ für den „Bockerer“ bezeichnet werden. Es ist anzunehmen, dass Peter Preses an dieser Szene als Autor und Schauspieler mitgewirkt hat. Auch andere Szenen des „Bockerers“ dürften von der künstlerischen Arbeit Preses in diesem Kabarett inspiriert worden sein.

Eine Anekdote berichtet, dass der Schriftsteller Alexander Roda Roda im Zürcher Exil in einem Kaffeehaus saß und auf seinen Schwiegersohn Ulrich Becher wartete. Becher erzählte seinem Schwiegervater: „In Wien gibt es noch einen, der gegen den Hitler ist.“ Auf die erstaunte Frage von Roda Roda nach dessen Identität antwortete der junge Autor: „Ein Fleischhacker in der Paniglgasse“.

Einige Jahre später erschienen in der „Austro American Tribune“ in New York erste Szenen des „Bockerer“ von Ulrich Becher und Peter Preses. Friedrich Torberg fand sich um die Idee seines „Herrn Neidinger“ beraubt und klagte die geistige Urheberschaft vor einem New Yorker Gericht ein. Torberg verlor den Prozess und die lange Freundschaft und Kollegenschaft zu Ulrich Becher war damit beendet.

Am 2. Oktober 1948 wurde das Stück unter der Regie von Günther Haenel im „Neuen Theater an der Scala“ in Wien uraufgeführt.

Es vergingen viele Jahre bis zur nächsten Inszenierung, die erst 1963 in Deutschland, im Landestheater Tübingen, stattfand. Im selben Jahr wurde das Stück für das österreichische Fernsehen mit Fritz Muliar in der Hauptrolle verfilmt. 1978 erzielte das Stück in Mannheim einen sehr großen Erfolg, dem sich nun auch das österreichische Theater nicht mehr entziehen konnte. Die größte Popularität bekam „Der Bockerer“ 1981 durch die Kinoverfilmung von Franz Antel.

Becher selbst nennt das Stück: „Eine schwejkartige Satire auf sieben Jahre Hitlerei in Österreich.“

Uraufführung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Das Stück wurde als „tragische Posse“ am 2. Oktober 1948 an der Scala in Wien uraufgeführt. Regie führte Günther Haenel, das Bühnenbild schuf Teo Otto. Die Titelrolle wurde gespielt von Fritz Imhoff, weiter spielten Karl Paryla als Alois Seichgruber, Hans Putz als SS-Mann Gstettner, Wolfgang Heinz als Rosenblatt, Günther Haenel als Uhrmacher Knabe sowie in weiteren Rollen Anton Duschek, Eduard Loibner, Maria Gabler, Hella Ferstl, Trude Hajek, Oskar Willner, Rudolf Rhomberg und Otto Tausig.

Das Theater wurde von aus dem Exil zurückgekehrten Schauspielern gegründet und befand sich noch in der sowjetischen Besatzungszone. Deshalb litt das Theater unter dem Spitznamen „Kommunistentheater“.

Die österreichische Zeitung“ lobte das Stück in einer ihrer Ausgaben: „Kein Drama, aber gewiss doch eine dramatische Monographie, eine Charakterstudie, und eine überaus genaue, plastische, packende. In einen sehr realen Gesichtskreis gestellt. Mit einer vorzüglichen Zeit- und Raumkenntnis. Wahrhaftig, eine tragische Posse voll unvergesslicher Augenblicke.“

Dagegen hielt die „Arbeiter Zeitung“ wenig von den Autoren: „Die beiden Autoren stellen den ehrsamen Selchermeister Bockerer, der sich mit der „Größe“ der Zeit zwischen 1933 und 1945 nicht abfinden konnte, in gutgemeinter Bilderbogenmanier, aber mit nur allzu verflachender Schwarz-Weiß-Zeichnung auf die Bühne. So gelingen ihnen auch nur ganz wenige Szenen“.

Mit 80 Aufführungen war „Der Bockerer“ eines der erfolgreichsten Stücke der Scala. Doch durch die Gegnerschaft Torbergs, der in der Nachkriegszeit alles boykottierte, was nur mit einem Hauch von Kommunismus belastet war, erfuhr das Stück nach der abgelaufenen Spielsaison vorerst geringe Popularität und keine Wiederaufnahme.

Fernsehspiel[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Erstmals verfilmt wurde das Theaterstück als Fernsehspiel des österreichischen Rundfunks unter der Regie von Michael Kehlmann. Die Erstausstrahlung erfolgte am 26. Jänner 1963. Die Titelrolle spielte Fritz Muliar. Weitere Mitwirkende waren Marianne Gerzner, Heinz Trixner, Hans Olden, Carl Merz, Franz Böheim und Johann Sklenka und Günther Haenel (In der Rolle des Herrn Knabe; Er war Regisseur der Uraufführung des Bockerers 1948).

Film[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die gleichnamige Filmreihe Der Bockerer von Franz Antel handelt als Fortsetzung des originalen Schauspiels von der Geschichte Österreichs. Das Konzept zur Serie stammt von Carl Szokoll. Hauptdarsteller ist der österreichische Schauspieler Karl Merkatz, welcher die Rolle des Wiener Fleischhauers Karl Bockerer spielt, die er zuvor bereits in einer Aufführung des Wiener Volkstheaters gegeben hatte (1980, Regie: Dietmar Pflegerl, Bühnenbild: Hans Hoffer, mit Hilde Sochor, Heinz Petters).

Der erste Teil der Reihe basiert auf dem Theaterstück von Becher und Preses, einzelne Szenen wurden von H. C. Artmann ergänzt. Die weiteren Verfilmungen, insgesamt gibt es vier Teile, haben mit dem ursprünglichen Theaterstück, außer der Person des „Bockerers“, nichts mehr zu tun.

Ausgabe[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Ulrich Becher, Peter Preses: Der Bockerer. Rowohlt, Reinbek bei Hamburg 1984. ISBN 3-499-14850-1 (= rororo theater, Band 4850)

Quellen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • „Autoren damals und heute. Literaturgeschichtliche Beispiele veränderter Wirkungshorizonte“, Herausgegeben von Gerhard P. Knapp, 1972
  • „Kabarett und Satire im Widerstand 1933 – 1945“, Mitteilungen des Instituts für Wissenschaft und Kunst Nr. 1/2, 1985
  • „Handbuch des Antisemitismus. Judenfeindschaft in Geschichte und Gegenwart“, Walter de Gruyter GmbH, Berlin/München/Boston, 2015
  • „Theater in Deutschland 1945 – 1966. Seine Ereignisse – seine Menschen“, Günter Rühle, 2014
  • „Von der Panigl- in die Pinaglgasse. Eine Abschweifung vom Bobo ins Prolo-Wien“, Beppo Beyerl & Rudi Hieblinger, 2010
  • „Ich lebe in der Apokalyse. Briefe an die Eltern“, herausgegeben von Martin Roda Becher, Verlag der Theodor Kramer Gesellschaft, 2012
  • „Exilland Schweiz“, Vorlesung von Ulrike Oedl, Universität Salzburg 2002
  • Programmheft Tournee (Regie Thomas Stroux), 1993
  • Programmheft Landestheater Salzburg, 1994
  • Programmheft Lichtenberger Bühne, 2008
  • Programmheft Wilhering, 2014
  • Programmheft Stummer Schrei Tirol, 2014
  • Programmheft Kellerbühne Puchheim, 2015